Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.05.2010


BPatG 19.05.2010 - 28 W (pat) 103/09

Markenbeschwerdeverfahren – "dentalline orthodontic products (Wort-Bild-Marke)" – werbeübliche Aneinanderreihung mehrerer sachbezogener Bestandteile - werbeübliche grafische Ausgestaltung - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
28. Senat
Entscheidungsdatum:
19.05.2010
Aktenzeichen:
28 W (pat) 103/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 80 864.5

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 19. Mai 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Schell

beschlossen

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wort-Bildmarke

Abbildung

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als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 5 und 10

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„Dentalprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten; Arzneimittel für zahnärztliche Zwecke;

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zahnärztliche Apparate und Instrumente für Dentalzwecke“.

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Die Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Angabe „ dentalline “ stelle einen glatt beschreibenden Hinweis dar, mit dem auf die Art und Zweckbestimmung der beanspruchten Dentalprodukte hingewiesen werde. In diesem Sinne werde die Wortfolge „Dental Line“ auch bereits im Verkehr verwendet. Der angemeldeten Marke fehle in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, zumal sich ihre grafische Ausgestaltung völlig im Rahmen der üblichen, werbegraphischen Ausgestaltungsvarianten halte. Bei dieser Sachlage bedürfe es keiner Feststellungen dazu, ob die Anmeldung auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückzuweisen sei.

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Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, der angemeldeten Wort-Bildmarke könnten keine absoluten Schutzhindernisse entgegengehalten werden, zumal im Hinblick auf die notwendige Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab angelegt werden müsse und bereits ein Minimum an Unterscheidungskraft ausreichend sei. Dass die angemeldete Marke das notwendige Maß an Unterscheidungskraft aufweise ergebe sich bereits aus ihrer grafischen Gestaltung, die hinreichend eigentümliche und prägnante Merkmale aufweise. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten an unterschiedlichen bildlichen Gestaltungsmöglichkeiten, scheide auch ein schutzwürdiges Freihaltungsinteresse der hier gewählten grafischen Variante aus. Im Übrigen sei eine vergleichbare Wort-Bildmarke aktuell vom Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen worden. Vor diesem Hintergrund müsse auch die angemeldete Marke zur Eintragung zugelassen werden.

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Zur Vorbereitung einer Entscheidung hat der Senat der Anmelderin Fundstellen zur Sprachüblichkeit des Wortbestandteils „ dentalline “ übermittelt und mit den rechtlichen Grundsätzen zur schutzbegründenden Wirkung grafischer Markengestaltungen konfrontiert. Die Anmelderin hat sich hierzu nicht geäußert, sondern sinngemäß eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

9

Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der beantragten Eintragung der angemeldeten Marke steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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Die absoluten Schutzhindernisse sind darauf ausgerichtet, die schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit, und dabei vor allem auch die Interessen der Mitbewerber am Erhalt eines ausreichenden Gestaltungsfreiraums und die berechtigten Individualinteressen der Anmelder an der Erlangung von Markenschutz miteinander in Einklang zu bringen. Um dieser Zielsetzung zu entsprechen, müssen die absoluten Schutzhindernisse in der markenrechtlichen Prüfung unter Berücksichtigung des ihnen jeweils konkret zugrunde liegenden Allgemeininteresses ausgelegt werden. Das im Zusammenhang mit dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu berücksichtigende Allgemeininteresse besteht darin, ungerechtfertigte Markeneintragungen zu vermeiden. Mit diesem Ausschlusstatbestand soll sichergestellt werden, dass nur solche Zeichen der ungehinderten Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft entzogen werden, die tatsächlich die markenrechtliche Herkunftsfunktion erfüllen können (EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2; EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634, Rdn. 48 - Dreidimensionale Tablettenform I; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - Libertel; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 – BRAVO). Die Herkunftsfunktion einer Marke besteht darin, die mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennbar und dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH MarkenR 2006, 19, 22, Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR Int. 2005, 135, Rdn. 19 – Maglite; BGH GRUR 2009, 411, Rdn. 18 – STREETBALL ). Obwohl Marken daneben auch noch weitere rechtlich geschützte Funktionen ausüben, ist die Herkunftsfunktion nach ständiger Rechtsprechung als ihre Hauptfunktion anzusehen (vgl. EuGH GRUR 2009, 756, 761, Rdn. 58 – L’Oréal ; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 27 – BioID; BGH GRUR 2008, 710, Rdn. 12 - VISAGE ). Die Eintragung einer Marke kommt somit nur dann in Betracht, wenn ein Zeichen die notwendige Unterscheidungskraft aufweist, um diese Herkunftsfunktion erfüllen zu können (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - Arsenal Football Club; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 – BRAVO; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 – FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Auf diese Weise sollen negative Auswirkungen von Markeneintragungen auf den freien Wettbewerb verhindert und das angestrebte Maß an Chancengleichheit für die Mitbewerber gewährleistet werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 Rdn. 26 – SAT.2).

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Keine Unterscheidungskraft besitzen Zeichen oder Angaben mit einem unmittelbar beschreibenden Begriffsgehalt, der von den angesprochenen Verkehrskreisen im Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen ohne weiteres erfasst werden kann (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Darüber hinaus ist die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Zeichen oder Angaben abzusprechen, die zwar nicht unmittelbar konkrete Produktmerkmale der fraglichen Waren oder Dienstleistungen benennen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Produkten oder Leistungen hergestellt wird (EuGH GRUR RR 2008, 47, Rdn. 32 – map&guide ; BGH GRUR 2009, 411, Rdn. 9 – STREETBALL ; BGH GRUR 1998, 465, 468 – BONUS ). Bei der Prüfung, ob eine angemeldete Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, ist immer auf ihren Gesamteindruck abzustellen, wobei es allerdings bei Kombinationsmarken, wie dem vorliegenden Wort-Bildzeichen, zweckmäßig und zulässig ist, zunächst ihre einzelnen Bestandteile zu bewerten. Auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen ist dann in einem weiteren Prüfungsschritt die Marke in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (vgl. EuGH, MarkenR 2007, 204, 209, Rdn. 79 - Celltech; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 – BioID; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 28 - SAT.2).

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Bei dem Wortbestandteil „ dentalline “ handelt es sich um eine sprachüblich gebildete Wortverbindung, deren Bestandteil „dental“ als Kurzwort mit dem Bedeutungsgehalt „die Zähne betreffend“ allgemein bekannt und lexikalisch nachweisbar ist (vgl. hierzu etwa unter Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM]). Der weitere Wortteil „line“ ist sowohl im Englischen wie auch in der inländischen Fach- und Werbesprache i. S. v. „Produktlinie, Sortimentslinie, Produktreihe“ allgemein bekannt. Üblicherweise wird dieses Wortbildungselement mit einer weiteren, vorangestellten Sachangabe kombiniert, um entsprechende Produkthinweise zu vermitteln (vgl. hierzu etwa die Entscheidung des erkennenden Senats BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 137/01 – dental excellence). Zu den im vorliegenden Fall maßgeblichen Verkehrskreisen gehören wegen der Art der beanspruchten Waren vornehmlich Fachpublikum wie Zahnärzte oder Dentaltechniker. Diese Verkehrskreise werden die fragliche Wortkombination ohne weiteres Nachdenken als sprachüblich gebildeten Hinweis auf eine dentale Produktlinie bzw. ein entsprechendes Produktsortiment auffassen. Dass der Wortbestandteil „ dentalline “ in jeder Hinsicht den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten auf dem hier einschlägigen Produktsektor entspricht, veranschaulichen zwei - lediglich beispielhaft ausgewählte – Fundstellen, die der Anmelderin mit dem gerichtlichen Zwischenbescheid vom 1. März 2010 übermittelt wurden. So fasst etwa die Firma G… ihr Sortiment an Dentalprodukten unter dem Begriff „ Dental Linie “ zusammen (vgl. unter http://www.aha-dental.de/index.php?id=38) und die Techniker Krankenkasse ordnet in einer Internetveröffentlichung ihre unterschiedlichen Tarife für zahnmedizinische Leistungen unter dem Oberbegriff „ Produktlinie Dental “ ein (vgl. unter http://www.tk-online.de/tk/wahltarife-und-zusatzversicherung/zahnersatz/produktlinie-dental/139160). In beiden Belegen werden die genannten Formulierungen dabei ersichtlich nicht in kennzeichnender Weise, sondern beschreibend verwendet.

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Der weitere Markenbestandteil „orthodontic products“ trägt aufgrund seines für das angesprochene Publikum ohne weiteres erkennbaren, beschreibenden Bedeutungsgehalts „kieferorthopädische Produkte“ ebenfalls nichts zur Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens bei. Vielmehr werden die angesprochenen Verbraucher die Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens insgesamt lediglich als werbeübliche Aneinanderreihung mehrerer sachbezogener Bestandteile ansehen, mit der auf die fachspezifische Ausrichtung einer dentalen Produktlinie hingewiesen werden soll.

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Entgegen der Ansicht der Anmelderin bewirkt auch die grafische Gestaltung der Marke keinen schutzfähigen Gesamteindruck. Insoweit ist zunächst der markenrechtliche Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Wortbestandteil eines Zeichens gegenüber seiner grafischen Gestaltung für die angesprochenen Verbraucher umso nachdrücklicher in den Vordergrund drängt, je unmittelbarer die durch ihn vermittelte Sachaussage hervortritt (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 – anti KALK ; BPatG GRUR 1996, 410, 411 – Color COLLECTION; BPatGE 38, 239, 243 ff. - Jean's). Angesichts des eindeutigen Warenbezugs der Wortbestandteile der verfahrensgegenständlichen Marke wäre deshalb im vorliegenden Fall eine prägnante grafische Gestaltung erforderlich, um von dem beschreibenden Aussagegehalt ihrer Wortelemente wegzuführen und das Zeichen zu einem unterscheidungskräftigen, betrieblichen Herkunftshinweis zu machen (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdn. 127). Die gewählte Bildgestaltung ist jedoch als völlig werbeübliche Gebrauchsgrafik zu werten, wie sie den Verbrauchern seit langem vertraut ist. Der konkrete, in zwei unterschiedlichen Farben wiedergegebene Schrifttyp und die grammatikalisch inkorrekte Kleinschreibung der einzelnen Wörter sowie das in Grün gehaltene Dreieck entsprechen sowohl für sich genommen als auch in ihrer Kombination dem allgemein bekannten Werbestandard. Aufgrund der Fülle an Informationen in den Medien werden Sachaussagen und Werbebotschaften erfahrungsgemäß von den Konsumenten immer weniger wahrgenommen. Das Werbedesign hat deshalb für den Bereich der visuellen Kommunikation einfache grafische Mittel entwickelt, mit denen Kurztexte ohne besonderen Aufwand bildlich gegliedert und optisch hervorstechend gestaltet werden können. Bei den aufgeführten, in der angemeldeten Marke verwendeten Grafikelementen handelt es sich um solche grundlegenden Stilmittel, mit denen der durch die Wortbestandteile verkörperte Bedeutungsgehalt für den Verkehr leicht wahrnehmbar gestaltet werden soll. Dies mag im vorliegenden Fall durchaus gelungen sein - den markenrechtlichen Anforderungen an eine Bildgestaltung, die den produktbeschreibenden Charakter der Wortbestandteile quasi „aufhebt“ und dem Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft vermittelt, genügen derart einfache Gestaltungselemente jedoch nicht.

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Das Zeichen verfügt somit nicht über die Eignung, die markenrechtliche Herkunftsfunktion erfüllen zu können.

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Die Beschwerdeführerin beruft sich auch ohne Erfolg auf die aktuelle Voreintragung einer ihrer Ansicht nach vergleichbaren Wort-Bildmarke mit dem Wortbestandteil „ dentalline “, für eine Reihe unterschiedlicher Produkte wie z. B. „Haarwässer, Hautpflegemittel, Waschmittel, Sonnenschutzmittel, Babykost; Pflaster, Fungizide; Herbizide, Arzneimittel für die Behandlung von Harninkontinenz, Herzerkrankungen, künstliche Gliedmaßen und Augen“. Voreintragungen haben generell keinerlei Bindungswirkung für die Beurteilung der absoluten Schutzhindernisse im konkreten Einzelfall. Die Schutzfähigkeit einer Marke ist nur auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben und nicht etwa (auch) anhand einer möglicherweise einschlägigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (vgl. EuGH MarkenR 2009, 478, 484, Rdn. 57 – American Clothing). Dies gilt sogar selbst für den Extremfall, dass die identische Marke für denselben Anmelder bereits einmal für schutzfähig erachtet und eingetragen wurde, wie dies der BGH klargestellt hat (vgl. BGH GRUR 2009, 411, 412, Rdn. 14 – STREETBALL ). Der Umstand, dass Voreintragungen - zu Recht oder zu Unrecht – erfolgt sind, kann lediglich in die umfassende Schutzfähigkeitsprüfung des konkreten Einzelfalls miteinbezogen werden (vgl. EuGH MarkenR 2009, 201 – Schwabenpost; BGH GRUR 2009, 778, 779, Rdn. 18 – Willkommen im Leben). In diesem Sinne hat der Senat bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Zeichens die von der Anmelderin angeführte Voreintragung berücksichtigt, ohne dass sich hieraus jedoch schutzfähigkeitsbegründende Gesichtspunkte ergeben hätten. Das Unverständnis der Anmelderin über diese „Ungleichbehandlung“ ist zwar nachzuvollziehen - die Eintragung der fraglichen, im Übrigen für Dentalprodukte sicherlich löschungsreifen Marke, kann aber nahe liegender Weise nicht die Schutzfähigkeit des hier verfahrensgegenständlichen Zeichens bewirken.

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Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.