Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.09.2016


BPatG 15.09.2016 - 28 W (pat) 18/15

Markenbeschwerdeverfahren – "drei nummerierte Einzelbilder, die piktogrammartig die Benutzung eines Einwegbeutels für menschliche Ausscheidungen zeigen (Bildmarke)" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
15.09.2016
Aktenzeichen:
28 W (pat) 18/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 024 933

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 15. September 2016 im schriftlichen Verfahren durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kortbein, die Richterin Uhlmann und den Richter Dr. Söchtig

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Bildzeichen

Abbildung

2

ist am 21. Februar 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für folgende Waren der

3

„Klasse 10: Beutel und Einwegbeutel zur Aufnahme menschlicher Ausscheidungen

4

Klasse 11: sanitäre Anlagen

5

Klasse 20: Behälter zur Aufnahme menschlicher Ausscheidungen, insbesondere Kunststoffbehälter“

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angemeldet worden.

7

Mit Beschluss vom 24. Juli 2014, nach vorangegangenem Beanstandungsbescheid vom 20. Mai 2014, hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 10, die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Anmeldezeichen zeige in drei Schritten piktogrammartig die Benutzung eines Einwegbehälters für Harn. Der Verkehr sei bei der Benutzung von Hilfen für die Notdurft an piktogrammartige Benutzungsanweisungen gewöhnt, was Rechercheergebnisse belegten. In diese Art einer erklärenden Darstellung füge sich das angemeldete Zeichen nahtlos ein. Somit werde der angesprochene Verkehr das Anmeldezeichen lediglich als Benutzungsanleitung verstehen, wenn es ihm im Zusammenhang mit den einschlägigen Waren der Anmeldung begegne. Als leicht erkennbare Sachangabe werde die Vorstellung, dass hiermit vorrangig auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren aus einem bestimmten Unternehmen hingewiesen werden solle, erst gar nicht aufkommen, was das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft begründe.

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Auf die vom Anmelder gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung hin hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 10, mit Beschluss vom 13. Januar 2015 mit gleichlautenden Erwägungen die Erinnerung hinsichtlich der vom Anmeldezeichen beanspruchten Waren der Klassen 10 und 20 zurückgewiesen. Lediglich hinsichtlich der Waren „sanitäre Anlagen“ in Klasse 11 hat es der Erinnerung mit der Begründung abgeholfen, der abgebildete Benutzungshinweis habe keinen unmittelbaren Bezug zu sanitären Anlagen bzw. diese würden damit nicht abgebildet. Sanitäre Anlagen seien in der Regel fest installierte oder mobile Vorrichtungen für Reinigung und Hygiene wie Duschen, Waschbecken, Toiletten usw., auch in transportabler Form, etwa für Baustellen, aber keine Einwegbeutel oder –behälter.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 17. Februar 2015, mit der er sinngemäß beantragt,

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die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10, vom 24. Juli 2014 und vom 13. Januar 2015 aufzuheben, soweit die Anmeldung des Zeichens zurückgewiesen worden ist.

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Zur Begründung führt er aus, er vertreibe in seinem Unternehmen Einwegbeutel zur Aufnahme menschlicher Ausscheidungen. Hierzu habe er Motive entwickelt, welche auf der Verpackung den Gegenstand der Ware kennzeichneten. Darüber hinaus habe er auch bereits die nachfolgende Bildmarke angemeldet (30 2012 033 435), die auch eingetragen worden sei:

Abbildung

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Die nunmehr angemeldete Bildfolge zeige dieses Motiv in einer Handlungsfolge. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Eintragung der Bildfolge für die Waren der Klassen 10 und 20 zurückgewiesen worden sei, zumal hinsichtlich der für eine Eintragung ausreichenden Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab anzulegen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde ist zurückzuweisen, da der Eintragung des Anmeldezeichens das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht. Ob darüber hinaus auch die Voraussetzungen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben sind, bedarf im Ergebnis keiner Entscheidung.

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Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Beschwerdeführer die Durchführung einer solchen nicht beantragt hat und sie auch nicht sachdienlich erschien (§ 69 Nr. 3 MarkenG).

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1. Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH  GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 - HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 - Link economy).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, Rdnr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 - FUSSBALL WM 2006).

18

2. Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze kann dem Anmeldezeichen die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft nicht beigemessen werden.

19

Es zeigt in seinen drei - zudem noch nummerierten - Einzelbildern piktogrammartig die Benutzung eines Einwegbeutels für menschliche Ausscheidungen.

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Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Bildmarken ist auch die gerade auf Grund internationaler Verflechtungen wachsende Übung zu berücksichtigen, sachliche Informationen und Hinweise bildhaft durch sogenannte Piktogramme zu vermitteln. Das Anwachsen dieser Art von Bildersprache rechtfertigt es zwar nicht, jedem Zeichen, in dem ein sachbezogener Vorgang oder Hinweis bildlich dargestellt ist, die Unterscheidungskraft abzusprechen. Insbesondere erhebliche Verfremdungen lassen auch die Möglichkeit offen, als Herkunftshinweis aufgefasst zu werden (BPatG 26 W (pat) 52/91 - Hand mit Bierglas). Einfachen, in ihrer beschreibenden Aussage unzweideutig erkennbaren, versinnbildlichten zeichnerischen Darstellungen fehlt dagegen die Unterscheidungskraft (BPatG 28 W (pat) 108/03 - Batteriesymbol auf Display). Dies gilt insbesondere für Gestaltungen, die sich stark an bereits geläufige Piktogramme anlehnen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, 2015, § 8, Rdnr. 279).

21

Die drei Bilder des Anmeldezeichens beschreiben vorliegend die konkrete Verwendung sowie die ordnungsgemäße Beseitigung eines Einwegbeutels für menschliche Ausscheidungen. Im Ergebnis stellen die drei Einzelbilder des Anmeldezeichens eine Benutzungsanleitung derartiger Einwegbeutel dar, ohne dass das Anmeldezeichen darüber hinaus eine irgendwie geartete Verfremdung aufweisen würde.

22

Dass der angesprochene Verkehr, bei dem es sich vorliegend um Durchschnittsverbraucher handelt, an die Verwendung von piktogrammartigen Bedienungsanleitungen für Hilfen zur Verrichtung der Notdurft gewöhnt ist, hat das Deutsche Patent- und Markenamt in seinem Beanstandungsbescheid vom 20. Mai 2014 unter Verweis auf zahlreiche Rechercheergebnisse überzeugend dargetan. So beschreibt beispielsweise die Anlage 2 zum Beanstandungsbescheid piktogrammartig die Benutzung einer Toilette für männliche Personen. Aus der Anlage 3 zum Beanstandungsbescheid ist die Benutzung einer solchen für weibliche Personen ersichtlich. Die Anlage 6 zum Beanstandungsbescheid zeigt wiederum piktogrammartig die Art und Weise der Benutzung einer japanischen sogenannten „style toilet“. Die Anlage 7 zum Beanstandungsbescheid beschreibt schließlich - wiederum piktogrammartig - die Benutzung einer Schutzabdeckung für Toilettensitze. In diese Benutzungsanleitungen fügt sich das Anmeldezeichen nahtlos ein.

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Bei den von dem Anmeldezeichen beanspruchten Waren in Klasse 10 „Beutel und Einwegbeutel zur Aufnahme menschlicher Ausscheidungen“ sowie in Klasse 20 „Behälter zur Aufnahme menschlicher Ausscheidungen, insbesondere Kunststoffbehälter“ handelt es sich um Hilfsmittel zur Aufnahme sowie nachfolgenden Beseitigung menschlicher Ausscheidungen, wie sie Gegenstand der piktogrammartigen Darstellungen des Anmeldezeichens selbst sind.

24

Hierauf basierend hat der angesprochene Verkehr keine Veranlassung, das ihm als bloße Benutzungsanleitung gegenübertretende Anmeldezeichen als einen Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen aufzufassen, was der Annahme einer Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens entgegensteht.

25

Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Eintragung seiner Bildmarke (30 2012 033 435)

Abbildung

26

rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Entscheidungen über (unterstelltermaßen) ähnliche Anmeldungen sind zwar, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob im gleichen Sinn zu entscheiden ist oder nicht; sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. EuGH, GRUR 2009, S. 667 - Bild.T-Online.de u. ZVS [Schwabenpost]).

27

Die vom Beschwerdeführer ins Feld geführte Bildmarke unterscheidet sich zudem vom Anmeldezeichen allein schon deshalb deutlich, da erstere keine Benutzungsanleitung darstellt und darüber hinaus keinen sonstigen ausschließlich beschreibenden Hinweis enthält. Anders verhält es sich dagegen beim Anmeldezeichen. In ihm erhält die Bildmarke durch die Hinzufügung der weiteren Markenelemente eine andere Bedeutung, die ihre Unterscheidungskraft entfallen lässt (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdnr. 189).

28

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

III.

29

Da der Eintragung des Anmeldezeichens bereits das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht, kann die Frage, ob zugleich auch die Voraussetzungen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben sind, im Ergebnis dahingestellt bleiben.