Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 21.02.2017


BPatG 21.02.2017 - 28 W (pat) 21/16

Markenbeschwerdeverfahren – "OptiLine" - Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
21.02.2017
Aktenzeichen:
28 W (pat) 21/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2015 105 811.8

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 21. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und der Richter Schmid und Dr. Söchtig

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 7, vom 28. Januar 2016 aufgehoben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin hat am 4. September 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragt, die Bezeichnung

2

OptiLine

3

als Wortmarke für die nachstehenden Waren und Dienstleistungen in das beim DPMA geführte Markenregister einzutragen:

4

Klasse 7:

5

Landwirtschaftliche Maschinen und maschinell angetriebene oder bewegte Geräte für die Landwirtschaft, insbesondere für die Bodenbearbeitung, Aussaat, Düngung oder Pflanzenschutz, insbesondere Ausbringgeräte, Behälter [Maschinenteile], Dosier-, Einbring- und Verteileinrichtungen, Pflüge, Beetpflüge, Drehpflüge, Anbaupflüge, Aufsattelpflüge, Scharpflüge, Scheibenpflüge, Pflugeinstellsysteme, Untergrundpacker, Walzen, Sämaschinen, Drillmaschinen, Einzelkornsämaschinen, Säkombinationen, Saatbeetkombinationen, Eggen, Kreiseleggen, Fräsen, Rotoren, Grubber und Lockerer, Striptillgeräte, Feldspritzen, Düngerstreuer, Reihendüngerstreuer; Geräte zur Düngerablage; Zugpunkt- und Breiteneinstellvorrichtungen als Teile von vorgenannten Waren; vorgenannte Waren als selbstfahrende, gezogene oder getragene Maschinen für die Bodenbearbeitung, Aussaat, Düngung oder Pflanzenschutz; Kombinationen, Teile, Zubehör der vorgenannten Waren, soweit in Klasse 7 enthalten;

6

Klasse 9:

7

Elektronische Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungseinheiten, Standortbestimmungs- und Speichergeräte, Kraftmesseinrichtungen, Positionsmesseinrichtungen, Bedien- und Anzeigegeräte; Mobilrechner für landwirtschaftliche Zwecke oder als Teil und/oder Zubehör für land-wirtschaftliche Maschinen und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten;

8

Klasse 42:

9

Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Erstellen von technischen Analysen; Aufbau einer Datenbank; technische Auskünfte und Beratung sowie EDV-Beratung, auch online, im Zusammenhang mit der Verteilung von flüssigem, körnigem und pulverförmigem Material auf landwirtschaftlichen Flächen sowie der Inbetriebnahme, Einstellung, Servicebetreuung aller vorgenannten Geräte und Maschinen und bezüglich Updaten und Upgraden von Steuerungen und Hardware und deren Gerätesoftware.

10

Das DPMA, Markenstelle für Klasse 7, hat die Anmeldung nach vorheriger Beanstandung mit Beschluss 28. Januar 2016 mit Ausnahme der Dienstleistungen „industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Erstellen von technischen Analysen; Aufbau einer Datenbank“ teilweise zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung „OptiLine“ werde von den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar im Sinne von „OptimalLine“ und damit als Hinweis auf eine optimal abgestimmte Produktlinie verstanden. Sie sei daher nicht geeignet, auf die betriebliche Herkunft der von der Zurückweisung betroffenen Waren und Dienstleistungen hinzuweisen, und unterliege mithin dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Selbst wenn die Bezeichnung eine Wortneuschöpfung sei, werde sie vom Publikum ohne Weiteres als Sachangabe verstanden. Im Übrigen sei die Verwendung der Angabe „OptiLine“ bzw. „Optiline“ bereits nachweisbar.

11

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie geltend macht, dass das Schutzhindernis des Fehlens der Unterscheidungskraft vorliegend nicht gegeben sei. Der Wortbestandteil „Opti“ sei ein für sich schutzfähiges Wort. Erst recht müsse daher die angemeldete Wortkombination „OptiLine“ eintragungsfähig sein. Dementsprechend habe das DPMA die Angabe „OptiLine“ bereits vielfach als schutzfähig erachtet und in das Markenregister eingetragen.

12

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

13

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 7, vom 28. Januar 2016 aufzuheben.

14

Ergänzend wird auf den angefochtenen Beschluss des DPMA, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

15

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg.

16

1. Entgegen der Auffassung des DPMA kann nicht festgestellt werden, dass die angemeldete Wortmarke in Verbindung mit den von der Zurückweisung betroffenen Waren und Dienstleistungen jeglicher Unterscheidungskraft entbehrt.

17

Einem Wortzeichen fehlt dann die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wenn die angesprochenen Verkehrskreise ihm lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn es aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache besteht, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934, Rdnr. 12 - OUI; GRUR 2014, 872, Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204, Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress).

18

a) Das angemeldete Wortzeichen „OptiLine“ weist keine für das inländische Publikum verständliche sachbeschreibende oder anpreisende Bedeutung auf. Insbesondere stellt der Zeichenbestandteil „Opti-“ keine gebräuchliche oder naheliegende Abkürzung des deutschen, englischen oder französischen Adjektivs „optimal“ im Sinne von „bestmöglich“ dar. Auch als geläufige Abkürzung für die Worte „Optik“ bzw. „optisch“, „optics“ bzw. „optical“ (Englisch) oder „optique“ (Französisch) ist er nicht nachweisbar.

19

b) Entgegen der Auffassung des DPMA kann dem Anmeldezeichen auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Abwandlung der englischsprachigen Wortbildung „OptimalLine“ die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Eine Abwandlung einer beschreibenden oder sonst schutzunfähigen Angabe kann unterscheidungskräftig sein, auch wenn das Publikum eine inhaltliche Bezugnahme auf die zugrunde liegende schutzunfähige Angabe erkennt. Dies setzt voraus, dass der Abwandlung selbst ein individualisierender Charakter zukommt, wovon insbesondere bei Zeichen, die sich deutlich von der zugrunde liegenden Angabe abheben, auszugehen ist (vgl. EuGH MarkenR 2004, 99, Rdnr. 99 - Postkantoor; BGH GRUR 2013, 731, Rdnrn. 19 ff. - Kaleido; BPatG GRUR 2004, 873 - FRISH; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 8, Rdnr. 176 m. w. N.).

20

Vorliegend kann dahin gestellt bleiben, ob die Wortkombination „OptimalLine“ tatsächlich als eine schutzunfähige sachbeschreibende oder anpreisende Angabe einzuordnen wäre. Denn jedenfalls verfügt die angemeldete Bezeichnung „OptiLine“ gegenüber der Angabe „OptimalLine“ über eine zur Überwindung des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft ausreichende semantische Verfremdung.

21

Der Zeichenbestandteil „Opti“ unterscheidet sich in der Wortlänge, in der Aussprache und im Schriftbild ausreichend deutlich von dem Adjektiv „optimal“. Dessen Wortstamm „optim…“ findet sich nicht in der angemeldeten Marke. Zudem ist die Buchstabenfolge „Opti“ in verschiedenen weiteren Wörtern enthalten, etwa „optical“ bzw. „optisch“ oder „optieren“. Auch kann „Opti“ wegen der Endung „i“ als Verkleinerungsform und damit als Kunstwort aufgefasst werden, so dass sich gedankliche Verbindungen zu der Wortkombination „OptimalLine“ oder „OptimumLine“ nicht aufdrängen. Bei dieser Sachlage ist vorliegend eine hinreichend enge Anlehnung an den Begriff „Optimal“ zu verneinen, zumal das inländische Publikum bei einer fremdsprachigen Angabe, von der hier im Hinblick auf den englischsprachigen Wortbestandteil „-Line“ auszugehen ist, mangels umfassender Sprachkenntnisse regelmäßig davon absieht, über den Wortlaut hinaus begriffliche Bezüge herzustellen.

22

Auch die dem angegriffenen Beschluss vom 28. Januar 2016 beigefügten Internetauszüge können die Sichtweise des DPMA nicht stützen, da sie Beispiele für den kennzeichenmäßigen Gebrauch des Ausdrucks „OptiLine“ enthalten.

23

c) Für die Annahme, das angemeldete Zeichen werde vom Verkehr als Anlehnung an andere nicht unterscheidungskräftige Wortkombinationen wie „OpticalLine“ angesehen, fehlen hinreichende Anhaltspunkte.

24

Andere Schutzhindernisse stehen der Eintragung des angemeldeten Zeichens ebenfalls nicht entgegen. Insbesondere sind Abwandlungen, die - wie vorliegend -

25

2. Sonstige Eintragungshindernisse, insbesondere das Vorliegen eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, sind nicht ersichtlich.

26

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.