Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.06.2017


BPatG 22.06.2017 - 28 W (pat) 2/15

Markenbeschwerdeverfahren – "TwinPower Turbo" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
22.06.2017
Aktenzeichen:
28 W (pat) 2/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 004 902.3

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung am 22. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kortbein, den Richter Schmid und den Richter Dr. Söchtig

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Oktober 2014 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin hat am 14. Juli 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragt, die Wortfolge

2

TwinPower Turbo

3

als Wortmarke für die nachstehenden Waren in das beim DPMA geführte Markenregister einzutragen:

4

Klasse 4:

5

Technische Öle und Fette; Schmiermittel.

6

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 4, hat die Anmeldung nach vorausgehender Beanstandung durch Beschluss vom 9. Oktober 2014 zurückgewiesen, da das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG der beantragten Eintragung entgegenstehe. Es hat dazu ausgeführt, das angesprochene Publikum verstehe die englischsprachige Wortfolge „TwinPower Turbo“ ausschließlich als Sachhinweis dahin, dass die beanspruchten Waren Autos mit Turbomotoren eine doppelte Kraft verliehen. Das Zeichen sei sprachüblich aus den bereits in die deutsche Sprache eingegangenen Wörtern „Twin“ für „Zwilling, doppelt“ und „Power“ für „Kraft“ sowie ferner aus dem Fachbegriff „Turbo“ als Kürzel für Turbomotoren gebildet. Es weise damit nicht auf die betriebliche Herkunft der angemeldeten Waren hin.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 20. November 2014, mit der sie beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Oktober 2014 aufzuheben. Ferner hat sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt, sofern der Beschwerde nicht stattgegeben werden sollte.

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Ihrer Auffassung nach ist die Markenstelle unzutreffend davon ausgegangen, dass das Publikum den zusammengehörigen Wortbestandteilen „TwinPower“ des angemeldeten Zeichens die Bedeutung „Doppelkraft“ oder „doppelte Kraft“ beimesse. Vielmehr handele es sich um eine unübliche Wortverbindung. Denn das Wortelement „Twin“ bezeichne wie das deutsche Wort „Zwilling“ ausschließlich ein Personenpaar oder - im übertragenen Sinn - ein Paar von Gegenständen, das aus zwei identischen oder jedenfalls ähnlichen Komponenten bestehe. Der Ausdruck eigne sich damit nicht zur näheren Bestimmung des Wortbestandteils „Power“, der keine zweiteiligen Eigenschaften aufweise. Dem angemeldeten Zeichen lasse sich daher keine ohne Weiteres erkennbare Aussage zur Zusammensetzung der beanspruchten Schmiermittel oder zur Verwendung für bestimmte Turbolader entnehmen. Weiter weist die Anmelderin darauf hin, dass das Publikum die gegenständliche Bezeichnung ausschließlich als Kennzeichnung der von ihr hergestellten Motoren verstehe. Demzufolge könne dem Anmeldezeichen die Schutzfähigkeit für die hier in Rede stehenden Waren der Klasse 4 wie Schmiermittel nicht abgesprochen werden.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

10

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Oktober 2014 hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „TwinPower Turbo“ steht für die beanspruchten Waren der Klasse 4 weder das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch ein Freihaltungsinteresse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.

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1. Einem Wortzeichen fehlt dann die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wenn die angesprochenen Verkehrskreise ihm lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn es aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache besteht, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2016, 934, Rdnr. 12 - OUI; GRUR 2014, 872, Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204, Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress).

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Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Wortmarke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Insbesondere erschöpft sie sich entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamts nicht in einem unmittelbar verständlichen Hinweis auf die Beschaffenheit oder Bestimmung der beanspruchten Waren „technische Öle und Fette; Schmiermittel“.

13

a) Das etymologisch mit „two“ verwandte englischsprachige Wort „twin“ bedeutet in erster Linie „Zwilling“. In diversen Wortkombinationen wird es auch bildhaft im Sinn von „zwei“, „Paar“ oder „doppelt“ verwendet. So finden sich die Zusammensetzungen „Twinset“ (vgl. Duden Online: Pullover und Jacke aus gleichem Material und in gleicher Farbe), „twin conductor“ (vgl. Beolingus, Online Wörterbuch TU Chemnitz: Doppelader), „twin drive“ (a. a. O.: Doppellaufwerk), „twin needle“ (a. a. O.: Doppelnadel), „twin system“ (a. a. O.: Doppelsystem) oder „twin wire“ (a. a. O.: Doppeldraht). Wie der Begriff „Twinset“ zeigt, wird das Wort „twin" nicht nur für zwei gleichartige Komponenten verwendet. Vielmehr bezeichnet es auch aufeinander bezogene Einheiten oder Teile. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der spezifische Gehalt des Ausdrucks „Twin“ durch die tatsächliche Sprachentwicklung an Kontur verloren hätte. Der deutschsprachige Begriff „Doppel-“ entspricht dem Ausdruck „Twin“ daher nur, sofern damit eine zweiteilig ausgebildete Gestaltung beschrieben wird.

14

Das Zeichenelement „Power“ steht für „Kraft, Leistung“ (vgl. Duden Online - Suchbegriff „Power“). Der weitere Bestandteil „Turbo“ der angemeldeten Marke ist die Kurzform für „Turbomotor“, „Turbolader“ oder „Auto mit Turbomotor“ (vgl. Duden Online - Suchbegriff „Turbo“).

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Wie die Anmelderin zu Recht geltend macht, ergibt sich aus der verbundenen Schreibweise der Zeichenbestandteile „TwinPower“, dass die Angabe „Twin“ im angemeldeten Zeichen auf das Substantiv „Power“ bezogen ist. Eine direkte Verknüpfung der Bestandteile „Twin“ und „Turbo“ lässt die angemeldete Wortfolge dagegen nicht zu. Demnach vermittelt das angemeldete Zeichen im Deutschen das Verständnis „Paarkraft Turbo“ oder „Doppelkraft Turbo“.

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b) Davon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass das Zeichen unmittelbar die stoffliche Beschaffenheit der beanspruchten technischen Öle und Fette sowie Schmiermittel beschreibt. Selbst wenn man unterstellt, dass das Wort „Twin“ in Verbindung mit flüssigen Substanzen Anwendung findet, ergibt sich weder aus den durch das Deutsche Patent- und Markenamt getroffenen Feststellungen noch aus den eigenen Ermittlungen des Senats, dass die in Rede stehenden Waren einem Turbomotor doppelte Kraft verleihen. Sie können zwar aus mehreren selbständigen, ihre Eigenschaften verändernden Komponenten zusammengesetzt sein. Allerdings dienen die technischen Ölen, Fetten und Schmiermitteln zugesetzten Additive regelmäßig nur der Verschleiß- bzw. Reibungsminderung, dem Schutz vor Festfressen, Korrosion und Alterung, der Verbesserung der Viskosität oder der Schaumverhütung (vgl. www.wikipedia.de - Suchbegriff: Additiv), nicht jedoch der Erhöhung oder Verdoppelung der Kraft eines Turbomotor. Demzufolge liegt es fern, das Anmeldezeichen dahingehend zu verstehen, dass die genannten Waren durch ihre Zusammensetzung eine doppelte Kraft oder eine doppelte Leistung hervorrufen. Zudem werden Öle, Fette und Schmiermittel regelmäßig nicht zur Erzeugung einer Kraft, sondern zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit eines sich bewegenden mechanischen Systems eingesetzt. Das vom Deutschen Patent- und Markenamt zugrunde gelegte Verständnis des Ausdrucks „Twin“ im Sinn einer quantitativ zweifachen Kraft- oder Leistungsentfaltung entspricht somit nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.

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c) Das Anmeldezeichen „TwinPower Turbo“ ist auch nicht ohne Weiteres als Bestimmungsangabe dahingehend zu verstehen, dass die beanspruchten Waren spezifisch für Motoren mit einem aus zwei Aggregaten bestehenden Turbolader vorgesehen seien. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Wortfolge „TwinPower Turbo“ einen solchen Turbolader bezeichnen kann, drängt sich ein derartiges Verständnis in Bezug auf technische Fette, Öle und Schmiermittel nicht auf. Bestimmungsangaben sind regelmäßig bewusst einfach und klar gefasst, um folgenschwere Missverständnisse über den Anwendungsbereich eines Produkts zu vermeiden. Dies gilt gerade im hier betroffenen Warenbereich, in dem es für das Publikum nicht auf der Hand liegt, dass technische Öle, Fette und Schmiermittel spezifisch auf „Turbolader mit zwei Aggregaten“ abgestimmt sind. Sofern hier eine Bestimmungsangabe in Betracht gezogen wird, wird der Verkehr vorrangig einen eingeführten bzw. klar verständlichen Begriff erwarten, wie beispielsweise die Ausdrücke „Biturbo“ oder „Twin Turbo“ (vgl. Wikipedia - Suchbegriff „Turbolader“ als Anlage 1 zur Ladung vom 29. Mai 2017).

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Das angemeldete Zeichen vermittelt damit in Verbindung mit den konkret beanspruchten Waren keinen eindeutigen, geschweige denn als Sachangabe erkennbaren Begriffsgehalt. Es gibt folglich vorliegend keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

19

2. Bei dieser Sachlage besteht vorliegend auch kein Freihaltungsinteresse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Aus den vorgenannten Gründen eignet sich das Anmeldezeichen nicht als Angabe über die Beschaffenheit oder sonstige Merkmale der gegenständlichen Waren.

20

Der Beschwerde der Anmelderin war daher stattzugeben.