Entscheidungsdatum: 07.04.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 307 52 301.2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. April 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Schell
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin hin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 10, vom 15. Januar 2008 und vom 10. Dezember 2008, aufgehoben.
I.
Die Bezeichnung
XPLANT
ist zur Eintragung als Marke angemeldet worden, ursprünglich für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 10, 35 und 42
„Medizinische Geräte und Instrumente; chirurgische Apparate und Instrumente; chirurgische Messerschmiedewaren; medizinische Apparate und Instrumente;
Großhandelsdienstleistung mit folgenden Waren der Klasse 10:
Medizinische Geräte und Instrumente; chirurgische Apparate und Instrumente, chirurgische Messerschmiedewaren, medizinische Apparate und Instrumente;
Einzelhandelsdienstleistung für den Versandhandel mit folgenden Waren der Klasse 10:
Medizinische Geräte und Instrumente, chirurgische Apparate und Instrumente, chirurgische Messerschmiedewaren, medizinische Apparate und Instrumente;
Internethandelsdienstleistung mit folgenden Waren der Klasse 10:
Medizinische Geräte und Instrumente, chirurgische Apparate und Instrumente, chirurgische Messerschmiedewaren, medizinische Apparate und Instrumente;
wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten; Forschungen auf dem Gebiet der Technik;
Dienstleistungen eines Medizintechnikers; Dienstleistungen von Ingenieuren; Erstellung von technischen Gutachten; Materialprüfung; medizinische Forschung“.
Im Laufe des patentamtlichen Verfahrens hat die Anmelderin das beanspruchte Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt eingeschränkt:
„Medizinische Geräte; medizinische Instrumente für die Orthopädie,
chirurgische Apparate; chirurgische Instrumente für die Orthopädie,
chirurgische Messerschmiedewaren für die Orthopädie; medizinische Apparate;
Großhandelsdienstleistung mit folgenden Waren der Klasse 10:
Medizinische Geräte; Instrumente für die Orthopädie, chirurgische Apparate; chirurgische Instrumente für die Orthopädie, chirurgische Messerschmiedewaren für die Orthopädie; medizinische Apparate;
Einzelhandelsdienstleistung für den Versandhandel mit folgenden Waren der Klasse 10:
Großhandelsdienstleistung mit folgenden Waren der Klasse 10:
Medizinische Geräte; Instrumente für die Orthopädie; chirurgische Apparate; chirurgische Instrumente für die Orthopädie, chirurgische Messerschmiedewaren für die Orthopädie, medizinische Apparate;
wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen; Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Orthopädie; Forschungen auf dem Gebiet der Technik; Dienstleistungen eines Medizintechnikers; Dienstleistungen von Ingenieuren; Erstellung von technischen Gutachten;
Materialprüfung; medizinische Forschung auf dem Gebiet der Orthopädie“.
Die Anmeldung wurde von der Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem Markenwort „ XPLANT “ handle es sich um eine unmittelbar erkennbare Abwandlung des englischen Fachbegriffes „ Explant “. Auch nach der von der Anmelderin vorgenommenen Einschränkung des beanspruchten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses sei die angemeldete Marke zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geeignet, so dass ihrer Eintragung ein schutzwürdiges Allgemeininteresse entgegenstehe. Ob ihr darüber hinaus auch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle, könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, das angemeldete Wort beinhalte für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinerlei beschreibende Aussage. Ihr könne daher die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden und auch ein Freihaltungsbedürfnis sei nicht gegeben.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, vom 15. Januar 2008 und vom 10. Dezember 2008, aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Waren stehen der Eintragung der angemeldeten Marke keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der fraglichen Waren oder Dienstleistungen dienen können, wobei es stets konkreter Anhaltspunkte bedarf, um eine Zurückweisung zu rechtfertigen. Bei der Ermittlung solcher Anhaltspunkte ist auf die mit der Anmeldung beanspruchten Waren oder Dienstleistungen abzustellen und zu prüfen, ob die angemeldete Marke im Hinblick auf diese Waren oder Dienstleistungen eine eindeutige, unmittelbar sachbezogene Aussage vermittelt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 676, Rdn. 55 f. – Postkantoor). Nur wenn dies zu bejahen ist, kann von einem schutzwürdigen Allgemeininteresse an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit ausgegangen werden.
Die Markenstelle ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der lexikalisch belegbare, englische Begriff „ Explant “ im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen als beschreibende Sachangabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu werten ist. Dieser medizinische Fachbegriff steht in seinem deutschsprachigen Bedeutungsgehalt „ Explantat “ zum einen für Zellen, Gewebestücke oder Organe, die etwa zum Zweck der Transplantation aus einem Organismus entnommen werden. Als „ Explantat(e) “ werden darüber hinaus aber auch operativ entfernte, orthopädische Endoprothesen bezeichnet, wie bspw. künstliche Hüft- oder Schultergelenke. Entsprechende operative Eingriffe können vor allem durch Implantatlockerungen, Knochenfrakturen, Luxationen oder aufgrund von Prothesenbrüchen notwendig werden. Je nach konkreter Operationsindikation werden die entfernten Explantate auf funktionelle Schwächen untersucht, um medizinisch und nicht zuletzt auch technisch relevante Daten zum Langzeitverhalten der für Endoprothesen verwendeten Materialien zu gewinnen. Auf diese Weise soll die Verweildauer von orthopädischen Hilfsmitteln erhöht und die Notwendigkeit von Wechsel- oder Revisionsoperationen verringert werden.
Die mit der vorliegenden Anmeldung beanspruchten Instrumente, Apparate und Geräte können sämtlich für die Explantation von Endoprothesen bzw. für orthopädische Explantate bestimmt sein, so dass der beschreibende Produktbezug des Fachbegriffs „ Explant “ offensichtlich ist. Gleiches gilt für die auf diese Instrumente, Apparate und Geräte bezogenen Handelsdienstleistungen sowie für die beanspruchten Forschungsleistungen, wissenschaftlichen und technologischen Dienstleistungen, medizin- und ingenieurstechnischen sowie Materialprüfungsleistungen und technischen Gutachten. Die für das angesprochene Fachpublikum unmittelbar verständliche Bezeichnung „ Explant “ ist somit für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen wegen absoluter Schutzhindernisse vom Markenschutz ausgeschlossen. Aber auch wenn die angemeldete Marke mit dem genannten Fachbegriff klanglich identisch ist, handelt es sich bei dem angemeldeten Markenwort „ XPLANT “ lediglich um eine Abwandlung bzw. eine Anlehnung an die fragliche Sachangabe. Die Zurückweisung derartiger Abwandlungen beschreibender Angaben kann aber nicht auf § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützt werden, es sei denn, sie sind ebenfalls zur Merkmalsbeschreibung im Sinne dieses Ausschlusstatbestands geeignet (vgl. hierzu die Amtliche Begründung zum Markenrechtsreformgesetz; BlPMZ 1994, 45 ff., 64; sowie Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 343). Die vom Senat durchgeführten Recherchen haben aber keinerlei Feststellungen dafür ergeben, dass der hier angemeldete Begriff „ XPLANT “ bereits zur produktbezogenen Merkmalsbeschreibung verwendet wird. Ein solcher Nachweis ist für die Zurückweisung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zwar grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Es fehlt aber auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die angemeldete Bezeichnung gegenwärtig oder zukünftig für eine solche beschreibende Verwendung geeignet sein könnte . Allein hypothetische Erwägungen bzw. nicht auf konkrete Anhaltspunkte gestützte Prognosen können den Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht erfüllen. Ein schutzwürdiges Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit der erkennbar sprachunüblichen Bezeichnung „ XPLANT “ scheidet somit aus.
Der angemeldeten Marke ist auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abzusprechen. Zwar ist es durchaus möglich, dass auch nicht beschreibenden Angaben oder Zeichen die markenrechtliche Unterscheidungskraft fehlt, etwa wenn sich das fragliche Zeichen als bloße Werbeaussage oder Anpreisung allgemeiner Art darstellt (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 – BIOMILD; BGH GRUR 2005, 417, 419 – BerlinCard). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Selbst wenn die Marke „ XPLANT “ als so genanntes „sprechendes Zeichen“ anzusehen sein sollte, schließt dieser Gesichtspunkt ihre Eignung zur Ausübung der markenrechtlichen Herkunftsfunktion nicht aus (vgl. hierzu BGH GRUR 2001, 1150 – LOOK ). Maßgeblich ist vielmehr, ob der hier angemeldeten Abwandlung eines medizinischen Fachbegriffs ein individualisierender, schutzbegründender Charakter zukommt – oder nicht (vgl. BGH GRUR 2002, 64, 65 – INDIVIDUELLE ; BPatG GRUR 2004, 873, 874 – FRISH). Die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen richten sich an ein spezialisiertes Fachpublikum, denen die lexikalisch korrekte Schreibweise der medizinischen Fachbezeichnung „ Explant “ bekannt ist. Diese Verkehrskreise sind daran gewöhnt, dass medizinische Begriffe auf dem hier maßgeblichen Produktsektor nur in einer der medizinischen Terminologie entsprechenden Art und Weise verwendet werden und nicht etwa werbemäßig oder umgangssprachlich „verkürzt“. Die im vorliegenden Fall vorgenommene Verkürzung der Buchstabenfolge „Ex“ auf den Einzelbuchstaben „X“ ist nur in der Umgangs- bzw. Werbesprache gebräuchlich. Beispielhaft seien hier die Begriffe „ Xtrem “ (anstelle von „extreme“), „Xtra“ (statt „Extra“) oder „ Xpression “ (anstelle von „Expression“) genannt. Im Bereich der medizinischen Fachterminologie ist eine derartige Wortbildung dagegen unbekannt. Es kann deshalb ausgeschlossen werden, dass der angesprochene Fachverkehr die inkorrekte Schreibweise als allgemein üblich ignoriert oder nicht erkennt (vgl. hierzu BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein). Aus der sprachunüblichen Wortbildung ergibt sich eine schutzbegründende Eigentümlichkeit bzw. Originalität, weshalb der angemeldeten Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen kann, zumal der Verkehr Marken grundsätzlich keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht, sondern sie so annimmt, wie sie ihm entgegentreten. Das Markenwort „ XPLANT “ ist als hinreichend unterscheidungskräftig zu werten, um bei einer branchenüblichen Verwendung vom angesprochenen Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden zu können (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rdn. 99 – Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680, 681, Rdn. 40 – BIOMILD; BGH GRUR 2002, 64, 65 – INDIVIDUELLE ; BPatG GRUR-RR 2008, 49, 50 – Lastminit).
Eine Zurückweisung der angemeldeten Marke nach § 8 Abs. 2 MarkenG scheidet demnach aus, so dass die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle unter Berücksichtigung des Eintragungsanspruchs der Anmelderin nach § 33 Abs. 2 MarkenG antragsgemäß aufzuheben waren.
Die Zurückweisungsentscheidung der Markenstelle gibt dem Senat jedoch die Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass sich der Schutzbereich der angemeldeten Marke – die nur wegen ihrer Abwandlung gegenüber dem Fachbegriff „ Explant “ als Marke eingetragen werden kann – aus den dargelegten Gründen keinesfalls auf den Fachbegriff selbst erstreckt. Entsprechende Verbietungsrechte sind deshalb in markenrechtlicher Hinsicht ausgeschlossen (vgl. hierzu BGH GRUR 2003, 963, 965 – Antivir/Antivirus, m. w. N.).