Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.06.2010


BPatG 16.06.2010 - 28 W (pat) 131/09

Markenbeschwerdeverfahren – "Seven Jeans/SEVEN (Wort-Bild-Marke, Gemeinschaftsmarke)" – zur Kennzeichnungskraft - Warenidentität und -ähnlichkeit - Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
16.06.2010
Aktenzeichen:
28 W (pat) 131/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 306 33 388

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 16. Juni 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel sowie der Richterin Martens und des Richters Schell

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 14 vom 15. Mai 2008 und 1. September 2009 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 3489 234 für die Waren

„Waren aus Leder und Lederimitationen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Reise- und Handkoffer, Dokumentenkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Handtaschen; Aktentaschen; Rucksäcke; Brieftaschen; Schlüsseletuis (Lederwaren); Geldbörsen“

zurückgewiesen worden ist.

2. Wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 3 489 234 wird die Löschung der Marke 306 33 388 für die genannten Waren angeordnet

3. Hinsichtlich der Zurückweisung des Widerspruchs für die Waren

„Leder und Lederimitationen; Häute und Felle“

werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 14 vom 15. Mai 2008 und 1. September 2009 für gegenstandslos erklärt.

Gründe

I.

1

Gegen die als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 14, 18 und 25

2

„14:  Juwelierwaren, Schmuckwaren, Uhren und Zeitmessinstrumente;

3

18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer, Dokumentenkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Handtaschen; Aktentaschen; Rucksäcke; Brieftaschen; Schlüsseletuis (Lederwaren); Geldbörsen;

4

25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“

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am 15. September 2006 eingetragene Wortmarke

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Seven Jeans

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wurde Widerspruch erhoben aus der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 3 489 234

Abbildung

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die u. a. für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klasse 18

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„Waren aus Leder und Lederimitationen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Rucksäcke, Minirucksäcke, Schultaschen, Taschen, Kindertragetaschen, Ausgehtaschen, Einkaufstaschen, Reisetaschen, Sporttaschen; Handtaschen, Campingtaschen; Rucksäcke für Bergsteiger; Schultaschen, Aktenmappen, Brieftaschen, Geldbörsen, nicht aus Edelmetall; Schlüsseletuis, Hüfttaschen, Handkoffer, Regenschirme und Sonnenschirme; Reisekoffer, Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Kunststoffköfferchen“

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geschützt ist. Der Widerspruch wurde dabei gezielt ausschließlich gegen die von der angegriffenen Marke in der Klasse 18 beanspruchten Waren gerichtet.

11

Auf den Widerspruch hin hat die Markenstelle die angegriffene Marke zunächst mit Erstprüferbeschluss vom 15. Mai 2008 für die Waren der Klasse 25 gelöscht - was von der Widersprechenden allerdings beantragt worden war – und der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Widersprechende – nicht jedoch der Markeninhaber – Erinnerung eingelegt und beantragt, die jüngere Marke für die angegriffenen Waren der Klasse 18 zu löschen. Mit Beschluss vom 1. September 2009 hat die Markenstelle die Erinnerung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr bestehe trotz hochgradiger Warenähnlichkeit bereits deshalb nicht, weil die Widerspruchsmarke nur einen verminderten Schutzumfang beanspruchen könne. Das in beiden Vergleichsmarken klanglich übereinstimmend vorhandene Wortelement „Seven“ sei als Zahlwort, mit seinem für die beteiligten Verkehrskreise ohne Weiteres verständlichen Bedeutungsgehalt „Sieben“ als kennzeichnungsschwach zu werten und daher nicht geeignet, eine kollisionsrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zu begründen.

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Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde und führt aus, für die hier ausschließlich verfahrensgegenständlichen Waren der Klasse 18 seien Anhaltspunkte für eine Beschreibungseignung des Markenworts „Seven“ nicht ersichtlich. Auch die Markenstelle habe hierzu keine konkreten Feststellungen getroffen, so dass von normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sei. Angesichts identischer Vergleichswaren und dem in beiden Marken übereinstimmend vorhandenen Wortbestandteil „Seven“ könne eine Verwechslungsgefahr keinesfalls ausgeschlossen werden.

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Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Widersprechende ihren Widerspruch hinsichtlich der Waren „Leder und Lederimitationen; Häute und Felle“ zurückgenommen.

14

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit der Widerspruch für die nun noch angegriffenen Waren der Klasse 18 zurückgewiesen wurde und die angegriffene Marke auf den Widerspruch hin für diese Waren im Register zu löschen.

16

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

II.

17

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Die Löschung der angegriffenen Marke ist für sämtliche nun noch verfahrensgegenständlichen Waren anzuordnen, da zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr i: S: v. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

18

Die markenrechtliche Verwechslungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der Ähnlichkeit der Vergleichsmarken sowie der Ähnlichkeit der gegenseitigen Waren zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2004, 594 – Ferrari-Pferd). Die genannten Faktoren stehen dabei zueinander in einer gewissen Art von Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad des einen Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, 238, Rdn. 18 f. – PICASSO ; BGH WRP 2009, 616, Rdn. 23 – METROBUS; sowie Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32 m. w. N.).

19

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss stets konkret, d. h. bezogen auf die verfahrensgegenständlichen Vergleichswaren des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BGH WRP 2009, 616, Rdn. 83 – METROBUS; sowie Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 14 MarkenG Rdn. 195, m. w. N.). Zwar entspricht es ständiger Rechtsprechung, Zahlwörtern wie dem hier maßgeblichen Markenwort „Seven“ dann einen verminderten Schutzumfang zuzuordnen, wenn sie hinsichtlich der fraglichen Waren als beschreibende Angabe dienen können, z. B. als Größenangabe für Bekleidungsstücke bzw. als Mengenangabe oder als Typenbezeichnung für andere Produkte. Hierfür bedarf es aber in jedem Einzelfall belastbarer Anhaltspunkte, die eine solche Eignung belegen können. Solche Anhaltspunkte sind aber weder den angefochtenen Beschlüssen der Markenstelle zu entnehmen, noch haben die Recherchen des Senats entsprechende Feststellungen dafür ergeben, dass der Begriff „Seven“ für die hier maßgeblichen Waren als beschreibende Angabe verwendet wird oder zumindest zur Produktbeschreibung dienen könnte . Vielmehr erscheint eine beschreibende Verwendung des englischen Zahlwortes „Seven“ im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Produkte als ausgeschlossen und geradezu sinnwidrig, so dass ein Verständnis des genannten Markenwortes als bloße Merkmalsangabe zu kurz greift. Somit liegen im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, der Widerspruchsmarke unter kollisionsrelevanten Gesichtspunkten nur eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzumessen.

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Im Rahmen des gezielt eingelegten und im Beschwerdeverfahren weiter präzisierten Widerspruchs stehen sich identische bzw. hochgradig ähnliche Vergleichswaren gegenüber, so dass die angegriffene Marke zum Widerspruchszeichen einen deutlichen Abstand einhalten muss, um die Gefahr von Verwechslungen ausschließen zu können. Diesen Anforderungen wird sie jedoch nicht gerecht.

21

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Vergleichsmarken sind die sich jeweils gegenüberstehenden Kennzeichen als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen (vgl. EuGH, MarkenR 2007, 315, Rdn. 41 – Limoncello; BGH GRUR 2008, 1002, Rdn. 23 – Schuhpark). Trotz dieses kollisionsrechtlichen Grundsatzes ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall ein Bestandteil eines mehrgliedrigen Zeichens dessen Gesamteindruck prägt bzw. in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl. EuGH a. a. O. Rdn. 30, 31 – THOMSON LIFE ; BGH GRUR 2009, 772, 776, Rdn. 57 – Augsburger Puppenkiste; BGH GRUR 2007, 888 Rdn. 22, 31 – Euro Telekom). Für die Beantwortung der Frage, ob einem Bestandteil einer Kombinationsmarke eine solche isoliert kollisionsbegründende Wirkung zuzumessen ist, kommt es vor allem auf die Kennzeichnungskraft der einzelnen Markenteile an. Da produktbeschreibenden Elementen grundsätzlich die Eignung fehlt, den Gesamteindruck einer Marke wesentlich mitzubestimmen, kann die bloße Hinzufügung solcher Elemente zu einem mit dem Widerspruchszeichen übereinstimmenden Bestandteil eine Verwechslungsgefahr grundsätzlich nicht ausschließen (vgl. BGH GRUR 2004, 778, 779 – URLAUB DIREKT ). Aus diesem Grund ist auch der Bestandteil „Jeans“ der angegriffenen Marke nicht geeignet, eine hinreichend sichere Unterscheidbarkeit der beiden Marken zu gewährleisten. Denn als glatt beschreibender Hinweis auf einen (neben Leder) verwendeten Stoff oder als werbeüblichen Hinweis auf den „Look“ bzw. die Stilrichtung der hier einschlägigen Produkte, wird der angesprochene, an solche Stilbezeichnungen gewöhnte Verkehr, diesem Markenteil keine die jüngere Marke mitbestimmenden Charakter beimessen. Damit stehen sich klanglich identische Marken gegenüber. Diese klangliche Übereinstimmung ist ausreichend, um eine relevante Verwechslungsgefahr zu begründen (vgl. BGH GRUR 2008, 803, 804, Rdn. 21 – HEITEC , m. w. N.).

22

Die angefochtenen Beschlüsse waren somit antragsgemäß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke für die im Tenor genannten Waren anzuordnen.

23

Mit der Rücknahme des Widerspruchs für die Waren „Leder und Lederimitationen; Häute und Felle“ hat sich das Widerspruchsverfahren insoweit in der Hauptsache erledigt, so dass die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts im Hinblick auf die genannten Waren für gegenstandlos zu erklären war.

24

Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand keine Veranlassung (§ 71 Abs. 1 MarkenG).