Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 24.11.2010


BPatG 24.11.2010 - 28 W (pat) 109/09

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Flüssigkeitenspender (dreidimensionale Marke)" – keine Unterscheidungskraft – keine Verkehrsdurchsetzung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
24.11.2010
Aktenzeichen:
28 W (pat) 109/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 300 45 642

(hier: Löschungsverfahren S 196/08)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. November 2010 unter Mitwirkung der Richterinnen Martens und Bayer sowie des Richters Schell

beschlossen:

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die dreidimensionale Marke

Abbildung

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ist am 31. Mai 2001 für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 7, 10 und 21

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„Pumpen, Flüssigkeitenspender, Flüssigkeitenbehälter für medizinische Zwecke; Pumpen, Flüssigkeitenspender, Flüssigkeitenbehälter für Desinfektionsmittel und Seifen“

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eingetragen worden.

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Gegen die Marke wurde ein Löschungsantrag gemäß §§ 54, 50 Abs. 1, § 8 Abs. 2 MarkenG gestellt, den der Antragsteller damit begründete, dass die angegriffene, dreidimensionale Marke aus der Form der beanspruchten Waren bestehe und sich dabei in für diese Produktkategorie technisch notwendigen Gestaltungsmerkmalen erschöpfe. Die dreidimensionale Form eines Spenders für Flüssigkeiten, Desinfektionsmittel und/oder Seifen bewege sich völlig im Rahmen der auf dem einschlägigen Warengebiet bestehenden Formenvielfalt. Sämtliche Merkmale der angegriffenen Warenform seien auch bei Konkurrenzprodukten der Wettbewerber zu finden.

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Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag fristgemäß widersprochen und vorgetragen, die Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke werde bereits durch den oberen Teil des Spenders begründet, der für Form und Größe der vom Spender aufzunehmenden Behälter keinerlei technische Relevanz aufweise. Von einer technischen Bedingtheit der Warenform könne also nicht ausgegangen werden, zumal ein Seifenspender grundsätzlich kein Gehäuse benötige. Dies gelte erst recht für die vorliegend gewählte Gehäuseform oder die Formgebung des Armhebels, für die vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten existierten. Bei der Marke handle es sich somit gerade nicht um eine für Seifen-/Desinfektionsmittelspender übliche Form. Da sich die verfahrensgegenständlichen Waren vornehmlich an gewerbliche Kunden richteten, müsse von einer erhöhten Aufmerksamkeit beim Erwerb ausgegangen werden, wodurch bereits geringe Abweichungen in der Gestaltung wahrgenommen würden. Außerdem sei der Seifen-/Desinfektionsmittelspender der Markeninhaberin im Verkehr durchgesetzt und verfüge über einen Marktanteil von über 84%.

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Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 6. Juli 2009 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sowohl für den Zeitpunkt der Markeneintragung als auch für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu bejahen sei. Bei Seifenspendern bestehe aufgrund ihrer typischen Funktionalitäten keine beliebige Formgebung. Zwingend erforderlich sei in jedem Fall eine Flaschenhalterung mit Verbindung zu einem Pumpsystem, das in der Regel mittels eines Hebels bedient werde. Zudem müsse aufgrund hygienischer Anforderungen gewährleistet werden, dass der Spender an möglichst wenig Stellen berührt werde, wie etwa am Hebel. Da die Größe der einzusetzenden Behälter meist standardisiert sei, bestehe für die Produzenten von Spendergeräten von vornherein nur ein geringer Gestaltungsspielraum, weshalb diese Produkte in der Regel eine sehr ähnliche Form aufwiesen. Dementsprechend zeichne sich das angegriffene Zeichen durch keine besonderen, gestalterischen Elemente aus, die eine betriebskennzeichnende Wirkung entfalten könnten. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass der Form von Seifen- oder Desinfektionsmittelspendern vom Verkehr generell kein Herkunftshinweis entnommen werde, zumal diese Produkte in aller Regel mit den Markennamen ihrer Hersteller gekennzeichnet seien. Eine Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG habe die Markeninhaberin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Weder die vorgelegten firmeneigenen Publikationen noch die eingereichte Umfrage genügten den insoweit anzusetzenden Anforderungen. Allein der behauptete Marktanteil des fraglichen Produkts reiche für eine Glaubhaftmachung nicht aus.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Zur Begründung hat sie vorgetragen, an die Unterscheidungskraft eines Zeichens, das aus einer dreidimensionalen Warenform bestehe, dürften grundsätzlich keine anderen Anforderungen gestellt werden als an andere Markenarten, insbesondere könnten keine gesteigerten Anforderungen an die Prägnanz ihrer Ausgestaltung angelegt werden. Der verfahrensgegenständliche Seifenspender weise mit seiner Gehäuseform, dem verwendeten Material, der Abdeckung und Positionierung des Ausflussrohres sowie der Form des Armhebels mehrere Elemente auf, die über eine technisch bedingte Form hinausgingen. Da die Hersteller hinsichtlich der genannten Warenmerkmale in ihren Gestaltungsmöglichkeiten völlig frei und insbesondere nicht durch technische Vorgaben gebunden seien, würde die jeweilige Formenwahl vom Verkehr als Herkunftshinweis aufgefasst. Der Verkehr sei aufgrund ihrer langen Verwendungsdauer an die charakteristischen Gestaltungsmerkmale der angegriffenen Marke gewöhnt und ordne ihr Erscheinungsbild der Markeninhaberin zu. Somit könne ihr keinesfalls die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Da den Wettbewerbern zahlreiche andere Möglichkeiten zur Gestaltung von Seifenspendern verbleiben würden, bestehe auch kein Freihaltebedürfnis. Selbst wenn man jedoch absolute Schutzhindernisse für den Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke annehmen würde, seien diese aufgrund der langjährigen, erfolgreichen Benutzung und intensiven Bewerbung der Marke im Wege ihrer Durchsetzung im Verkehr gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden worden. Hierbei müsse berücksichtigt werden, dass als angesprochene Verkehrskreise nur Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen, Alten- und Pflegeheime sowie in gewissem Maß die Lebensmittelindustrie in Betracht kämen. Ausweislich eines bereits im patentamtlichen Löschungsverfahren vorgelegten Gutachtens erreiche die Marke bei diesen Verkehrskreisen eine Bekanntheit von über …%. Der mit dem verfahrensgegenständlichen Spender erwirtschaftete Gesamtumsatz belaufe sich für die Jahre 1975 bis 2004 auf …EUR. Der in diesem Zeitraum für das fragliche Produkt getätigte Werbeaufwand betrage …EUR. Des Weiteren sei die Markeninhaberin auf allen einschlägigen nationalen und internationalen Messen vertreten.

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Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts, vom 6. Juli 2009 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

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Der Löschungsantragsteller und Beschwerdegegner beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Zur Begründung trägt er vor, die angegriffene Marke sei wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zu löschen. Soweit die Markeninhaberin eine Verkehrsdurchsetzung ihres Zeichens geltend mache, beruhe dies auf bloßen Behauptungen und nicht auf einer hinreichend substantiierten Glaubhaftmachung.

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Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat sich die Markeninhaberin mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

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Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil der angegriffenen Marke auch nach Auffassung des Senats zum Eintragungszeitpunkt das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstand und auch im Zeitpunkt der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde noch entgegensteht. Die Markenabteilung hat somit zu Recht die Löschung der Marke angeordnet.

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Für den Senat bestehen bereits Zweifel an der Markenfähigkeit gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, wonach solche Formen vom Markenschutz ausgeschlossen sind, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind. Eine Sachentscheidung in dieser Frage kann aber auch ohne abschließende Klärung der entsprechenden technischen Fragen getroffen werden, da die Marke bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu löschen ist.

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Die angegriffene, dreidimensionale Marke zeigt einen Flüssigkeitenspender und damit die beanspruchten Waren selbst bzw. das konkrete Bestimmungsprodukt, für das die beanspruchten Pumpen und Flüssigkeitenbehälter verwendet werden. Für die Beurteilung, ob einer solchen Produktform die erforderliche Unterscheidungskraft zukommt, ist wie bei allen anderen Markenkategorien auf die Hauptfunktion von Marken abzustellen, die darin besteht, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 – Libertel; EuGH WRP 2002, 924, 927, Rdn. 30 – Philips/Remington). Insoweit gelten für dreidimensionale Marken keine strengeren Maßstäbe wie für alle anderen Markenformen (vgl. EuGH GRUR 2003, 514, 517, Rdn. 41 f., 46 – Linde, Winward u. Rado; BGH GRUR 2001, 413, 414 – SWATCH).

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Im Rahmen der Schutzfähigkeitsprüfung ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Zeichen, das aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, von den angesprochenen Verkehrskreisen in der Regel nicht in derselben Weise wahrgenommen wird, wie Zeichen, die vom Erscheinungsbild der mit ihnen gekennzeichneten Waren unabhängig sind. Denn die Verbraucher schließen aus der Form der Ware erfahrungsgemäß nicht auf deren betriebliche Herkunft, sondern ziehen aus ihr lediglich Rückschlüsse auf funktionelle und/oder ästhetische Eigenschaften (vgl. EuGH GRUR Int. 2008, 135, 137, Rdn. 80 – Form einer Kunststoffflasche; BGH GRUR 2006, 679, 681, Rdn. 17 – Porsche Boxter; BGH WRP 2004, 749, 751 – Transformatorengehäuse; BGH GRUR 2003, 332, 334 – Abschlussstück; BGH GRUR 2001, 56, 57 – Likörflasche). Dementsprechend geht die Rechtsprechung davon aus, dass Produktformen trotz Anlegung des gebotenen, großzügigen Prüfungsmaßstabs im Allgemeinen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, es sei denn, die Herkunftsfunktion kann anhand besonderer Umstände festgestellt werden (vgl. BGH GRUR 2010, 138, Rdn. 24 f. – ROCHER-Kugel; BGH GRUR 2008, 71, Rdn. 24 – Fronthaube). Dies setzt regelmäßig voraus, dass die in einer dreidimensionalen Marke verkörperte Ware erheblich von der Norm bzw. den branchenüblichen Gestaltungsvarianten abweicht – mit anderen Worten, sie darf sich nicht nur in gebräuchlichen bzw. funktionell bedingten Gestaltungsmerkmalen erschöpfen (vgl. EuGH MarkenR 2007, 475 – Develey-Flasche; EuGH MarkenR 2006, 322, 325, Rdn. 26 – Form eines Bonbons; EuGH MarkenR 2004, 224, 229, Rdn. 39 – Waschmitteltabs; BGH GRUR 2010, 138, Rdn. 25 – ROCHER-Kugel; BGH WRP 2008, 107, Rdn. 23 – Fronthaube). Nur dann ist es den angesprochenen Verbrauchern möglich, einer Produktform ohne besondere Aufmerksamkeit oder eine intensiv vergleichende Betrachtungsweise einen betrieblichen Herkunftshinweis zu entnehmen.

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Soweit die Markeninhaberin hinsichtlich der mit der Marke angesprochenen Verkehrskreise von einer eng begrenzten Zielgruppe ausgeht, ist die Markenabteilung dieser Wertung zu Recht nicht gefolgt. Auch der Senat hat die Beteiligten vor seiner Entscheidung mit gerichtlichem Zwischenbescheid darauf hingewiesen, dass er den Standpunkt der Markeninhaberin nicht teilt. Auf diesen Bescheid hat die Markeninhaberin erwidert, es handle sich bei den verfahrensgegenständlichen Waren nicht um Produkte des täglichen Bedarfs, weshalb ein Verkauf an Endverbraucher nicht stattfinde. Maßgeblich seien nur die von ihr genannten Kundenkreise. Dabei verkennt die Markeninhaberin jedoch, dass im Grunde sämtliche Unternehmen und Einrichtungen als Abnehmer von Flüssigkeitenspendern in Betracht kommen, die über sanitäre Anlagen verfügen müssen – also letztlich alle Firmen mit einem festem Mitarbeiterstamm und/oder regelmäßigem Kundenverkehr, ebenso wie Einrichtungen der öffentlichen Hand, wie etwa Behörden oder Schulen. Nicht zuletzt werden mit den fraglichen Produkten aber auch Gewerbetreibende, Freiberufler und Privathaushalte angesprochen, zumal die Anschaffung der fraglichen Waren mit keinerlei besonderen Kosten verbunden ist (in diesem Sinne bereits HABM, R 450/1999-3, vom 18. Oktober 2000 – 3D-Marke Seifenspender, zusammenfassend auf PAVIS veröffentlicht). Es liegt also gerade kein Sachverhalt vor, in dem von ausgesprochenen Spezialwaren auszugehen ist, die sich von vornherein nur an ein klar eingrenzbares Fachpublikum richten, wie bspw. die von der Markeninhaberin angeführten Tankstellenausrüstungen. Vielmehr sind im vorliegenden Fall auch die allgemeinen Endabnehmerkreise als maßgebliches Publikum anzusehen, da die Marke hier Verwendung finden bzw. Auswirkungen haben kann (vgl. hierzu EuGH GRUR 2004, 682, Rdn. 23 ff. – Bostongurka; BGH GRUR 2002, 340, 342 – Fabergé; BGH GRUR 1990, 360 f. – Apropos Film II). Selbst wenn die Markeninhaberin ihre Produkte ausschließlich an den Fachhandel bzw. an ganz bestimmte medizinische und industrielle Einrichtungen liefern sollte, vermag dies in markenrechtlicher Hinsicht keine andere Wertung zu bewirken. Ein solches Vermarktungskonzept kann jederzeitig verändert werden und ist daher für die Frage der Schutzfähigkeitsprüfung ohne Bedeutung (vgl. BGH GRUR 2008, 710 ff. – Rdn. 32 – VISAGE, m. w. N.).

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Der Senat hat bei seinen Recherchen keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass Produktformen in den mit der Marke beanspruchten Warenbereichen – zumindest auch – als Herkunftszeichen eingesetzt bzw. beworben würden und auch die Markeninhaberin hat keine spezifischen Wahrnehmungsgewohnheiten belegt. Insbesondere ist keine Praxis der Markeninhaberin oder ihrer Mitbewerber feststellbar, mit ausdrücklichen Hinweisen oder anderen Maßnahmen für die angesprochenen Verbraucherkreise den Markencharakter von Produktformen bzw. -merkmalen hervorzuheben, um auf diese Weise eine Gewöhnung des Publikums herbeizuführen. Im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Waren ist somit davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise nicht an eine herkunftskennzeichnende Wirkung von Produktgestaltungen gewöhnt sind (vgl. hierzu EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 65 – Libertel; BGH GRUR 2003, 332, 334 – Abschlussstück; sowie Rohnke, NJW 2005, 1624, 1626). Selbst wenn Seifenspender möglicherweise (aktuell) nur von einer relativ überschaubaren Anzahl von Mitbewerbern auf dem deutschen Markt angeboten werden sollten, kann aus diesem Umstand nicht schon auf besondere Wahrnehmungsgewohnheiten der angesprochenen Verkehrskreise geschlossen werden. Dies umso weniger, als die betreffenden Anbieter bei der Kennzeichnung ihrer Produkte gerade auf die Verwendung „klassischer“ Markenformen setzen, wie Wort- und Bildmarken. Um eine auch nur annähernd vergleichbar hohe Eindeutigkeit der herkunftshinweisenden Wirkung von Produktformen zu erreichen, müssten die Verbraucher durch intensive Bemühungen der Anbieter über einen längeren Zeitraum hinweg an eine solche Bedeutung gewöhnt worden sein (vgl. hierzu etwa Eisenführ, in Festschrift für Eike Ullmann, 2006, S. 175, 180 f.). Eine derartige Praxis hat die Markeninhaberin aber nicht schlüssig dargetan. Ausweislich der zu den Akten gereichten Unterlagen hebt auch sie selbst die von ihr im Verfahrensverlauf immer wieder geltend gemachte, kennzeichnende Wirkung der vorhandenen Formelemente in keiner Weise hervor. Stattdessen stellt sie in ihrer Produktbeschreibung ausschließlich auf funktionale Aspekte ab, etwa wenn sie ausführt: „ … ist nach hygienischen Anforderungen gestaltet … für Ellbogenbedienung … Die Verschlussplatte sichert den Vorratsbehälter, daher besonders geeignet für folgende Einsatzbereiche… Toiletten, Raststätten…öffentlicher Bereich … die oberhalb liegende Auslauföffnung machen ein Nachtropfen unmöglich … müheloses Reinigen durch glatte Flächen “ (vgl. hierzu die von der Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 17. November 2008 im patentamtlichen Verfahren als „AG 17“ bezeichneten Unterlagen).

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Somit liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die beteiligten Verkehrskreise erfolgreich an eine markenmäßige Wahrnehmung der von der Markeninhaberin hervorgehobenen Produktmerkmale herangeführt worden wären. Die von ihr behauptete Wahrnehmung von Seifenspendern als betrieblicher Herkunftshinweis erscheint vielmehr als ausgesprochen unwahrscheinlich, zumal Formgestaltungen ohne technische Funktion auf den hier einschlägigen Produktsektoren immer noch als Ausnahme anzusehen sind. Im Hinblick auf die unternehmerische Herkunft der fraglichen Waren orientieren sich die angesprochenen Verbraucher erfahrungsgemäß vornehmlich an Zeichenformen, die ihnen seit jeher als sicherste Identifizierungsmöglichkeit vertraut sind, d. h. an den jeweils vorhandenen Wort- oder Bildmarken bzw. Firmenbezeichnungen.

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Um den für die Wahrnehmung der genannten Verkehrskreise maßgeblichen Gesamteindruck der Produktform genau bestimmen zu können, ist es zweckmäßig und zulässig, zunächst ihre einzelnen Gestaltungselemente zu bewerten. In einem weiteren, entscheidenden Prüfungsschritt bleibt dann die Marke in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (vgl. EuGH MarkenR 2008, 475, 482, Rdn. 82 – Form einer Kunststoffflasche).

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Die für den Gesamteindruck des angegriffenen Zeichens maßgeblichen Merkmale sind in der Gehäuseform, der Ausgestaltung und Abdeckung des Ausflussrohres und in der Formgebung des Armhebels zu sehen. Soweit die Markeninhaberin in diesem Zusammenhang darüber hinaus noch auf das speziell für ihre Produkte verwendete Material hinweist, ist dieses Merkmal den Anmelde- bzw. Eintragungsunterlagen nicht zu entnehmen und kann daher im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.

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Das Gehäuse weist mit seiner rechteckigen Form eine für Flüssigkeitenspender gebräuchliche Gestaltung auf, die sowohl die Aufnahme von eckigen als auch von runden Behältern bzw. Nachfüllflaschen ermöglicht. Diese, meist aus flexiblem Kunststoffmaterial hergestellten Nachfüllflaschen werden durch das Spendergehäuse vor Beschädigung geschützt. Durch die abgeflachten Gehäuseteile werden scharfkantigen Ecken und damit Verletzungen und Schmutzablagerungen vermieden. Über das integrierte Sichtfenster kann jederzeit unkompliziert festgestellt werden, ob der Nachfüllbehälter noch eine ausreichende Flüssigkeitsmenge enthält oder ausgetauscht werden muss. Das vorhandene Schloss ermöglicht es, das Gehäuse zu verschließen und so eine unbefugte Entnahme des Nachfüllbehälters zu verhindern. Auch die Markeninhaberin hebt den genannten Aspekt ausweislich ihrer Produktbeschreibung besonders hervor (vgl. hierzu die von ihr mit Schriftsatz vom 17. November 2008 im patentamtlichen Verfahren eingereichten und als „AG 17“ bezeichneten Unterlagen). Die Auslaufblende mit ihrer ovalförmigen Aussparung umschließt das Ausflussrohr und schützt es so vor Beschädigungen, etwa aufgrund unachtsamer Bedienung oder mutwilliger Einwirkung. Wegen der hellen Ausgestaltung der Ummantelung sind Verschmutzungen in diesem hygienerelevanten Produktbereich besonders leicht wahrzunehmen. Im Übrigen sind derartige Auslaufblenden ausweislich der im Laufe des patentamtlichen Verfahrens zu den Akten gelangten Belege auch bei anderen Spendermodellen gebräuchlich. Der U-förmige, gebogene Armhebel ermöglicht eine bequeme Bedienung des Pumpmechanismus durch Unterarm oder Ellbogen. Ein direkter Kontakt mit den zu reinigenden Handflächen wird so vermieden. Die gewählte U-Form hat dabei gegenüber einer eckigen Ausführungsform den Vorteil, dass Kanten und damit die Gefahr von Verletzungen ebenso vermieden werden wie schwer zugängliche Schmutzablagerungen. Dementsprechend findet sich diese Gestaltungsform auch bei anderen Spendern, wie etwa dem Wesapon-Spender 1.000 ml (vgl. Bl. 8 der Verwaltungsakte) oder dem CWS Universalspender 1000 (vgl. Bl. 12 der Verwaltungsakte) sowie den Spendermodellen UNI 20 V und UNI 25 V von Gelzenritter (vgl. die von der Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 17. November 2008 im patentamtlichen Verfahren als „AG 10“ bezeichneten Abbildungen). Die Anordnung des Armhebels am oberen bzw. am unteren Teil des Spendergehäuses hängt vom jeweils verwendeten Pumpmechanismus ab und ist somit technisch vorgegeben. Das Anbringen der Auslauföffnung im oberen Bereich des Seifenspenders hat dabei den besonderen Vorteil, dass sie ein Nachtropfen der Spenderflüssigkeiten „ unmöglich “ macht, wie dies auch die Markeninhaberin in ihrer Produktbeschreibung betont (vgl. hierzu die von der Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 17. November 2008 im patentamtlichen Verfahren als „AG 17“ bezeichneten Unterlagen).

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Soweit das angegriffene Zeichen in Einzelheiten gewisse Abweichungen zu anderen Spendermodellen aufweist, treten diese nicht prägnant hervor, so dass es bereits fraglich erscheint, ob der Verkehr diese Unterschiede überhaupt wahrnehmen wird. Sollten die beteiligten Verkehrskreise die geringfügigen Abweichungen jedoch erkennen, werden sie diese nicht in einem herkunftskennzeichnenden Sinne werten, da sie von der allgemeinen Norm bzw. der Branchenüblichkeit nicht erheblich abweichen. Dies veranschaulicht auch die Beschreibung der Markeninhaberin in ihrer Gebrauchsmusterschrift „Spender für flüssige oder pastenförmige Stoffe“ (Veröffentlichungsnummer DE 029818211, Anmeldetag 12. Oktober 1998), in der sie ausführt: „ Am Markt bestehen verschiedene Spender, die sich ganz oder teilweise ähnlich sehen. Darüber hinaus gibt es Pumpen und Vorratsbehälter, die verwechselbar sind, obwohl sie sich in einigen Einzelheiten wesentlich voneinander unterscheiden“ . Soweit die Markeninhaberin im vorliegenden Verfahren geltend macht, dass neben Spendermodellen mit einem Gehäuse auch solche angeboten werden, bei denen die Nachfüllbehälter von außen frei zugänglich sind, werden die angesprochenen Verbraucher diesen Aspekt nur unter funktionalen Gesichtspunkten werten, nicht jedoch als betriebskennzeichnendes Merkmal.

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Die streitgegenständliche dreidimensionale Marke erschöpft sich somit in gebräuchlichen Gestaltungselementen und weicht in ihrem für die Schutzfähigkeitsprüfung maßgeblichen Gesamteindruck in keiner Hinsicht erheblich von der Norm bzw. dem Branchenüblichen ab, wie dies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich wäre. Vorhandene Abweichungen bleiben so unauffällig, dass sie für die angesprochenen Verkehrsteilnehmer allenfalls mit besonderer Aufmerksamkeit und intensiv prüfender Betrachtungsweise erkennbar sind. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die betreffenden Verbraucher das angegriffene Zeichen lediglich als Wiedergabe eines funktional ausgerichteten Produkts auffassen werden, nicht aber als betrieblichen Herkunftshinweis. Dies gilt umso mehr, als die Wahrnehmung technischer Produkte ohnehin eher funktionell ausgerichtet ist, so dass der Verkehr von vornherein dazu neigt, der Formgebung eine technische Funktion zuzuschreiben – unabhängig davon, ob diese Wertung zutreffend ist oder nicht. So wird beispielsweise ein verlängerter, gebogener Bedienungshebel dem Betrachter in erster Linie suggerieren, dass diese Gestaltung z. B. der besseren Handhabbarkeit des Produkts dienen soll.

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Der Eintragbarkeit der angegriffenen Marke stand daher zum Zeitpunkt ihrer Registrierung das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, das auch aktuell fortbesteht. Eine Überwindung dieses Schutzhindernisses durch die Durchsetzung des Zeichens im Verkehr i. S. v. § 8 Abs. 3 MarkenG hat die Markeninhaberin weder schlüssig dargetan noch war dies sonst festzustellen. So fehlt es für die Glaubhaftmachung einer Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG an der Darlegung einer entsprechend erfolgreichen, markenmäßigen Benutzung des fraglichen Zeichens (vgl. BGH GRUR 2008, 710, 711, Rdn. 23 – VISAGE, m. w. N.). Ein solcher markenmäßiger Gebrauch würde im vorliegenden Fall voraussetzen, dass das angegriffene Zeichen entsprechend der Hauptfunktion von Marken als unternehmensbezogenes Unterscheidungsmittel eingesetzt wurde. Der bloße Verkauf des Produkts stellt dagegen für sich genommen noch keine markenmäßige Benutzung dar und auch eine mögliche Bekanntheit der Ware impliziert noch nicht ihre Wahrnehmung als betriebskennzeichnender Herkunftshinweis (vgl. v. Gamm, in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 8 MarkenG, Rdn. 53 m. w. N.). Im Rahmen des Verkehrsdurchsetzungsverfahrens muss vielmehr die Glaubhaftmachung gelingen, dass ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise die Produktgestaltung als selbständigen, auf ein bestimmtes Unternehmen bezogenen Herkunftshinweis ansieht. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Zwar hat die Markeninhaberin einen hohen Marktanteil ihres Produkts geltend gemacht und hierzu auch eine Verkehrsbefragung vorgelegt. Die insoweit vorgetragenen Angaben basieren aber letztlich auf den subjektiven Vermarktungsstrategien der Markeninhaberin und orientieren sich nicht – wie dies zwingend erforderlich wäre – an den tatsächlich beteiligten Kreisen, so dass es bereits an ausreichenden Angaben zum Durchsetzungsgrad der Marke fehlt (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 405, 410). Darüber hinaus liegen keine belastbaren Angaben zu Maßnahmen vor, mit denen die verfahrensgegenständliche Marke als betriebliches Herkunftszeichen zur Geltung gebracht wurde, sowie zu den mit der Marke (also nicht lediglich mit den entsprechenden Produkten) erzielten Umsätzen oder dem für die Marke erbrachten Werbeaufwand. Bei der gebotenen Gesamtschau aller vorgelegten Unterlagen ergeben sich somit keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich das angegriffene Zeichen als markenmäßiger Hinweis auf die betriebliche Herkunft der verfahrensgegenständlichen Waren im Verkehr durchgesetzt hätte. Weitere Ermittlungen des Senats oder eine Zurückverweisung der Sache an das DPMA waren bei dieser Sachlage nicht veranlasst.

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Die Löschung der angegriffenen Marke war daher bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft anzuordnen, so dass die Frage dahingestellt bleiben kann, ob an ihrer freien Verwendung auch ein schutzwürdiges Allgemeininteresse i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen war bzw. ist.

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Die Beschwerde war zurückzuweisen. Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand keine Veranlassung (§ 71 Abs. 1 MarkenG).