Entscheidungsdatum: 11.10.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 036 560.1
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 11. Oktober 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Friehe, der Richterin Uhlmann und des Richters am Landgericht Dr. Söchtig
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
Aldente
ist am 6. Juli 2011 zur Eintragung als Marke in das bei dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Dienstleistungen der Klasse 35 sowie für die folgenden Waren der
Klasse 29: Snackprodukte auf der Grundlage von Kartoffeln, hergestellt durch Hitze und Druck oder Erhitzen in Fett; Kartoffel-Chips, in beliebige Form geschnittene, in Fett gebackene Kartoffelstücke; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Fruchtsnacks; kandierte Früchte;
Klasse 30: Feine Backwaren, Biskuits, Dauerbackwaren; Gebäck; Salz-/Laugengebäck, Cracker; Snackprodukte auf der Grundlage von Reis, Mais und anderen Getreidearten, hergestellt durch Hitze und Druck oder Erhitzen in Fett; Brot, Brötchen; feine Back- und Konditorwaren, Kuchen; Butterkeks; Brote [belegt]; Getreidepräparate, insbesondere aus Mais, Tapioka und Reis; Schokolade und Schokoladenwaren, Marzipan, Kaugummi (nicht für medizinische Zwecke); zuckerhaltige und zuckerfreie Süßwaren, Hartkaramellen, Fruchtgummi; Konfekt; Zuckerwaren; Kleingebäck; Kuchen (Reis-); Kuchenmischungen [pulverförmig]; Kuchenteig; Müsli; Pfannkuchen (Crepes); Pfefferkuchen; Sandwiches; Semmeln (Brötchen); Waffeln; Tortillas; Zwieback;
Klasse 31: Futtermittel für Tiere
angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 16. April 2012 hat die Markenstelle für Klasse 29 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vollständig zurückgewiesen. Die Erinnerung der Anmelderin hat die Markenstelle mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 für die oben genannten Waren zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen entspreche dem aus der italienischen Sprache stammenden Ausdruck „al dente“, der in der Kochkunst für „(von Nudeln) nicht ganz weich gekocht“ oder auch „bissfest“ stehe. Der angesprochene Verkehr werde darin im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich eine werbewirksame verkaufsfördernde Aufmachung erkennen. Insbesondere für die beanspruchten Snackprodukte sei es ein Qualitätsmerkmal, dass sie bissfest seien, der Ausdruck werde deshalb auch im einschlägigen Bereich gebraucht. Selbst wenn es sich bei dem Begriff für die in Rede stehenden Waren um eine Wortneuschöpfung handeln sollte, bestehe für den Verkehr angesichts der im Vordergrund stehenden beschreibenden Bedeutung im Sinne von „bissfest“ keine Veranlassung, in dem Anmeldezeichen einen individualisierenden betrieblichen Herkunftshinweis für die beanspruchten Waren zu sehen, zumal diese allesamt nicht flüssig seien. Weder die Großschreibung am Wortanfang noch die Zusammenziehung zu einem Wort könnten die Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens begründen, da es sich dabei um häufige, dem Verkehr geläufige Gestaltungsmittel handele. Auch der Umstand, dass das Anmeldezeichen gleichzeitig das Unternehmenskennzeichen der Anmelderin sei, ändere nichts an seiner Schutzfähigkeit als Marke. Denn das Recht an der geschäftlichen Bezeichnung folge eigenständigen Auslegungsmaximen. Aus Voreintragungen, die die Anmelderin ohnehin nicht hinreichend konkretisiert habe, könne ein Eintragungsanspruch nicht hergeleitet werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. April 2012 und 21. Dezember 2012 aufzuheben, soweit der angemeldeten Marke die Eintragung versagt worden ist.
Sie trägt vor, das Anmeldezeichen entspreche nicht dem italienischen Ausdruck „al dente“. Zudem habe die Markenstelle den Begriff „al dente“ auf sämtliche Lebensmittel, die nicht von flüssiger Konsistenz seien, überdehnt. Der Verbraucher benutze den Ausdruck landläufig nur für Nudelprodukte oder zumindest nur für in Wasser gekochte Lebensmittel, die aber im angemeldeten Warenverzeichnis nicht enthalten seien. Assoziationen mit Snackprodukten, Konditorwaren oder Schokoladenprodukten sowie Getränken habe der Verbraucher nicht. Deshalb sei das Zeichen unterscheidungskräftig für die konkret beanspruchten Waren, die aus erkennbar anderen Produkten hergestellt seien bzw. nicht in Wasser gekocht und deshalb mit Nudelprodukten nicht vergleichbar seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Nr. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Nr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Nr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Nr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Nr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Nr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Nr. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Nr. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Nr. 8 – Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
2. Nach diesen Grundsätzen fehlt dem Anmeldezeichen „Aldente“ für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft, wie die Markenstelle mit zutreffender Begründung festgestellt hat. „Aldente“ wird von den hier angesprochenen allgemeinen Verbrauchern sowie dem Fachverkehr unmittelbar als Abwandlung des italienischen Ausdrucks „al dente“ erkannt. Das Zusammenziehen der italienischen Wortfolge zu einem Wort mit groß geschriebenem Anfangsbuchstaben stellt eine werbeübliche Verfremdung ohne individualisierenden Charakter dar, an die der Verkehr - wenn er sie überhaupt bemerkt - gewöhnt ist, da ihm sachbezogene Informationen häufig in einprägsamer Form übermittelt werden und derartige Begriffsbildungen sich erfahrungsgemäß nicht an festen grammatikalischen Regeln orientieren (Ströbele/Hacker Markengesetz, 11. Aufl. 2014, § 8 Rn. 176). „al dente“ ist ein Fachbegriff aus der Lebensmittelzubereitung und bezeichnet den bissfesten Garzustand von Getreideprodukten, insbesondere Nudeln und Reis, sowie Gemüse. Nudeln, Reis und Gemüse sind „al dente“ also „für die Zähne“ zubereitet, wenn sie außen bereits eine weiche Konsistenz haben, im Inneren aber noch Kauwiderstand bieten. Der italienische Begriff ist auch dem inländischen Verbraucher durch Kochbücher und Kochsendungen insbesondere für die Zubereitung von Nudeln, Reis und Gemüse weithin bekannt (www.wikipedia.de). Auch wenn er in erster Linie für in Wasser oder wässriger Flüssigkeit wie Brühe gekochte Lebensmittel verwendet wird, beschreibt er nicht den Kochvorgang selbst, sondern dessen Ergebnis, nämlich die bissfeste Konsistenz dieser Lebensmittel, die im Allgemeinen als besonders angenehm empfunden wird. Der inländische Verbraucher, der den Begriff als Beschreibung der bissfesten Konsistenz von Nudeln, Reis und Gemüse kennt, versteht ihn auch im Zusammenhang mit andersartigen oder auf andere Weise zubereiteten Lebensmitteln als Konsistenzangabe und erkennt in ihm deshalb keinen betrieblichen Herkunftshinweis auf einen bestimmten Hersteller.
Wie sich aus den Recherchebelegen des Amtes und den ergänzenden der Beschwerdeführerin vorab übersandten Belegen des Senats ergibt, ist der dem italienischen Ausdruck „al dente“ entsprechende deutsche Begriff „bissfest“ auch für Obst und Gemüse in konservierter, gekochter und getrockneter Form eine gebräuchliche Konsistenzangabe. Snackprodukte auf der Grundlage von Kartoffeln sowie Kartoffelchips und Kartoffelstücke werden dem Verbraucher ebenfalls als bissfest angepriesen. Gleiches gilt für die in Klasse 30 beanspruchten Waren „Feine Backwaren, Biskuits, Dauerbackwaren; Gebäck; Salz-/Laugengebäck, Cracker; Snackprodukte auf der Grundlage von Reis, Mais und anderen Getreidearten, hergestellt durch Hitze und Druck oder Erhitzen in Fett; Brot, Brötchen; feine Back- und Konditorwaren, Kuchen; Butterkeks; Brote [belegt]; Getreidepräparate, insbesondere aus Mais, Tapioka und Reis; Müsli; Pfannekuchen (Crepes); Pfefferkuchen; Sandwiches; Semmeln (Brötchen); Waffeln; Tortillas; Zwieback“.
Auch „Schokolade und Schokoladenwaren, Marzipan, Kaugummi (nicht für medizinische Zwecke); zuckerhaltige und zuckerfreie Süßwaren, Hartkaramellen, Fruchtgummi; Konfekt; Zuckerwaren“ können durch den Begriff „bissfest“ beschrieben werden (www.sarotti.de: „Mehr Kakao. Mehr Biss … Schokolade bekam erst 1847 ihre bissfeste Form“; www.manbackt.de „Karamell Toffees … Karamellbonbons in für mich perfekter Konsistenz, zart schmelzend, dennoch bissfest und richtig ‚chewy‘“).
Die Ausgangsprodukte „Kuchenmischungen [pulverförmig]; Kuchenteig“ werden zwar durch das Anmeldezeichen „Aldente“ in seiner deutschen Bedeutung „bissfest“ nicht unmittelbar beschrieben, weil sie pulverförmig sind, bzw. weil Kuchenteig regelmäßig weich und ohne Bisswiderstand ist. Zu diesen Waren weist das Anmeldezeichen aber einen beschreibenden Bezug dahingehend auf, dass diese Mischungen bzw. der Teig zur Herstellung von bissfesten Backwaren (http:/honignuesse.de: Backmischungen: Kernige Kekse, bissfest durch die Haferflocken, fruchtig abgerundet mit weichen Cranberrys“) geeignet sind.
Das Anmeldezeichen ist auch für die Waren der Klasse 31 „Futtermittel für Tiere“ nicht als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet, da es in seiner dem allgemeinen Verbraucher bekannten deutschen Bedeutung eine beschreibende Angabe für die betreffenden Waren darstellt. Die Bissfestigkeit von Tierfutter gilt als bedeutsam für die Zahnpflege der Tiere. Tierfutter wird unter anderem in Form von Nudeln angeboten, mit der Empfehlung, sie „al dente“ zubereiten, wie sich aus den Recherchebelegen des Amtes ergibt, sodass auch hier das Verständnis als Sachangabe für die betreffenden Waren im Vordergrund steht.
3. Daher war die Beschwerde in vollem Umfang zurückzuweisen. Ob der Eintragung daneben ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann im Ergebnis dahinstehen.