Entscheidungsdatum: 07.05.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 307 12 593.9
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. Mai 2014 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Dorn und die Richterin kraft Auftrags Kriener
beschlossen:
Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10, vom 19. April 2010 und 11. Januar 2011 werden auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses aufgehoben.
Das Anmeldezeichen ist mit dem Prioritätsdatum 18. Februar 2014 für die Waren "chirurgische und medizinische Instrumente und Apparate, nämlich Endoskope" als im Verkehr durchgesetzte Marke einzutragen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Das dreidimensionale Zeichen 307 12 593.9
ist am 21. Februar 2007 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für die Waren der
Klasse 09: Endoskope für technische Zwecke;
Klasse 10: chirurgische und medizinische Instrumente und Apparate, insbesondere Endoskope, sowie chirurgische und medizinische Instrumente und Apparate, die Endoskope aufweisen.
Nach der mit Schriftsatz vom 3. März 2014 im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Einschränkung des Warenverzeichnisses begehrt die Anmelderin nunmehr nur noch die Eintragung für die Waren der
Klasse 10: chirurgische und medizinische Instrumente und Apparate nämlich Endoskope.
Die Markenstelle für Klasse 10 hat mit Beschlüssen vom 19. April 2010 und 11. Januar 2011, von denen Letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Markenanmeldung zurückgewiesen. Während der Erstbeschluss in erster Linie auf den Schutzausschließungsgrund der technisch bedingten Formen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG abgestellt hat, erfolgte die Zurückweisung im Erinnerungsbeschluss wegen fehlender Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens. Zur Begründung ist ausgeführt, es handle sich vorliegend lediglich um eine Variante der möglichen Gestaltungsformen eines (medizinischen) Endoskops. Der Mittelteil bzw. das Verbindungsstück zwischen dem Okular und dem Schaft reihe sich ausweislich der Recherchebelege des Amtes in die Gestaltungen anderer Endoskope ein. Zudem sei der Mittelteil dabei meistens mit einer Beschriftung versehen, die auf den Hersteller hinweise. Der Verkehr werde sich daher in erster Linie an diesen Wortelementen orientieren und nicht aus der Form des Verbindungsstücks auf die betriebliche Herkunft der Ware schließen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich das angemeldete Zeichen in den beteiligten Kreisen als betrieblicher Herkunftshinweis durchgesetzt habe. Das Ergebnis der von der Anmelderin vorgelegten Verkehrsbefragung durch die I… GmbH aus dem Jahre 2007 sei nicht geeignet, als Nachweis für die hilfsweise geltend gemachte Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG zu dienen. Es sei bereits fraglich, ob ohne weiteres von einer im Entscheidungszeitpunkt fortbestehenden Verkehrsdurchsetzung aufgrund eines demoskopischen Gutachtens aus dem Jahre 2007 ausgegangen werden könne. Weiterhin würden nach Ansicht der Markenstelle mit der Verkehrsbefragung die hier angesprochenen Verkehrskreise nicht (vollständig) erfasst. Auch die Anzahl der Befragten mit 105 Personen erscheine angesichts des deutlich größeren zu berücksichtigenden Personenkreises als zu gering. Sonstige Umstände, aus denen auf eine Verkehrsdurchsetzung geschlossen werden könnte, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen sei gerade bei Warenformmarken ein demoskopisches Gutachten zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung unverzichtbar.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ausführt, dem angemeldeten dreidimensionalen Zeichen fehle aus Sicht der hier maßgeblichen medizinischen Fachkreise nicht jegliche Unterscheidungskraft für die noch beanspruchten Waren "chirurgische und medizinische Instrumente und Apparate, nämlich Endoskope". Wie bereits im patentamtlichen Verfahren ausführlich und anhand von Bildmaterial dargelegt, würden Endoskope, die regelmäßig einen Schaft, ein Okular und einen Lichtleiter aufwiesen, von den verschiedenen Herstellern unterschiedlich gekennzeichnet, um auf die Herkunft des Endoskops - sowie auf dessen Qualität - hinzuweisen. Bei Endoskopen handle es sich um medizinische Geräte, die aufgrund ihrer Feinheit und technischen Ausgestaltung des Schaftes und des Okulars kaum Fläche zur sichtbaren Anbringung des Herstellernamens böten. Darüber hinaus müsse bei diesen Geräten, insbesondere aufgrund der regelmäßig wiederherzustellenden Sterilität, eine dauerhafte und nachhaltige Anbringung eines Herkunftshinweises gewährleistet sein. Hierzu verwendeten die Hersteller unterschiedlich ausgestaltete Übergangs- bzw. Mittelstücke. Der angesprochene Fachverkehr sehe somit in diesem Fall gerade in der Form des Mittelstücks einen Herkunftshinweis. Bei der hier gewählten Würfel- bzw. Quaderform des Übergangs- bzw. Mittelstücks des Anmeldezeichens handle es sich gerade nicht um ein technisch notwendiges Ausstattungselement, sondern um ein unübliches, charakteristisches und damit herkunftshinweisendes Merkmal für Endoskope. Branchenüblich und zweckmäßig sei demgegenüber eine zylindrische Form des Verbindungsstücks, welche die Form des Schaftes und/oder des Okulars aufnehme bzw. weiterführe. Das hier gewählte Übergangselement in Würfelform weiche daher deutlich von der Norm ab. Sollte das Gericht zu der Überzeugung gelangen, dass das angemeldete Zeichen für die noch beanspruchten Waren nicht unterscheidungskräftig und/oder freihaltebedürftig sei, stützt die Anmelderin den Eintragungsanspruch hilfsweise auf Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG. Das Anmeldezeichen habe sich nämlich für "chirurgische und medizinische Instrumente und Apparate, nämlich Endoskope" durch intensive markenmäßige Benutzung im Verkehr als Herkunftshinweis durchgesetzt. Dies ergebe sich aus dem Ergebnis des zuletzt im Beschwerdeverfahren vorgelegten demoskopischen Gutachtens der GfK vom 18. Februar 2014 über die Bekanntheit und Verkehrsdurchsetzung des hier in Rede stehenden dreidimensionalen Zeichens.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin hat sich mit Schriftsatz vom 24. April 2014 mit der Verschiebung des Zeitrangs (§§ 6 Abs. 2, 37 Abs. 2 MarkenG) auf den 18. Februar 2014, dem Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens der GfK, einverstanden erklärt. Sie beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10, vom 19. April 2010 und 11. Januar 2011 aufzuheben,
hilfsweise, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10, vom 19. April 2010 und 11. Januar 2011 mit der Maßgabe aufzuheben, dass dem Deutschen Patent- und Markenamt aufgegeben wird, das Anmeldezeichen als im Verkehr durchgesetzte Marke mit dem Prioritätsdatum 18. Februar 2014 einzutragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Hauptantrag unbegründet, da der Eintragung des angemeldeten Formzeichens als Marke hinsichtlich der im Beschwerdeverfahren noch beanspruchten Waren das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht. Der Beschwerde ist jedoch im Hilfsantrag stattzugeben, da dieses Schutzhindernis für die fraglichen Waren der Klasse 10 "chirurgische und medizinische Instrumente und Apparate, nämlich Endoskope" – jedenfalls ab dem Zeitpunkt der letzten Verkehrsbefragung vom 18. Februar 2014 – durch Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden ist.
1. Bei dem Anmeldezeichen, das sich auf die Form einer Ware, nämlich eines starren Endoskops bezieht, handelt es sich um ein nach § 3 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich markenfähiges Zeichen. Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es rechtfertigen, die abstrakte Unterscheidungseignung des angemeldeten Formzeichens nach § 3 Abs. 1 MarkenG zu verneinen. Es erfüllt auch das in § 8 Abs. 1 MarkenG aufgestellte Erfordernis der graphischen Darstellbarkeit. Durch die Vorlage von Lichtbildern, welche das Formzeichen zweidimensional in sechs verschiedenen Ansichten aus unterschiedlichen Perspektiven wiedergeben, wird der beanspruchte Schutzgegenstand in allen seinen wesentlichen Merkmalen, insbesondere seiner Dreidimensionalität, hinreichend deutlich dargestellt.
2. Der Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 MarkenG greift bei dem in Rede stehenden Zeichen ebenfalls nicht ein. Diesem Schutzhindernis unterfallen Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Es handelt sich bei dieser Vorschrift, die Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL umsetzt, nicht um eine Frage der Markenfähigkeit, sondern um ein absolutes Schutzhindernis, bei dem die Schutzfähigkeit des Zeichens als Marke für die im Warenverzeichnis genannten Waren zur Beurteilung steht (BGH GRUR 2008, 510 Rdnr. 16 – Milchschnitte; GRUR 2006, 589 Rdnr. 15 – Rasierer mit drei Scherköpfen; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 3 Rdnr. 75, 96).
a) Die Voraussetzungen des hier allenfalls in Betracht kommenden Schutzausschließungsgrundes des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegen jedoch nicht vor. Zweck dieses Ausschlussgrundes ist es zu verhindern, dass einem Unternehmen durch das Markenrecht letztlich ein Monopol ohne zeitliche Begrenzung für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware eingeräumt wird (EuGH GRUR 2010, 1008 Rdnr. 43 – Lego; GRUR 2002, 804 Rdnr. 78 – Philips; GRUR 2003, 514 – Linde, Winward u. Rado; BGH GRUR 2004, 507, 508 f. -Transformatorengehäuse). Der EuGH hat den Ausschlussgrund des Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL schon dann für gegeben erachtet, wenn die angemeldete Form in ihren wesentlichen Merkmalen ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die für das Erreichen der fraglichen technischen Wirkung technisch kausal und hinreichend ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 51, 52 – Lego; a. a. O. Rdnr. 79, 80 – Philips; ebenso BGH a. a. O., 509 – Transformatorengehäuse; GRUR 2004, 502, 504 – Gabelstapler II). Die Eintragung eines solchen Zeichens als Marke kann nach dieser Bestimmung allerdings dann nicht abgelehnt werden, wenn in der Form der betreffenden Ware ein wichtiges nichtfunktionales Element, wie ein dekoratives oder phantasievolles Element, verkörpert wird, das für diese Form von Bedeutung ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 52 – Lego). Bei der Frage, was wesentlich ist und was nicht, ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Form als solche, so wie sie beansprucht ist, vermittelt (EuGH a. a. O. Rdnr. 70 – Lego; Ströbele/Hacker a. a. O. Rdnr. 105, 109). Die Ermittlung der wesentlichen Merkmale eines dreidimensionalen Zeichens kann bei einem nicht allzu schwierig gelagerten Fall – wie hier – anhand einer bloßen visuellen Prüfung dieses Zeichens erfolgen (EuGH a. a. O. Rdnr. 71 – Lego).
b) Der Senat ist nach einer Prüfung des angemeldeten dreidimensionalen Formzeichens anhand der bei der Anmeldung vorgelegten Lichtbilder und eines Vergleichs mit den Darstellungen von Endoskopen anderer Hersteller (vgl. die von der Anmelderin im patentamtlichen Verfahren vorgelegten Abbildungen von Endoskopen, Anlage zum Schriftsatz vom 10. Dezember 2007, sowie die Recherchebelege des DPMA, Anlage A1 zum angefochtenen Beschluss vom 11. Januar 2011) zu dem Ergebnis gekommen, dass zu den wesentlichen Merkmalen des Anmeldezeichens im Gesamteindruck neben funktionalen Elementen jedenfalls auch ein wichtiges Gestaltungsmerkmal gehört, das in seiner konkreten Formgebung zur Erzielung einer technischen Wirkung nicht erforderlich, sondern frei variierbar ist. Dieses besteht in der konkreten Ausgestaltung des Übergangs- bzw. Mittelstücks zwischen Schaft und Okular als Würfel bzw. Quader mit abgerundeten Kanten und einem Schliff, der den einzelnen Seitenflächen des Würfels bildlich gesprochen die Form eines Stadionrunds vermittelt. Das Übergangsstück an sich mag zwar aufgrund seiner verbindenden Funktion von Schaft, Okular und Lichtleiter eine technische Wirkung haben, es kann aber nicht festgestellt werden, dass die konkret angemeldete Würfel- bzw. Quaderform dieses Mittelteils mit den abgerundeten Kanten und dem besonderen Schliff eine technische Funktion eines medizinischen Endoskops, mit dem das Innere, insbesondere Hohlräume von lebenden Organismen untersucht werden soll, erfüllt, vielmehr hat die spezifische Ausgestaltung eine rein ästhetische Funktion. Dieses Gestaltungselement steht daher der Annahme entgegen, die wesentlichen Merkmale des angemeldeten Formzeichens dienten ausschließlich technischen Funktionen, so dass das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht eingreift. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die übrigen wesentlichen Formmerkmale des angemeldeten Zeichens für das Erreichen einer technischen Wirkung erforderlich sind. Die Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG kommen hier nicht in Betracht.
3. Das angemeldete Zeichen verfügt jedoch nicht über die erforderliche originäre Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass allein aus dem Nichteingreifen eines Schutzausschließungsgrundes gemäß § 3 Abs. 2 MarkenG noch nicht auf die konkrete Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG geschlossen werden kann (EuGH GRUR Int. 2004, 631 Rdnr. 32 – Dreidimensionale Tablettenform I).
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 - Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 - TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten), wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).
Diese Kriterien finden auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken Anwendung, die aus der Form der Ware bestehen; bei ihnen ist kein strengerer Maßstab anzulegen als bei herkömmlichen Markenformen (EuGH a. a. O., Rdnr. 38 – Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int 2006, 233 Rdnr. 27 – Standbeutel; GRUR 2010, 138 Rdnr. 24 – ROCHER-Kugel; BGH a. a. O. – Transformatorengehäuse). Jedoch ist bei Anwendung dieser Kriterien zu berücksichtigen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise eine dreidimensionale Marke, die im Wesentlichen mit dem äußeren Erscheinungsbild der beanspruchten Ware übereinstimmt, nicht notwendig in gleicher Weise als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen werden wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (EuGH GRUR Int 2008, 43 Rdnr. 36 – Rot-weiße rechteckige Tablette mit blauem ovalem Kern; GRUR Int 2004, 639 Rdnr. 36 – Dreidimensionale Tablettenform III; BGH a. a. O. – Transformatorengehäuse).
Unter solchen Umständen ist eine angemeldete Waren- oder Verpackungsform nicht bereits deshalb unterscheidungskräftig, weil sie sich in irgendeiner Weise von branchenüblichen Produktformen unterscheidet. Vielmehr vermag eine solche dreidimensionale Marke die erforderliche Herkunftsfunktion nur dann zu erfüllen, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht (EuGH a. a. O. Rdnr. 37 - Rot-weiße rechteckige Tablette mit blauem ovalem Kern; a. a. O. Rdnr. 37 - Dreidimensionale Tablettenform III). Hierzu muss die Marke charakteristische Merkmale aufweisen, die deutlich aus dem Rahmen der gebräuchlichen Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdnr. 224 m. w. N.). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Formmarke ist dabei der von ihr hervorgerufene Gesamteindruck. Dieser Grundsatz schließt aber nicht aus, dass die einzelnen Gestaltungselemente der Marke für sich und nacheinander geprüft werden (EuGH a. a. O. Rdnr. 39 - Rot-weiße rechteckige Tablette mit blauem ovalem Kern). Hierbei kann aus dem Umstand, dass sich die Marke durch eines ihrer Merkmale von den üblichen Formen abhebt, noch nicht ohne weiteres auf die erforderliche Unterscheidungskraft geschlossen werden (EuGH GRUR 2008, 339 Rdnr. 87 – Deverley/HABM).
b) Das von der Anmelderin in diesem Zusammenhang angeführte Gestaltungsmerkmal des Übergangsstücks in Würfel- bzw. Quaderform ist für sich allein nicht hinreichend charakteristisch, um eine Unterscheidungskraft des angemeldeten Formzeichens zu begründen.
Zwar weist das würfelförmig ausgestaltete Verbindungsstück mit den abgerundeten Kanten und dem besonderen Schliff eine gewisse Eigentümlichkeit auf, dieses Merkmal mag sich auch von einem Großteil der branchenüblichen Formen auf diesem Warengebiet abheben, wie es sich jedenfalls aus den von der Anmelderin vorgelegten Lichtbildern von Endoskopen anderer Hersteller (vgl. Anlagen zum Schriftsatz vom 10. Dezember 2007), bei denen diese Übergangsstücke regelmäßig eine zylindrische Form aufweisen, ergibt. Ob sich die hier zu beurteilende Gestaltungsform des Mittelteils auch von den von der Markenstelle recherchierten weiteren möglichen Ausgestaltungen solcher Verbindungsstücke von Konkurrenzprodukten deutlich abhebt (vgl. Anlage A1 zum angefochtenen Beschluss vom 11. Januar 2011), kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn dies bejaht würde, reicht die konkrete Würfelform des Verbindungsstücks für sich allein nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht aus, um eine branchenbezogene eigenständige Charakteristik der angemeldeten Warenform annehmen zu können. Sie wirkt in erster Linie dekorativ, nicht aber betriebskennzeichnend (vgl. auch BGH a. a. O., 509 – Transformatorengehäuse; Ströbele/Hacker a. a. O., § 8 Rdnr. 235, 236 m. w. N.). Sonstige Merkmale, die deutlich aus dem Rahmen der gebräuchlichen Gestaltungsvielfalt fallen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Das angemeldete Formzeichen geht damit in seinem Gesamteindruck nicht deutlich über die gebräuchliche Gestaltungsvielfalt auf diesem Warengebiet hinaus, so dass es sich nicht originär als betrieblicher Herkunftshinweis eignet.
4. Das originär bestehende Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist jedoch nach § 8 Abs. 3 MarkenG seit dem 18. Februar 2014 durch Verkehrsdurchsetzung überwunden.
a) Die Frage, ob sich ein Zeichen infolge seiner Benutzung für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen im Verkehr nach § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat, ist auf Grund einer Gesamtschau der Gesichtspunkte zu beantworten, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, das fragliche Produkt als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und dieses damit von den Produkten anderer Unternehmen zu unterscheiden. Für die Anerkennung einer Verkehrsdurchsetzung ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass ein zumindest erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise in dem Zeichen nicht mehr eine nicht unterscheidungskräftige, beschreibende oder übliche Angabe sieht, sondern einen betrieblichen Herkunftshinweis (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rdnr. 52 und 54 - Chiemsee). Maßgebliche Kriterien sind dabei nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der Werbeaufwand für die Marke, der Anteil der angesprochenen Verkehrskreise, der die Ware oder Dienstleistung auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufsverbänden (EuGH GRUR 2006, 1022, Rdnr. 75 - Wicklerform; GRUR 2002, 804, Rdnr. 60 – Philips; a. a. O., Rdnr. 51 - Chiemsee). Die Verkehrsdurchsetzung kann jedoch auch auf der Grundlage von Prozentsätzen demoskopischer Untersuchungen festgestellt werden. Dabei kann für die Feststellung des im Einzelfall erforderlichen Durchsetzungsgrades nicht von festen Prozentsätzen ausgegangen werden, auch wenn - sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Beurteilung rechtfertigen - die untere Grenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht unterhalb von 50% anzusetzen ist (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Rdnr. 41 – ROCHER-Kugel; GRUR 2009, 669 Rdnr. 25 – POST II; a. a. O. Rdnr. 23 – Milchschnitte; GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHOEN). Die Anforderungen sind umso höher, je weniger sich das betreffende Zeichen nach seinem spezifischen Charakter als Herkunftshinweis eignet. Allerdings besteht nach der Rechtsprechung des BGH bei einer Formmarke, die von einer Grundform der Warengattung abweichende Merkmale aufweist, in der Regel kein Anlass, besonders hohe Anforderungen an den Durchsetzungsgrad zu stellen (vgl. BGH a.a.O. Rdnr. 42-45 – ROCHER-Kugel, wo bei der Warenform einer Praline ein Zuordnungsgrad von 62 % als ausreichend erachtet wurde; BGH a. a. O. Rdnr. 24 – Milchschnitte, wo bei der Warenform eines Fertigkuchens ein Durchsetzungsgrad von 52 % als hinreichend angesehen wurde; vgl. auch BPatG GRUR 2011, 68, 73 f. – Goldhase in neutraler Aufmachung, wo bei der Warenform eines Schokoladen-Osterhasen ein Durchsetzungsgrad von 67% als ausreichend erachtet wurde).
b) Bei Anwendung dieser Kriterien ergibt sich aus der von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren vorgelegten demoskopischen Gutachten der GfK vom 18. Februar 2014, dass sich das Anmeldezeichen für die noch beanspruchten Ware der Klasse 10 "chirurgische und medizinische Instrumente und Apparate, nämlich Endoskope" im Verkehr durchgesetzt hat.
aa) Das Gutachten ist von der Erhebung und der Methodik her nicht zu beanstanden. Die Anzahl und Auswahl der Befragten – insgesamt 215 Krankenhaus- und Belegärzte/niedergelassene Ärzte der Fachgebiete HNO, Urologie, Gynäkologie, Orthopädie und Chirurgie, die Endoskope verwenden, sowie Einkäufer von Kliniken, die auch für den Einkauf von Endoskopen zuständig sind – stellt vor dem Hintergrund des relativ kleinen Kreises des hier angesprochenen Fachverkehrs einen repräsentativen Querschnitt des beteiligten Verkehrskreises dar.
Die Art und Weise der Durchführung der Umfrage, insbesondere die Formulierung der Fragen, orientiert sich an den diesbezüglichen Vorgaben der Rechtsprechung sowie den in 2005 überarbeiteten Prüfungsrichtlinien des Deutschen Patent- und Markenamts. In der einschlägigen Literatur wird die GfK ausdrücklich als Institut zur Durchführung von Verkehrsumfragen benannt (vgl. z. B. Gloy, Loschelder, Erdmann: Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Auflage, München 2010, S. 461, Rdnr. 29). Es arbeitet gerichtsbekannt seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Verkehrsbefragung und verfügt deshalb über ausreichende Erfahrung. Anhaltspunkte für eine fehlende Zuverlässigkeit bestehen nicht.
bb) Die in dem GfK-Gutachten vom 18. Februar 2014 ermittelten Werte lassen auch den Schluss auf eine Verkehrsdurchsetzung des angemeldeten Formzeichens zu.
Das angemeldete Formzeichen besteht aus der dreidimensionalen Form eines Endoskops. Diese Warenform weist zwar, wie ausgeführt, keine die Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG begründende Merkmale auf. Sie stellt allerdings im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verbindungsstücks auch keine Grundform für Endoskope dar, da es - wie sich aus den bereits genannten Beispielen von auf dem Markt vertriebenen Endoskopen ergibt - von vorneherein eine Vielzahl von Gestaltungsvarianten für das Mittelstück gibt, so dass letztlich davon auszugehen ist, dass "die" Grundform für Endoskope gar nicht existiert. Das angemeldete Formzeichen ist daher nichts anderes als eine Variante in diesem Formenschatz.
Vor diesem Hintergrund besteht entsprechend der vorgenannten Rechtsprechung des BGH kein Anlass, besonders hohe Anforderungen an den Durchsetzungsgrad zu stellen.
Die im Zeitraum vom 7. Januar bis zum 10. Februar 2014 durchgeführte Verkehrsbefragung über die Bekanntheit und Verkehrsdurchsetzung eines mit dem angemeldeten Formzeichens übereinstimmenden Endoskops ohne weitere Ausstattungs- und Gestaltungsmerkmale und ohne Aufschrift kommt plausibel und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass ein ausreichender Durchsetzungsgrad erreicht ist. Der ermittelte Bekanntheitsgrad liegt bei 92,1 %, der Kennzeichnungsgrad, d. h. der Anteil der Befragten, die das Zeichen als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen sehen, bei 67,0 %. Nach dem Gutachten ergibt sich bezogen auf die Gesamtzahl ferner ein Zuordnungsgrad von 53 %, was dem Anteil der Befragten, die das bestimmte Unternehmen spontan richtig benennen, entspricht.
Der Durchsetzungsgrad liegt damit jedenfalls, wenn auch nur knapp, über den von der Rechtsprechung des BGH geforderten 50 %, so dass hier – gerade noch – von einer hinreichenden Verkehrsdurchsetzung auszugehen ist.
cc) Für den Senat steht die Verkehrsdurchsetzung mit der Beendigung der Verkehrsbefragung bzw. Gutachtenserstellung am 18. Februar fest. Da sich die Anmelderin im Beschwerdeverfahren mit einer entsprechenden Zeitrangverschiebung (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 37 Abs. 2 MarkenG) einverstanden erklärt hat, ist das Anmeldezeichen mit dem Prioritätsdatum 18. Februar 2014 für die noch beanspruchten Waren als im Verkehr durchgesetzte Marke einzutragen. Der Beschwerde ist daher im Hilfsantrag stattzugeben.