Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 25.11.2015


BPatG 25.11.2015 - 27 W (pat) 84/14

Markenbeschwerdeverfahren – "JumboLotto" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
25.11.2015
Aktenzeichen:
27 W (pat) 84/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 058 934.3

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 25. November 2015 durch die Vorsitzende Richterin Kortge, den Richter Hermann und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 13. November 2013 erfolgte Anmeldung des Wortzeichens 30 2013 058 934.3

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JumboLotto

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hat die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) mit Beschluss vom 16. September 2014 nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen, nämlich für die folgenden Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 28: Rubbellose für Lotteriespiele; Geldspielautomaten; Lotteriespiele; Gegenstände für die Durchführung von Lotterien, nämlich Glücksspieltrommeln und -ziehgeräte; elektrische oder elektronische Spiele; Spielkarten;

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Klasse 35: Wirtschaftliche und/oder organisatorische Beratung im Zusammenhang mit Lotterie- und anderen Geld- oder Glücksspielen; Werbung; Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Teilnahme an Lotterien und Spielgemeinschaften; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den Verkauf von Lotteriescheinen;

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Klasse 36: Beratung in finanzieller Hinsicht von Lotterie- und anderen Geld- oder Glücksspielen;

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Klasse 41: Durchführung von Spielen im Internet; Glücksspiele; online angebotene Spieldienstleistungen [von einem Computernetzwerk]; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Lotterien und anderen Geld- oder Glücksspielen; Verteilung von Lotterielosen und sonstigen Teilnahmeunterlagen; Veranstaltung und Durchführung von Glücksspielen im Wege der Telekommunikation, insbesondere über das Internet; Organisation und Durchführung von Rundfunk-, Fernseh- und sonstigen Unterhaltungsveranstaltungen; Vermittlung von Lotteriescheinen; Vermittlung von Lotteriespielen.

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Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das angemeldete Wortzeichen in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Angabe enthalte, die auf deren Art, Thema und Zweckbestimmung hinweise. Den Begriff „JumboLotto“ werde der Verkehr dahingehend verstehen, dass es sich um Waren und Dienstleistungen handele, die mit einem besonders großen Lotteriespiel zu tun hätten, etwa mit außergewöhnlich hohen Gewinnchancen oder vielen Teilnehmern. Die Wortkombination sei sprachüblich aus Wörtern der deutschen Alltagssprache zusammengesetzt, nämlich „Jumbo“ für etwas sehr Großes, Riesiges und „Lotto“ für ein Glücksspiel, und werde daher von den angesprochenen breiten Verkehrskreisen unmittelbar in diesem Sinne verstanden. Alle in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen könnten entweder selbst (elektronische) Glücksspiele sein, diese ermöglichen oder sich thematisch damit beschäftigen. Dabei müsse nicht genau definiert werden, was unter den Begriff eines besonders großen Lotteriespiels falle. Eine gewisse Unschärfe des angemeldeten Markenbegriffs führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Aus dem Zusammenhang ergebe sich, worum es sich thematisch handele, ohne dass der Begriff einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen gebe.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des DPMA vom 16. September 2014 aufzuheben.

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Sie vertritt die Ansicht, das Anmeldezeichen „JumboLotto“ sei ein phantasievolles Wortgebilde, dem ein eindeutiger Sinngehalt nicht zu entnehmen sei. Der Wortbestandteil „Jumbo“ weise mehrere Bedeutungen auf. Das Wortelement „Jumbo“ sei die Kurzform von Jumbo-Jet, einem Großraumflugzeug (www.duden.de). Eine Recherche auf www.wikipedia.org belege u. a., dass „Jumbo“ auf einen im 19. Jahrhundert bekannten Elefanten, eine Musical-Zirkus-Revue aus dem Jahr 1935, einen Pfandbrief mit einem Emissionsvolumen von mehr als einer … Euro oder einen Schweizer Baumarkt hinweisen könne. Der weitere Wortbestandteil „Lotto“ sei eine Art der Lotterie. Somit könnten die angesprochenen Verkehrskreise „JumboLotto“ als elefantengroßes Lotto oder Elefanten-Lotto, Großraumflugzeug-Lotto, Baumarkt-Lotto oder Pfandbrief-Lotto verstehen und dementsprechend keinen eindeutigen Sinngehalt für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen entnehmen.

II.

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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

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1. Da der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen worden ist und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 MarkenG).

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2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Markenstelle dem angemeldeten Wortzeichen „JumboLotto“ die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt.

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a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik];; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 8 - Link economy). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. - Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2014, 569, 570 Rdnr. 10 – HOT). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872, 874 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops).

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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt dem Anmeldezeichen für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft.

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Die beanspruchte Bezeichnung setzt sich sprachüblich aus zwei Begriffen der deutschen Alltagssprache zusammen, nämlich „Jumbo“ und „Lotto“.

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aa) Das aus der englischen Sprache in den deutschen Sprachgebrauch eingegangene Wort „Jumbo“ bedeutet „sehr, außergewöhnlich groß, riesig“ bzw. „Riesen-“ bei Menschen, Tieren oder Gegenständen (www.dict.cc; http://de.pons.com). Es ist die Kurzform für Jumbo-Jet, ein Großraumflugzeug (www.duden.de). Ferner war es der Name eines zwischen 1865 und 1882 im Londoner Zoo gehaltenen Elefantenbullens. Mit Jumbo werden u. a. aber auch bezeichnet eine Musical-Zirkus-Revue aus dem Jahr 1935, ein Pfandbrief mit einem Emissionsvolumen von mehr als einer … Euro und ein Schweizer Baumarkt (www.wikipedia.org).

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bb) Das Substantiv „Lotto“ bezeichnet eine „Art der Lotterie, bei der einzelne Zahlen aus einer begrenzten Anzahl ausgelost und die Gewinne nach der Anzahl der richtig angekreuzten Nummern gestaffelt werden; Zahlenlotto“ oder ein Gesellschaftsspiel, bei dem Tafeln mit Bildern oder Zahlen durch die zugehörigen einzelnen (wahllos aus einem Beutel gezogenen und ausgerufenen) Karten zugedeckt werden müssen“ (www.duden.de). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dient das Wort „Lotto“ dazu, ein bestimmtes Glücksspiel zu bezeichnen. Dabei kann zwischen einer allgemeinen und einer konkreten Bedeutung des Begriffs unterschieden werden. Der allgemeine Begriff „Lotto” - beispielsweise in zusammengesetzten Wörtern wie Zahlenlotto und Bilderlotto - bezeichnet ein Spiel, dessen Ausgang vor allem vom Glück abhängt. Demgegenüber weist der Begriff bei konkreter Verwendung auf ein Glücksspiel hin, bei dem der Spieler mit einem finanziellen Einsatz auf eine bestimmte Zahl setzt. Auch dieser Form des Lottos ist es eigen, dass das Ergebnis nicht durch Geschick oder Erfahrung beeinflusst werden kann (BGH GRUR 2006, 760, 762 Rdnr. 14 – LOTTO).

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cc) Innerhalb der werbeüblichen Kombination der beiden Wortbestandteile verstehen sowohl der angesprochene Durchschnittsverbraucher als auch die Fachkreise, dass sich „Jumbo“ im Sinne von „sehr oder außergewöhnlich groß, riesig“ adjektivisch auf das Glücksspiel „Lotto“ bezieht und dieses näher beschreibt. Dem Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit kommt daher für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise bereits zum Anmeldezeitpunkt ausschließlich der naheliegende Bedeutungsgehalt „sehr bzw. außergewöhnlich großes Lotteriespiel“ zu, also entweder ein Lotteriespiel mit besonders hohen Gewinnchancen und/oder mit einer riesigen Teilnehmerzahl.

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dd) Wie schon der BGH in der LOTTO-Entscheidung (BGH GRUR 2006, 760) festgestellt hat, stellt „Lotto“ als allgemein bekannte Bezeichnung eines Glücksspiels eine Sachangabe dar für die Waren „Spielkarten; Lotteriespiele; Gegenstände für die Durchführung von Lotterien, nämlich Glücksspieltrommeln und -ziehgeräte; elektrische oder elektronische Spiele;“ sowie für die Dienstleistungen „Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Lotterien und anderen Geld- und Glücksspielen; Verteilung von Lotterielosen und sonstigen Teilnahmeunterlagen; Beratung in wirtschaftlicher und/oder organisatorischer Hinsicht von Lotterie- und anderen Geld- und Glücksspielern; Veranstaltung und Durchführung von Glücksspielen im Wege der Telekommunikation, insbesondere über Internet; Organisation von Rundfunk-, Fernseh- und sonstigen Unterhaltungsveranstaltungen; Beratung in finanzieller Hinsicht von Lotterie- und anderen Geld- und Glücksspielern“ (BGH a. a. O. - LOTTO) und ist deshalb nicht schutzfähig. Die damit vollständig oder im Wesentlichen damit übereinstimmenden zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen im vorliegenden Verfahren werden in gleicher Weise, ergänzt um den Zusatz „außergewöhnlich groß“, durch das Anmeldezeichen „JumboLotto“ unmittelbar beschrieben.

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Für die übrigen zurückgewiesenen Waren der Klasse 28 „Rubbellose für Lotteriespiele; Geldspielautomaten“ sowie die Dienstleistungen der Klasse 35 „Vermittlung von Verträgen für Dritte über die Teilnahme an Lotterien und Spielgemeinschaften; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den Verkauf von Lotteriescheinen“ gibt die angemeldete Wortkombination nur deren Art, Gegenstand oder Bestimmungszweck an. Dasselbe gilt für die übrigen versagten Dienstleistungen der Klasse 41 „Glücksspiele; online angebotene Spieldienstleistungen [von einem Computernetzwerk]; Vermittlung von Lotteriescheinen; Vermittlung von Lotteriespielen“. Was die in Klasse 35 zurückgewiesene Dienstleistung „Werbung“ betrifft, ist zwar die Angabe des beworbenen Objektes keine Sachangabe für die Dienstleistung selbst, weil Werbung sachunabhängig für jede Art von Gegenstand oder Dienstleistung erbracht werden kann. Werbedienstleistungen werden jedoch durch das Werbemedium, die Zielgruppe oder die Branche, an die sie sich richten, beschrieben (BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 24 – My World) und vorliegend weist die Wortkombination „JumboLotto“ auf die große Lotterie- bzw, Glücksspielbranche hin.

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Das angesprochene allgemeine Publikum wird die Wortkombination „JumboLotto“ daher in Verbindung mit den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen nur als einen werbeanpreisenden Hinweis auf ein Lotterie- oder Glücksspiel mit außergewöhnlich hohen Gewinnchancen und/oder mit einer außergewöhnlich hohen Teilnehmerzahl, nicht aber als individualisierendes Betriebskennzeichen wahrnehmen.