Entscheidungsdatum: 04.08.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 304 58 920
(hier: Löschungsverfahren S 230/09)
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 4. August 2011 durch die Vorsitzende Richterin Klante und die Richter Schwarz und Schell
beschlossen:
Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Januar 2011 wird aufgehoben, soweit in Ziffer 1 die teilweise Löschung der Marke 304 58 920 für „Waren aus Metall, soweit in Klasse 6 enthalten, insbesondere Blechschilder; Blechpostkarten“ angeordnet worden ist, und hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 wie folgt abgeändert:
Der Antrag auf Löschung der Marke 304 59 920 vom 5. August 2009 wird insgesamt zurückgewiesen.
I.
Der Antragstellerin hat am 5. August 2009 die Löschung der am 14. Oktober 2004 angemeldeten und am 6. September 2005 für
Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Färbemittel; Beizen; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler; unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien aus Metall; transportable Bauten aus Metall; Schienenbaumaterial aus Metall; Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke); Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Metallrohre; Geldschränke; Waren aus Metall, soweit in Klasse 6 enthalten, insbesondere Blechschilder; Erze; Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel, insbesondere Kinderbesteck; Hieb- und Stichwaffen; Rasierapparate; Blechpostkarten; Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen, Nadeln; künstliche Blumen
eingetragenen Bildmarke Nr. 304 58 920
wegen fehlender Schutzfähigkeit nach § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 MarkenG beantragt.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 26. Januar 2011 auf den Antrag die teilweise Löschung für „Waren aus Metall, soweit in Klasse 6 enthalten, insbesondere Blechschilder; Blechpostkarten“ angeordnet und im Übrigen den Löschungsantrag zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt:
Ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt könne lediglich für Waren der Klasse 16 festgestellt werden. Für diese Waren folge bereits aus dem Warenverzeichnis, ohne dass es insoweit der Feststellung weiterer Umstände, die die Art der Anbringung der Marke betreffen, bedürfe, dass sie durch die Marke auch in inhaltlicher Weise beschrieben werden könnten; denn diese Waren wiesen einen gedanklichen Inhalt auf, der in wörtlicher oder bildlicher Form wiedergegeben werden könne. Bei diesen Waren könne daher von einer Inhalts- und damit Eigenschaftsangabe der Waren ausgegangen werden, so dass bereits aus diesem Grunde, d. h. ohne die Hinzunahme weiterer Umstände, das Fehlen der Unterscheidungskraft festgestellt werden könne. Im Übrigen fehle der Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft. Zwar seien die Ampelmännchen bei zumindest einem Teil der beanspruchten Waren (was beispielsweise bei dem „Kinderbesteck“ der Fall sein könnte) in denkbarer Weise als Motiv und Aufdruck in Gebrauch. Darauf dürfe bei der Prüfung aber nicht abgestellt werden, vielmehr müsse von einem kennzeichengemäßen Gebrauch der Marke ausgegangen werden, mindestens dürfen aber nicht solche Verwendungen unterstellt werden, bei deren Einsatz die Marke nicht unterscheidungskräftig würde; dies sei wohl gefestigte Rechtsprechung, wie sich aus den BGH-Entscheidungen „Marlene-Dietrich-Bildnis II“ und „TOOR“ des Bundesgerichtshofes oder der Entscheidung „in Kölle gebore“ des 27. Senates des Bundespatentgerichtes ergebe. Dem stehe auch die von der Löschungsantragstellerin zitierte Entscheidung des LG Berlin vom 10. November 2009 (Az. 16 O 364/09), mit dem Verletzungsansprüche der Inhaberin der angegriffenen Marke verneint worden sind, nicht entgegen, da dieses über eine konkrete Verletzungsform zu befinden gehabt habe, bei der die Art und Weise der Aufbringung des Zeichens an der Ware festgestanden habe und daher auch in die verletzungsgerichtliche Wertung habe einfließen können. Die der Markeninhaberin eingeräumten Benutzungs- und Verwertungsrechte des Herrn P…, dem der Löschungsantragsteller nicht widersprochenen habe, spielten bei der markenrechtlichen Bewertung ebenfalls keine Rolle. Auch die Einordnung als „Kulturgut“ sei für die Entscheidung nicht maßgeblich, da dies von vorneherein nicht das Fehlen von Unterscheidungskraft begründen könne (vgl. Ströbele/Hacker – Ströbele, Kommentar zum Markenrecht, 9. Auflage, § 8, Rz. 159). Verkehrszeichen seien nach ständiger Rechtsprechung keine Hoheitszeichen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG. Damit entfalle auch die Annahme einer Bösgläubigkeit der Inhaberin der angegriffenen Marke, zumal ihr die aus dem Urheberrecht des Schöpfers der Ampelmännchen folgenden Nutzungsrechte eingeräumt worden seien und es fraglich sei, ob und inwieweit sich beim Antragsteller überhaupt ein schutzwürdiger Besitzstand habe bilden können. Letztlich fehle es an einem Einsatz der angegriffenen Marke als Spekulations- oder Sperrmarke; von einem Fehlen des (generellen) Benutzungswillens könne nicht ausgegangen werden, da die Markeninhaberin nach ihrem Vortrag die Marke lizensiere. Für eine sittenwidrige Behinderungsabsicht der Mitbewerber durch die Markeninhaberin sei weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Ansicht, dass Anhaltspunkte, die für einen beschreibenden Begriffsinhalt der angegriffenen Marke für die von der Löschungsanordnung betroffenen Waren sprächen, nicht erkennbar und auch von der Markenabteilung nicht konkret belegt seien. Der Löschungsantrag sei daher insgesamt zurückzuweisen.
Die Markeninhaberin beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Januar 2011 aufzuheben, soweit hierin die teilweise Löschung der Marke für „Waren aus Metall, soweit in Klasse 6 enthalten, insbesondere Blechschilder; Blechpostkarten“ angeordnet worden sei, und den Löschungsantrag insgesamt zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat keinen Antrag gestellt und erklärt, in der Sache keine Äußerung einzureichen.
II.
Die zulässige Beschwerde, über die im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, da keiner der Beteiligten einen Antrag auf mündlichen Verhandlung gestellt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, hat in der Sache Erfolg.
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin ist der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Januar 2011 aufzuheben und der zulässige Antrag auf Löschung der angegriffenen Marke, dem die Markeninhaberin rechtzeitig nach § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen hat, insgesamt zurückzuweisen, da ein Löschungsgrund nach §§ 54, 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG nicht besteht.
Nach § 50 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kann eine eingetragene Marke auf Antrag nur gelöscht werden, wenn ihr im Zeitpunkt der Eintragung die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehlte und dieses Schutzhindernis auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch fortbesteht. Diese Voraussetzungen können für die vorliegend zu beurteilende Marke nicht festgestellt werden.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] - SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] - SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] – SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).
Diese Eignung zur Unterscheidung der im Beschwerdeverfahren allein noch zu beurteilenden Waren der Klasse 16 von entsprechenden Waren anderer Unternehmen kann der vorliegend zu beurteilenden Marke weder für den Zeitpunkt ihrer Eintragung noch jetzt abgesprochen werden. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass sie nur einen im Vordergrund stehenden, diese Waren beschreibenden Begriffsinhalt zum Eintragungszeitpunkt hatte und heute noch hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Zutreffend hat die Markenabteilung, auf deren Ausführungen der Senat insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, festgestellt, dass die mit dem Löschungsantrag angegriffene Bildmarke nicht schon deshalb von vornherein schutzunfähig ist, weil sie das früher in der DDR gebräuchliche sog. Fußgänger-Ampelmännchen wiedergibt. Denn dieses hat - auch wenn es sich, wie das Landgericht Berlin in dem vom Antragsteller zitierten Entscheidung mitgeteilt hat, noch an einigen Ampeln in Berlin (was für die Beurteilung der Schutzfähigkeit im gesamten Inland allerdings ohnehin nicht ausschlaggebend wäre) tatsächlich befinden sollte - seine rechtliche Bedeutung als Verkehrszeichen mit der Wiedervereinigung verloren. Ob es wesentlichen Verkehrskreisen - und zwar nicht nur in Berlin oder Teilen der sog. neuen Bundesländer, sondern im gesamten Inland - heute überhaupt noch bekannt ist, ist seitens des Antragstellers weder nachgewiesen noch anderweitig für den Senat erkennbar, zumal auch das vom Antragsteller zitierte Urteil des Landgerichts Berlin hierzu keine konkreten verwertbaren Feststellungen enthält. Ungeachtet dessen ist anhand der von der Markenabteilung zitierten Rechtsprechung auch darauf hinzuweisen, dass dieser Aspekt allein nicht zwingend zur Annahme fehlender Unterscheidungskraft oder eines sonstigen Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 MarkenG (insbesondere nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 oder 10 MarkenG) führt.
Soweit die teilweise Löschung der angegriffenen Marke im angefochtenen Beschluss allerdings damit begründet wird, dass die angegriffene Bildmarke die von der Löschungsanordnung betroffenen Waren der Klasse 16 beschreiben könne, vermag der Senat diese Auffassung nicht zu teilen. Zwar ist es durchaus denkbar, dass Darstellungen wie die hier eingetragene Bildmarke sich auf Druckereierzeugnissen (i.w.S.) in einer Art und Weise wiederfindet, dass der Verkehr sie nur als Wiedergabe eines Titels oder eines Motivs, nicht aber (zumindest auch) als Herkunftshinweis versteht. So mag dies etwa der Fall sein, wenn die hier in Rede stehenden Blechschilder oder Blechpostkarten an der Stelle, an der sich üblicherweise das Schild- oder Postkartenmotiv befindet, allein oder überwiegend die hier angegriffene Marke wiedergeben. Dies allein vermag aber die Annahme einer Schutzunfähigkeit der hier zu beurteilenden Marke noch nicht zu begründen. Denn zum einen ist der Verkehr durchaus daran gewöhnt, der vergrößerten und allein auf Schildern oder Postkarten wiedergegebenen Abbildung (zumindest) auch einen Hinweis auf die Herkunft dieser Schilder oder Postkarten zu entnehmen. Dies bedarf allerdings keiner Vertiefung. Denn ungeachtet einer solchen Wiedergabe der angegriffenen Marke sind auch andere Verwendungsformen denkbar und naheliegend, bei denen der Verkehr die Wiedergabe der angegriffenen Marke ausschließlich als Herkunftshinweis versteht. Dies ist etwa der Fall, wenn er das Zeichen an der Stelle der bei Postkarten üblichen Herkunftsangabe (z. B. vertikal neben dem das rechtsliegende Adress- vom linksliegenden Textfeld abgrenzenden Mittelstrich bei Postkarten oder im oberen Bereich des Textfeldes) wiederfindet. Gibt es aber praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten, ein Zeichen bei den Waren und Dienstleistungen, für die es eingetragen wurde, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne Weiteres als Marke verstanden wird, kann ihr die grundsätzliche Unterscheidungseignung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht von vornherein abgesprochen werden (vgl. BGH, GRUR 2001, 240, 242 – SWISS ARMY; GRUR 2010, 1100, 1102 - TOOOOR!; BGH, GRUR 2008, 193 – Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2010, 825 – Marlene-Dietrich-Bildnis II). Da somit Anhaltspunkte dafür, dass dem hier in Rede stehenden sog. „Ampelmännchen“ auf Druckereierzeugnissen (i.w.S.) vom Verkehr ausschließlich ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet würde, weder vorgetragen noch ersichtlich sind, kann die angegriffenen Marke nicht wegen einer bei ihrer Eintragung und jetzt noch fehlenden Unterscheidungskraft nach § 50 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gelöscht werden.
Damit war auf die Beschwerde der anderslautende Beschluss der Markenabteilung teilweise aufzuheben und der Löschungsantrag des Antragstellers insgesamt zurückzuweisen.
Für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestehen keine Gründe, so dass es bei der Grundregel des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verbleibt, derzufolge jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selber trägt.