Entscheidungsdatum: 31.08.2011
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2008 024 079.2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 31. August 2011 unter Mitwirkung der Richterinnen Martens und Winter sowie des Richters Schell
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 10 vom 16. Dezember 2009 und vom 16. März 2011 aufgehoben.
I.
Die Wortmarke
LEDview
ist zur Eintragung als Marke für die nachfolgenden Waren der Klassen 10 und 11
„Behandlungsplätze zur Zahnbehandlung bestehend aus einem Behandlungsstuhl mit oder ohne Mundspülbecken und mit einer zahnärztlichen Arbeitsleuchte; zahnärztliche Behandlungsstühle, extraorale und intraorale Beleuchtungseinrichtungen zu zahnmedizinischen Zwecken, zahnärztliche Operationsleuchte, zahnärztliche Arbeitsleuchte;
Leuchtmittel für Zahnarztleuchten“
angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 10 hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die angemeldete Wortkombination enthalte eine sachbezogene Angabe, die von den angesprochenen Fachkreisen aus der Zahnmedizin dahingehend verstanden werde, dass die beanspruchten Waren mittels Beleuchtung durch Leuchtdioden eine Sicht vermittelten. Der Sachbegriff „LEDview“ werde auch bereits von einem anderen Anbieter in Japan für Beleuchtungen verwendet. Dem Markenwort fehle daher die Eignung auf eine Herkunft von der Anmelderin hinzuweisen, weshalb es ihm die erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Sache selbst hat sie keine Stellung genommen.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache begründet.
Bei der Prüfung, ob einer angemeldeten Marke absolute Schutzhindernisse entgegenstehen, ist immer auf ihren Gesamteindruck abzustellen, wobei es allerdings bei Kombinationsmarken, wie dem vorliegenden Wortzeichen, zweckmäßig und zulässig ist, zunächst ihre einzelnen Bestandteile zu bewerten. Auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen ist dann in einem weiteren Prüfungsschritt die Marke in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (vgl. EuGH, MarkenR 2007, 204, 209, Rdn. 79 – Celltech; EuGH, GRUR Int 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 – BioID; EuGH, GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 28 – SAT.2). Dabei ist immer auf die mutmaßliche Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen.
Vorliegend richten sich die beanspruchten Waren ausschließlich an Fachkreise aus dem zahnmedizinischen Bereich. Diesem Publikum ist die in der Anmeldemarke enthaltene Buchstabenfolge „LED“ als gebräuchliches Fachkürzel für ein Leuchtmittel („lichtemittierende Diode“ bzw. „Leuchtdiode“) ebenso bekannt wie der deutschsprachige Begriffsgehalt des englischen Wortes „view" i. S. v. „Sicht, Ansicht, Bild" (vgl. Duden-Oxford – Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM]). Bei sprachregelgemäßer Deutung lassen sich dem Markenwort somit die Aussagegehalte „LED-Sicht, LED-Ansicht, LED-Bild“ zuordnen, die in ihrer Wortstruktur zunächst mit Sachbegriffen wie „LED-Bildschirm“ oder „LED-Display“ vergleichbar erscheinen. Bei praxisnaher Betrachtungsweise fehlt der Anmeldemarke jedoch jeglicher konkrete Produktbezug, was für das angesprochene Fachpublikum auch ohne Weiteres erkennbar ist. Dabei ist zu beachten, dass der Wortbestandteil „view“ gerade nicht mit Sachbegriffen wie „Bildschirm“ oder „Display“ gleichgesetzt werden kann, die in Verbindung mit dem Kürzel „LED“ konkrete Sachbezeichnungen bilden. Dagegen erweist sich die Marke mit ihren Aussagegehalten „LED-Sicht, LED-Ansicht, LED-Bild“ im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Beleuchtungseinrichtungen bzw. Operations- und Arbeitsleuchten sowie Leuchtmittel lediglich als Andeutung produktbezogener Merkmale. Denn die betreffenden Produkte können zwar auf der Grundlage der LED-Technologie konzipiert sein und als entsprechende Ausstattungsoption bzw. Lichtquelle den Nutzern zahnärztlicher Arbeitssysteme sozusagen „die Sicht“ auf das Behandlungsfeld ermöglichen. Bereits die sprachunübliche Wiedergabe dieses Sachverhalts veranschaulicht aber, dass sich dem Markenwort „LEDview“ produktbezogene Zusammenhänge allenfalls über mehrere, zielgerichtete Gedankenschritte entnehmen lassen. Dementsprechend konnte auf dem hier einschlägigen Produktbereich eine sachbezogene Verwendung der Begriffe „LED-Sicht, LED-Ansicht, LED-Bild“ oder „LEDview“ auch nicht nachgewiesen werden. Soweit die Markenstelle insoweit auf einen vermeintlich einschlägigen Beleg verwiesen hat, handelt es sich hierbei um eine rein markenmäßige Verwendung des Wortzeichens „LED VIEW“.
Die angemeldete Wortkombination ist folglich zu unbestimmt, um im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Waren zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen zu können. Ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit der Anmeldemarke scheidet somit aus.
Der Marke fehlt auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Wie oben dargelegt, kommt ihr keinerlei produktbeschreibender Bedeutungsgehalt zu, was für das hier ausschließlich beteiligte Fachpublikum auch unmittelbar erkennbar ist. Ebenso wenig kann sie als bloße Werbeaussage oder Anpreisung allgemeiner Art angesehen werden (vgl. hierzu EuGH, GRUR 2004, 680, 681 – BIOMILD; BGH, GRUR 2005, 417, 419 – BerlinCard), da die für eine solche Wertung erforderlichen, konkreten Anhaltspunkte nicht feststellbar sind. Die angemeldete Wortkombination „LEDview“ stellt somit keine bloße Aneinanderreihung zweier beschreibender Bestandteile dar, sondern besitzt einen eigenständigen, produktunabhängigen Bedeutungsgehalt und ist zur Ausübung der markenrechtlichen Herkunftsfunktion geeignet (vgl. hierzu EuGH, GRUR 2010, 931, Rdn. 61 f. – COLOR EDITION).
Nachdem die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG somit nicht gegeben und auch keine Anhaltspunkte für andere absolute Ausschlussgründe ersichtlich sind, waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.