Entscheidungsdatum: 02.03.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 004 050.3
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 2. März 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein sowie der Richter Schmid und Dr. Söchtig
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 29, vom 19. Dezember 2013 und vom 9. Januar 2015 aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die beanspruchten Waren
Klasse 29: Milch, Milcherzeugnisse, nämlich Trinkmilch, Sauermilch, Buttermilch; alkoholfreie Milchmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil, Kefir, Sahne; Milch- und Molkepulver als Humannahrungsmittel;
Klasse 30: Speiseeispulver;
zurückgewiesen worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass die Beschwerde im Übrigen gegenstandslos geworden ist.
I.
Die Anmelderin hat am 14. Juni 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragt, die Wortfolge
Bierkugel
als Wortmarke für die Waren
Klasse 29: Milch, Milcherzeugnisse, nämlich Trinkmilch, Sauermilch, Buttermilch; Joghurt, Fruchtjoghurt, Joghurt mit Schokolade oder Kakaozusätzen; alkoholfreie Milchmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil, Kefir, Sahne, Quark, Frucht- und Kräuterquarkspeisen; Dessertspeisen, im wesentlichen bestehend aus Milch unter Beigabe von Geschmackszusätzen mit Gelatine und/oder Stärke als Bindemittel; Butter, Butterschmalz, Käse und Käsezubereitungen, Milch- und Molkepulver als Humannahrungsmittel, diätetischer Joghurt für nicht medizinische Zwecke;
Klasse 30: Pudding; Speiseeis, Speiseeispulver;
in das beim DPMA geführte Markenregister einzutragen.
Das DPMA, Markenstelle für Klasse 29, hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 19. Dezember 2013 und vom 9. Januar 2015, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das angemeldete Zeichen als eine im Hinblick auf die beanspruchten Waren ersichtlich täuschende Angabe von der Eintragung ausgeschlossen sei. Das angemeldete Wort „Bierkugel“ bezeichne eine kugelförmige Brühwurst. In dieser Bedeutung sei das Zeichen geeignet, das Publikum über die Art und die Beschaffenheit der beanspruchten Waren zu täuschen, da die Anmeldung sich nicht auf derartige Wurstwaren, sondern u. a. auf Milchprodukte, Pudding und Speiseeeis beziehe. Die Täuschungseignung werde nicht beseitigt, dass die beanspruchten Waren üblicher Weise nicht die Form einer „Bierkugel“ aufwiesen, da das Publikum die Form und die Größe der Waren, sofern sie über das Internet erworben werden, in der Regel nicht erkennen könne.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Das Vorliegen einer Täuschungsgefahr sei zu verneinen. Das Wort „Bierkugel“ rufe verschiedenste Assoziationen hervor. Es fehle auch an der Ersichtlichkeit der Täuschung. Sofern die beanspruchten Produkte entsprechend den üblichen Vertriebsgewohnheiten zusammen mit anderen Milchprodukten in einem Kühlregal angeboten würden, bestehe für das Publikum kein Anhalt, dass es sich dabei um Wurstwaren handele.
Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin das Warenverzeichnis ihrer Anmeldung auf die nachgenannten Waren beschränkt:
Klasse 29: Milch, Milcherzeugnisse, nämlich Trinkmilch, Sauermilch, Buttermilch; alkoholfreie Milchmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil, Kefir, Sahne, Milch- und Molkepulver als Humannahrungsmittel;
Klasse 30: Speiseeispulver.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, auf der Grundlage des eingeschränkten Warenverzeichnisses
die Beschlüsse des DPMA vom 19. Dezember 2013 und vom 9. Januar 2015 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Eingaben der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in Bezug auf die nach Einschränkung des Warenverzeichnisses der Anmeldung noch beanspruchten Waren begründet. Entgegen der Auffassung des DPMA steht das Schutzhindernis ersichtlicher Täuschungseignung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 37 Abs. 3 MarkenG der Eintragung der Anmeldung in diesem Umfang nicht entgegen. Auch sonstige Schutzhindernisse sind in Bezug auf das eingeschränkte Warenverzeichnis nicht ersichtlich. Die angefochtenen Beschlüsse des DPMA waren daher insoweit aufzuheben.
Soweit die Anmelderin ihre Anmeldung auf der Grundlage der Beschränkung des Warenverzeichnisses nicht mehr weiter verfolgt, sind die Beschlüsse des DPMA und damit ihre Beschwerde gegenstandslos (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 66 Rdnr. 81).
1. Der angemeldeten Bezeichnung „Bierkugel“ steht in Bezug auf die nach Beschränkung der Anmeldung noch beanspruchten Waren nicht das Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Hiernach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der beanspruchten Waren oder der Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Das angemeldete Wort „Bierkugel“ kann zwar eine kugelförmige Brühwurst bezeichnen (vgl. Anlage zum Beanstandungsbescheid vom 10. Oktober 2013, Wikipedia Bierkugel). Die noch beanspruchten Waren betreffen aber keine derartigen Produkte, so dass das Anmeldezeichen nicht die Art der beanspruchten Waren angeben kann.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Wort „Bierkugel“ insoweit ernsthaft als Hinweis auf den Geschmack der Waren in Betracht kommt. Die in Rede stehenden Milchgetränke und anderen beanspruchten Erzeugnisse können zwar vielfältige und gerade auch ungewöhnliche Geschmacksrichtungen aufweisen. Selbst wenn insoweit auch salzige Geschmacksrichtungen in Betracht kommen, liegt es jedenfalls fern, dass die beanspruchten Waren mit dem spezifischen Geschmack einer „Bierkugel“, die sich vor allem durch ihre Form von anderen Brühwürsten unterscheidet, angeboten werden. Auch kugelförmige Produkte mit „Biergeschmack“ sind insoweit nicht zu erwarten.
Das Wort „Bierkugel“ benennt ferner ein gläsernes Trinkgefäß für Bier (vgl. Wikipedia, Bierkugel). In dieser - schon begrifflich auf „Bier“ beschränkten - Bedeutung besteht ebenfalls kein plausibler sachlicher Zusammenhang zu den noch beanspruchten Waren. Insbesondere erscheint die Annahme, die beschwerdegegenständlichen Waren werden zusammen mit Bier, das wiederum aus einem speziellen Gefäß getrunken wird, verzehrt, zu fernliegend.
Ebenso bieten sich die weiteren in Betracht kommenden Bedeutungen des Anmeldezeichens, wie ein runder durch Bier geformter Bauch, nicht als ohne Weiteres erkennbare Sachhinweise an.
2. Nachdem ein warenbeschreibender Bezug der angemeldeten Bezeichnung vorliegend nicht besteht, sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das angesprochene Publikum die angemeldete Bezeichnung nicht als betrieblichen Herkunftshinweis versteht. Das Anmeldezeichen verfügt daher im beschwerdegegenständlichen Umfang über die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.
3. Auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG steht der Eintragung des Anmeldezeichens im beschwerdegegenständlichen Umfang nicht entgegen.
Bei der Beurteilung, ob ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG besteht, geht es um die Irreführung durch den Zeicheninhalt selbst und nicht um die Prüfung, ob das Zeichen bei einer besonderen Art der Verwendung im Geschäftsverkehr geeignet sein kann, irreführende Vorstellungen zu erwecken. Dabei wird der Zeicheninhalt im Wesentlichen geprägt durch die Waren oder Dienstleistungen, für welche der markenrechtliche Schutz beansprucht wird. Ist für die entsprechenden Waren oder Dienstleistungen eine Markenbenutzung möglich, bei der keine Irreführung des Verkehrs erfolgt, liegt das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nicht vor (vgl. BGH GRUR 2002, 540, 541, Rdnr. 24 ff. - OMEPRAZOK; GRUR 2012, 272, Rdnr. 26 ff. - Rheinpark-Center Neuss).
Die Bezeichnung „Bierkugel“ in der Bedeutung einer kugelförmigen Brühwurst (s. o. 1.) enthält zwar für sich genommen eine objektiv unrichtige Aussage über die Art der beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 29 und 30. Jedoch ist nicht zu erwarten, dass das Anmeldezeichen im Zusammenhang mit den noch beanspruchten Waren tatsächlich in diesem unzutreffenden Sinn verstanden wird. Die beanspruchten Milch- und sonstigen Erzeugnisse, die regelmäßig in Milchtüten oder -gläsern bzw. in Bechern (Kefir, Sahne) und/oder Tüten (Milch- und Molkepulver als Humannahrungsmittel; Speiseeispulver) angeboten werden, unterscheiden sich von einer derartigen Wurst mit einer charakteristischen Kugelform durch ihre äußere Beschaffenheit so deutlich, dass verständige Verbraucher, selbst wenn die Waren sich im Vertrieb direkt begegnen würden, keiner Täuschung über die Art der mit dem Anmeldezeichen versehenen Waren unterliegen. Soweit das DPMA, Markenstelle für Klasse 29, zur Begründung seiner Auffassung darauf abgestellt hat, dass die Warenform und -größe der beanspruchten Waren bei Online-Bestellungen nicht zwingend erkennbar sei, hat sie ihrer Betrachtung spezifische Vertriebsgegebenheiten zugrunde gelegt. Damit hat es nur eine Möglichkeit der Verwendung der angemeldeten Marke angesprochen, die zudem im Hinblick auf regelmäßig strukturierte und bebilderte Darstellungen von Lebensmitteln auch im Onlinevertrieb eher fern liegen dürfte. Dass die angemeldete Marke auch bei einer Präsentation der Waren, in der das Publikum die Ware oder ein Bild der Ware wahrnehmen kann, täuschend sein kann, hat das DPMA nicht festgestellt und ist, wie ausgeführt, auch nicht erkennbar. Damit ist für die in Rede stehenden Waren eine Verwendung der Marke möglich, bei der keine Irreführung des Verkehrs erfolgt.
Der Beschwerde der Anmelderin war daher in Bezg auf die noch beanspruchten Waren stattzugeben.