Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.01.2012


BPatG 10.01.2012 - 27 W (pat) 99/11

Markenbeschwerdeverfahren – "music line.de (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
10.01.2012
Aktenzeichen:
27 W (pat) 99/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 030 909.1

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. Januar 2012 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juli 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I

1

Die am 26. Mai 2010 für

2

9: Bespielte Tonträger und Bildträger; herunterladbare Bild-, Musik- und Videodateien; Computersoftware;

3

37:  Installation, Instandhaltung und Aktualisierung von Image-, Audio und Videoservern;

4

38:  Telekommunikation; Betrieb einer Internetplattform zum Zweck des Handels mit Musik und Videos; Bereitstellung von Musik- und Unterhaltungsportalen im Internet; Betrieb einer Suchmaschine für Musik und Videos; Zurverfügungstellung des technischen Zugriffs auf Ton-, Bild-, Bildton- und Datenträger, Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken;

5

41:  Musik- und Unterhaltungsportale im Internet; Unterhaltung; Musik zum Reinhören im Internet;

6

42:  Erstellen von Computer-Software und elektronischen Sicherheitstechnologien für Internetanwendungen; Beratung über Internet-Anwendungen; Installation, Instandhaltung und Aktualisierung von Datenbanksoftware

7

angemeldete Wort-/Bildmarke

Abbildung

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8

hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 29. Juli 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

9

Zur Begründung ist ausgeführt, das Zeichen beschreibe Art und Thema der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

10

Die graphische Gestaltung der angemeldeten Wort-/Bildmarke führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Kästen mit reverser Schrift seien durchaus gebräuchlich.

11

Gegen diese ihr am 5. August 2011 zugestellte Entscheidung hat die Anmelderin am 25. August 2011 Beschwerde erhoben, mit der sie beantragt,

12

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Juli 2011 aufzuheben und die Eintragung der Marke DE 30 2010 030 909 zu verfügen.

13

Zur Begründung verweist sie auf den englischsprachigen Charakter des mehrdeutigen Zeichens.

II

1)

14

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG entgegen.

a)

15

Die angemeldete Marke entbehrt in ihrer Gesamtheit nicht jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

16

Bei Marken, die aus Wort- und Bildbestandteilen kombiniert sind, hat sich die Prüfung der Schutzfähigkeit auch darauf zu erstrecken, ob die Marke in ihrer Gesamtheit den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (vgl. BGH BlPMZ 2001, 397 - antiKalk) und so geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie von denjenigen anderer zu unterscheiden.

17

Dass dem Wort „musicline“ - auch in der Form einer Internetadresse „musicline.de“ - für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft zukommt, hat die Markenstelle zutreffend dargestellt. Darauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Der englischsprachige Charakter ändert daran nichts, zumal die einfachen englischen Wörter „music“ und „line“ den deutschen Entsprechungen „Musik“ und „Linie“ weitgehend ähneln und auch vom deutschen Publikum ohne weiteres verstanden werden.

18

Die Gestaltung der Wort-/Bildmarke weist aber eine den Schutz begründende Komplexität auf. Die für eine Internetadresse ungewöhnliche zweizeilige Anordnung der weißen Schrift in einem dunklen Quadrat mit den sich außerhalb dieses Kastens befindlichen Punkten des i und der Internetadressen-Endung .de wirken in ihrer Gesamtheit hinreichend eigentümlich, um sich dem Publikum als betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen.

b)

19

Die Marke ist jedenfalls genau in der konkreten Gestaltung mit der graphischen Merkmalskombination, in der sie beansprucht wird, auch nicht freihaltungsbedürftig i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

20

Damit kann der verfahrensgegenständlichen Marke ein - wenngleich eher geringer - Schutz letztlich nicht abgesprochen werden.

21

Dem stehen auch Belange der Allgemeinheit (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607, Rdn. 51 - Libertel) nicht entgegen, weil der Schutz der Marke auf die ganz konkrete Ausgestaltung beschränkt ist, also insbesondere nicht gegenüber Kennzeichnungen oder sonstigen Angaben besteht, welche zwar ebenfalls den Wortbestandteil „musicline“ enthalten, aber nicht die konkrete graphische Ausgestaltung der Marke der Anmelderin aufweisen. Vielmehr steht eine Verwendung des Wortes in veränderter Gestaltungsform der Markenelemente der Allgemeinheit weiterhin offen.

2)

22

Zu einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG besteht kein Anlass, da die Wertung der graphischen Ausgestaltung durch die Markenstelle nicht willkürlich erscheint.