Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 07.12.2011


BPatG 07.12.2011 - 28 W (pat) 39/11

Markenbeschwerdeverfahren – „GERBO / GEFRO“ – keine klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr – starke Abweichungen in der Wortmitte


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
07.12.2011
Aktenzeichen:
28 W (pat) 39/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 306 21 035

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. Dezember 2011 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Martens und den Richter Schwarz

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Widersprechende hat gegen die am 15. September 2006 veröffentlichte Eintragung der am 4. April 2006 angemeldeten, für

2

Klasse 29:

3

Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte und Suppen, insbesondere mit verschiedenen Sorten Gemüse, insbesondere Konservensuppen

4

geschützten Marke Nr. 306 21 035

5

GERBO

6

Widerspruch eingelegt aus ihrer am 6. April 1983 angemeldeten und seit 18. Dezember 1983 für

7

Suppen-, Bratensoßen-, Fleisch- und Gemüseextrakte, insbesondere in Pulverform und auf pflanzlicher Basis; Speiseöle, insbesondere Distelöl, Speisefette, Gewürze, Essig, insbesondere Obstessig, sowie Kochsalzersatz; Honig; Teigwaren; diätetische Nahrungsmittel für Kinder und Kranke, insbesondere Diätsuppe, Diätwürze und diätetische Speiseöle und Speisefette

8

eingetragenen Marke Nr. 1 085 802

9

GEFRO.

10

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 7. Mai 2008 den Widerspruch und mit Beschluss vom 23. Februar 2011 die hiergegen eingelegte Erinnerung der Widersprechenden mit der Begründung zurückgewiesen, ungeachtet der nach zulässiger Erhebung der Nichtbenutzungseinrede seitens der Markeninhaberin sich stellenden Frage einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke bestehe zwischen beiden Marken selbst bei identisch beanspruchten Waren und Zugrundelegung normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mangels hinreichender Zeichenähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr. Denn trotz Übereinstimmung in den beiden ersten und im letzten Buchstaben unterschieden sich beide Marken durch die starken Abweichungen in der jeweiligen Wortmitte sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht deutlich.

11

Gegen diesen Beschluss richtet sich die bislang nicht weiter begründete Beschwerde der Widersprechenden.

12

Die Markeninhaberin hat zur Beschwerde bislang nicht Stellung genommen.

II.

13

Die Beschwerde ist zulässig. Über sie kann entschieden werden, ohne dass der Widersprechenden, die eine Beschwerdebegründung bislang nicht eingereicht  hatte, hierfür zuvor noch eine Frist gesetzt werden muss. Eine bislang nicht eingereichte Beschwerdebegründung muss nicht angemahnt werden; vielmehr kann nach angemessener Frist über die Beschwerde entschieden werden (vgl. BPatGE 19, 225, 227 ff.; 23, 171). Hierfür genügt entsprechend § 85 Abs. 3 Satz 2 MarkenG jedenfalls ein Monat ab Beschwerdeeinlegung (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2011, § 66 Rdn. 43 s. a. BGH GRUR 1997, 223, 224 - Ceco).

14

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

15

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] - Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59]  Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] - Adam Opel/Autec).

16

Nach diesen Grundsätzen scheidet ungeachtet der Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr schon deshalb aus, weil der Grad der Markenähnlichkeit zu gering ist, um selbst bei Annahme identisch beanspruchter Waren und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

17

Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl. 2011, § 9 Rn. 178 m. w. N.).

18

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Markenstelle zutreffend festgestellt, dass die sich in der jeweiligen Wortmitte beider Marken befindenden Abweichungen so stark ausgeprägt sind, dass die angesprochenen Verkehrskreise keine Mühe haben, beide Marken jederzeit akustisch und optisch auseinander zu halten. Auf die detaillierte Begründung in den angefochtenen Beschlüssen, denen der Senat in vollem Umfang zustimmt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Da die Widersprechende ihre Beschwerde bislang auch nicht begründet hat, ist nicht ersichtlich, aus welchen sonstigen Gründen sie diese Ausführungen für fehlerhaft erachtet.

19

Da auch für eine Verwechslungsgefahr aus sonstigen Gründen weder etwas seitens der Widersprechenden vorgetragen noch anderweitig ersichtlich ist, hat die Markenstelle zutreffend den Widerspruch und die Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen. Damit war ihrer Beschwerde der Erfolg zu versagen.

20

Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).