Entscheidungsdatum: 11.03.2015
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2011 005 123.2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 11. März 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Friehe, der Richterin Dorn und des Richters Himmelmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das dreidimensionale Zeichen 30 2011 005 123.2
ist am 27. Januar 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für die Waren
Klasse 29: Im Extrudierverfahren hergestellte Kartoffelprodukte für Nahrungszwecke (ausgenommen Kartoffelmehl), soweit in Klasse 29 enthalten, Kartoffelchips, Kartoffelsticks; Rosinen, Haselnuss-, Erdnuss-, Cashewkerne, Pistazienkerne und Mandeln, getrocknet, geröstet, gesalzen und/oder gewürzt, Nussmischungen zu Knabberzwecken; getrocknete Früchte, Fruchtsnacks.
Klasse 30: Back- und Konditorwaren, Biskuits, Kuchen, Zuckerwaren, Bonbons, Marzipan, Puffmais; Getreidesnacks, Reissnacks, Salzgebäck, Salzstangen, Salzbrezeln.
Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin das Warenverzeichnis am 8. Mai 2013 wie folgt eingeschränkt:
Klasse 29: Rosinen, Haselnuss-, Erdnuss -, Cashewkerne, Pistazienkerne und Mandeln, getrocknet, geröstet, gesalzen und/oder gewürzt; getrocknete Früchte, Fruchtsnacks.
Klasse 30: Getreidesnacks, Salzgebäck.
Die Markenstelle für Klasse 29 des DPMA hat die Markenanmeldung mit Beschlüssen vom 9. Mai 2012 und 5. März 2013, von denen Letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, und zwar in erster Linie wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses; ferner hat sie für einen Teil der (ursprünglich) beanspruchten Waren das Schutzhindernis der Täuschungsgefahr angenommen. Zur Begründung ist ausgeführt, die angemeldete dreidimensionale Marke bestehe aus der Form eines Würfels, der sich aus verschiedenen Bestandteilen, augenscheinlich Nüssen und Reiskörnern, zusammensetze. Da die beanspruchten Waren die Form eines solchen Würfels haben könnten, beschreibe die angemeldete Marke unmittelbar die äußere Gestaltung, in der die Waren angeboten würden. Aus den Recherchebelegen des DPMA ergebe sich, dass die Würfelform zum branchenüblichen Formenschatz auf dem betroffenen Warengebiet zähle. Der angesprochene Verkehr vermöge es daher nicht, das angemeldete Zeichen nicht nur als Form der Ware, sondern auch als Hinweis auf deren konkrete betriebliche Herkunft wahrzunehmen. „Salzgebäck“ und andere – in der Beschwerde nicht weiterverfolgte – Waren seien in ihrer Form ebenfalls willkürlich gestaltbar und könnten als Würfel angeboten werden. Insoweit stelle die angemeldete Marke aber eine täuschende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG dar, da sie eine Zusammensetzung aus Nüssen und Reis vorgebe, die die Waren nicht enthielten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ausführt, im Bereich von Lebensmitteln sehe der Verbraucher einen Herkunftshinweis typischerweise schon dann in der Gestaltung des Produktes, wenn die willkürlich gewählte Form nicht der gewohnten Gestaltung auf dem Produktmarkt entspreche. Diese Voraussetzungen seien vorliegend für die hier in Rede stehende Darstellung des Nussclusters erfüllt. Die angemeldete 3D-Marke in Gestalt des Würfels mit einer unebenen Oberfläche weiche erheblich von dem prägenden Marktumfeld der losen Form bzw. der Riegelform ab, in der Nussprodukte üblicherweise verpackt und vertrieben würden. Auch die Rechercheergebnisse der Markenstelle rechtfertigten keine andere Beurteilung hinsichtlich des prägenden Marktumfeldes, da diese sich entweder auf Schokoladenprodukte bzw. Eiskonfekt bezögen, die nicht mit den beanspruchten salzigen Snackprodukten vergleichbar seien, oder nahezu ausschließlich die Riegelform aufwiesen. Der angemeldete Würfel zeichne sich zudem durch „scharfkantige“ Abgrenzungen, Hohlräume an vielerlei Stellen sowie eine uneinheitliche Oberflächenstruktur aus, die ihn von gängigen Warenformen abheben würden.
Einen förmlichen Sachantrag hat die Anmelderin nicht gestellt. Nachdem sie mit Schreiben vom 10. März 2015 den hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen hat, war im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Eintragung des angemeldeten dreidimensionalen Zeichens
als Marke steht hinsichtlich der noch beanspruchten Waren der
Klasse 29: Rosinen, Haselnuss-, Erdnuss-, Cashewkerne, Pistazienkerne und Mandeln, getrocknet, geröstet, gesalzen und/oder gewürzt; getrocknete Früchte, Fruchtsnacks;
Klasse 30: Getreidesnacks
jedenfalls das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet st. Rspr., vgl. (BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 10 – HOT). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – HOT). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten), wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen.
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware bestehen, ist kein strengerer Maßstab anzulegen als bei herkömmlichen Markenformen. Jedoch ist bei Anwendung dieser Kriterien zu berücksichtigen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise eine dreidimensionale Marke, die im Wesentlichen mit dem äußeren Erscheinungsbild der beanspruchten Ware übereinstimmt, nicht notwendig in gleicher Weise als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen werden wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke.
Unter solchen Umständen ist eine angemeldete Waren- oder Verpackungsform nicht bereits deshalb unterscheidungskräftig, weil sie sich in irgendeiner Weise von branchenüblichen Produktformen unterscheidet. Vielmehr vermag eine solche dreidimensionale Marke die erforderliche Herkunftsfunktion nur dann zu erfüllen, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht. Hierzu muss die Marke charakteristische Merkmale aufweisen, die deutlich aus dem Rahmen der gebräuchlichen Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rdnr. 283 m. w. N.). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Formmarke ist dabei der von ihr hervorgerufene Gesamteindruck.
b) Das von der Anmelderin und Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang angeführte Gestaltungsmerkmal der Würfelform ist nicht hinreichend charakteristisch, um eine Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens zu begründen. Auch wenn sich dieses Merkmal in gewisser Hinsicht von der wohl branchenüblicheren Riegelform auf dem fraglichen Warengebiet abhebt, reicht dies für sich allein jedoch nach Ansicht des Senats nicht aus, um eine branchenbezogene eigenständige Charakteristik der angemeldeten Warenform annehmen zu können, zumal der optische Unterschied zwischen einem Würfel und einem Riegel nicht sehr groß und auch fließend ist. Abgesehen davon wird das angesprochene Publikum die Würfelform bei den hier in Rede stehenden Waren in erster Linie als zweckmäßig oder allenfalls dekorativ, aber nicht als betriebskennzeichnend ansehen. Auch die von der Beschwerdeführerin angeführten „scharfkantigen“ Abgrenzungen, die Hohlräume zwischen den zusammengefügten Nüssen sowie die uneinheitliche Oberflächenstruktur zeichnen sich - auch in Zusammenschau mit der Würfelform – weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit durch eine eigenständige, betriebskennzeichnende Charakteristik aus, sondern ergeben sich für den Verbraucher lediglich aus der Art und Darreichungsform der so angebotenen Ware.
Sonstige Merkmale, die deutlich aus dem Rahmen der gebräuchlichen Gestaltungsvielfalt fallen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Das angemeldete Formzeichen geht damit in seinem Gesamteindruck nicht deutlich über die gebräuchliche Gestaltungsvielfalt auf diesem Warengebiet hinaus, so dass es sich nicht originär als betrieblicher Herkunftshinweis eignet.
2. Im Hinblick auf die weiter beanspruchte Ware der
Klasse 30: Salzgebäck
ist die angemeldete Marke geeignet, das Publikum über die Art und Beschaffenheit dieser Ware zu täuschen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden bei einer Verwendung der angemeldeten dreidimensionalen Produktwiedergabe für die Ware „Salzgebäck“ stets in ihrer berechtigten Erwartung getäuscht, ein aus Nüssen und getrockneten Früchten bzw. Reis zusammengesetztes würfelförmiges Snackprodukt zu erhalten, was aber nicht der Fall ist, weshalb die Eignung zur Täuschung ersichtlich i. S. d. § 37 Abs. 3 MarkenG ist.