Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.04.2015


BPatG 20.04.2015 - 27 W (pat) 78/13

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Prager Philharmoniker KSO" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis – keine bösgläubige Markenanmeldung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
20.04.2015
Aktenzeichen:
27 W (pat) 78/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke Nr. 306 77 768 – S 30/13 Lösch

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Hermann und der Richterin Werner

beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 19. Dezember 2006 angemeldete Wortmarke 306 77 768

2

Prager Philharmoniker KSO

3

wurde am 1. März 2007 in das Markenregister eingetragen für die Waren und Dienstleistungen

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Klasse 9:

5

Ton-, Daten- und Bildträger aller Art (soweit in Klasse 09 enthalten), insbesondere Tonbänder, Kassetten, Compact Discs, DVD, Schallplatten, DAT-Bänder, Videobänder, Disketten, CD-ROMs, sämtliche vorstehenden Waren in bespielter Form

6

Klasse 35:

7

Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Werbung; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); Werbemittlung, nämlich Werbevermarktung und Vermittlung von Werbeverträgen für Dritte; Sponsoring in Form von Werbung; Vermietung von Werbeflächen, auch im Internet; Online Werbung in einem Computernetzwerk; Herausgabe von Werbetexten; Marketing und Verkaufsförderung für Dritte, Imagewerbung auf Kollektionen und Accessoires; Merchandising; Geschäftsführung; Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen für wirtschaftliche und Werbezwecke (soweit in Klasse 35 enthalten); Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von e-commerce und über das Internet; Waren- und Dienstleistungspräsentationen; Vermittlung von Handels- und Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Werbung im Internet für Dritte; Geschäftsführung für darstellende Künstler; Herausgabe von Druckerzeugnissen, auch in elektronischer Form für Werbezwecke

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Klasse 41:

9

Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Planung, Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Konferenzen, Kongressen, Symposien, Seminaren, Kolloquien, Tagungen, Veranstaltungen, Ausstellung und Märkten zu kulturellen, bildenden, unterhaltenden und/oder zu Unterrichtszwecken; Planung, Organisation und Durchführung von (Live-) Veranstaltungen, insbesondere von Theateraufführungen, Bällen, Konzerten, kulturellen Veranstaltungen, künstlerischen Darbietungen und Musikdarbietungen, insbesondere solchen von Chören und Orchestern, insbesondere von Symphonie-, Konzert- und Kammerorchestern und deren Einzelmusikern (soweit in Klasse 41 enthalten); Dienstleistungen von Unterhaltungskünstlern; Fernsehunterhaltung; Rundfunkunterhaltung; Informationen über vorgenannte Veranstaltungen; Platzreservierungen für vorgenannte Veranstaltungen; Eintrittskartenvor- und Eintrittskartenverkauf für vorgenannte Veranstaltungen; Komponieren von Musik; Betrieb von Tonstudios; Vermietung von Musikinstrumenten; Herausgabe und Publikationen von Druckereierzeugnissen eines Verlages (ausgenommen für Werbezwecke), insbesondere von Büchern, Fachbüchern und Fachzeitschriften, Noten und Notationen, Fotos, Fotoalben, Fotobüchern, Fotografien, Fotogravuren, auch in elektronischer Form, auch im Internet, soweit in Klasse 41 enthalten; Erziehung; Ausbildung; musikalischer Unterricht sowie musikalische Aus- und Fortbildung, insbesondere in Form von theoretischem und praktischem Musik- und Gesangsunterricht, insbesondere Instrumentendemonstrationen, Proben und Workshops; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexten).

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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22. Januar 2013 die teilweise Löschung dieser Eintragung für die Waren und Dienstleistungen

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Klasse 9:

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Ton-, Daten- und Bildträger aller Art (soweit in Klasse 09 enthalten), insbesondere Tonbänder, Kassetten, Compact Discs, DVD, Schallplatten, DAT-Bänder, Videobänder, Disketten, CD-ROMs, sämtliche vorstehenden Waren in bespielter Form Klasse 35: Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); Geschäftsführung für darstellende Künstler; Herausgabe von Druckerzeugnissen, auch in elektronischer Form für Werbezwecke; Klasse 41: Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Planung, Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Konferenzen, Kongressen, Symposien, Seminaren, Kolloquien, Tagungen, Veranstaltungen, Ausstellungen und Märkten zu kulturellen, bildenden, unterhaltenden und/oder zu Unterrichtszwecken; Planung, Organisation und Durchführung von (Live-)Veranstaltungen, insbesondere von Theateraufführungen, Bällen, Konzerten, kulturellen Veranstaltungen, künstlerischen Darbietungen und Musikdarbietungen, insbesondere solchen von Chören und Orchestern, insbesondere von Symphonie-, Konzert- und Kammerorchester und deren Einzelmusikern (soweit in Klasse 41 enthalten); Dienstleistungen von Unterhaltungskünstlern; Fernsehunterhaltung; Rundfunkunterhaltung; Informationen über vorgenannte Veranstaltungen; Platzreservierungen für vorgenannte Veranstaltungen; Eintrittskartenvor- und Eintrittskartenverkauf für vorgenannte Veranstaltungen; Komponieren von Musik; Betrieb von Tonstudios; Vermietung von Musikinstrumenten; Herausgabe von Publikationen von Druckereierzeugnissen eines Verlages (ausgenommen für Werbezwecke), insbesondere von Büchern, Fachbüchern und Fachzeitschriften, Noten und Notationen, Fotos, Fotoalben, Fotobüchern, Fotografien, Fotogravuren, auch in elektronischer Form, auch im Internet, soweit in Klasse 41 enthalten; Erziehung; Ausbildung; musikalischer Unterricht sowie musikalische Aus- und Fortbildung, insbesondere in Form von theoretischem und praktischem Musik- und Gesangsunterricht, insbesondere Instrumentendemonstrationen, Proben und Workshops; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexten)

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gemäß § 50 Abs. 1 und 2 MarkenG i. V. m. § 8 MarkenG beantragt.

14

Nachdem die Markeninhaberin dem Antrag rechtzeitig widersprochen hatte, hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA den Löschungsantrag durch Beschluss vom 23. September 2013 zurückgewiesen, da die eingetragene Marke aufgrund ihres Bestandteils KSO weder unmittelbar zur Bezeichnung von Merkmalen der eingetragenen Waren und Dienstleistungen dienen könne noch jeglicher konkreter Unterscheidungskraft entbehre. Die Marke „Prager Philharmoniker KSO“ in ihrer Gesamtheit beschreibe keine Eigenschaften, insbesondere nicht die geografische Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Zwar spreche viel dafür, dass die Bestandteile „Prager“ sowie „Philharmoniker" zur Beschreibung der geografischen Herkunft der Dienstleistungen und des Inhaltes derjenigen Waren und Dienstleistungen, bezüglich derer die Löschung des Zeichens beantragt worden ist, geeignet und deshalb freihaltebedürftig seien. Eine Verkehrsdurchsetzung des Bestandteils „Prager Philharmoniker" zugunsten des Markeninhabers sei den vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend glaubhaft zu entnehmen. Die angegriffene Marke enthalte jedoch den zusätzlichen Bestandteil KSO, der die Marke schutzfähig mache, da er keine Merkmale beschreibe. Bei KSO handele es sich nicht um eine übliche Abkürzung. Sie sei weder im Duden noch im Wörterbuch der Abkürzungen, zu finden sei es für „Katholische Schulorganisation Deutschlands". Zwar werde KSO als Abkürzung für die Bezeichnung „Kammersinfonieorchester" verwendet, allerdings sei das im Beispielsfall neben der Abkürzung erklärt. Hier würde durch die weiteren Bestandteile der angegriffenen Marke „Prager Philharmoniker" nicht verständlich gemacht, wofür KSO stehen solle.

15

Der Marke mangele es in ihrer Gesamtheit auch nicht an Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Die Löschungsantragstellerin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde erhoben. Über die Argumentation mangelnder Unterscheidungskraft aufgrund blossen Hinzufügens der Abkürzung KSO hinaus macht sie geltend, die Marke sei auch deswegen löschungsreif, weil sie bösgläubig angemeldet worden sei. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Löschungsabteilung aufzuheben und die angegriffene Marke wie beantragt teilweise zu löschen.

18

Der Beschwerdegegner beantragt,

19

die Beschwerde zurückzuweisen.

20

Das Zeichen sei jedenfalls mit dem Bestandteil KSO unterscheidungskräftig.

21

Die Parteien streiten in einem Zivilverfahren um Unterlassung der Bewerbung von Konzertveranstaltungen durch die Beschwerdeführerin mit „Prager Philharmoniker / Philharmonie“ und etwaige Schadenersatzansprüche des Markeninhabers. Das Landgericht hat einen Antrag auf Aussetzung im Hinblick auf vorliegenden Löschungsantrag zurückgewiesen, da diesem keine überwiegenden Erfolgsaussichten beizumessen sei: „Es trifft entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu, dass die Klagemarken rein beschreibend, freihaltebedürftig und nicht unterscheidungskräftig sind. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, Waren oder Dienstleistungen als von einem konkreten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dabei kann in der Kombination eines allgemein gebräuchlichen und beschreibenden Begriffs wie “Philharmoniker“ und einer geografischen Angabe („Prager“) ein Unterscheidungsmittel verstanden werden (BPatG BeckRS 2009, 29872 – Stadtwerke Dachau). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es in einzelnen Städten regelmäßig nicht unbestimmt viele Sinfonieorchester wie die Philharmoniker gibt, sondern nur sehr wenige, weshalb dies der Unterscheidungskraft nicht entgegen steht. Daher ist der Begriff „Prager Philharmoniker“ auch nicht rein beschreibend. Hierbei ist zu beachten, dass es auf die Gesamtbetrachtung des Zeichens und nicht auf einzelnen Bestandteile ankommt.“

II.

22

Die zulässige Beschwerde der Löschungsantragstellerin bleibt ohne Erfolg. Der binnen der Frist von 10 Jahren seit der Eintragung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG) gestellte und auch im Übrigen der zulässige Löschungsantrag hat keinen Erfolg, da nicht festgestellt werden kann, dass die angegriffene Marke entgegen § 8 i. V. m. § 50 Abs. 1 MarkenG eingetragen worden ist (s. zudem § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

23

Die Markenabteilung hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Registrierung der angegriffenen Marke aufgrund des zusätzlichen Bestandteils KSO § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen stand.

24

Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428). Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 25 - Windsurfing Chiemsee). § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG errichtet eine hohe Hürde für die Erlangung des Markenschutzes; die darin enthaltenen Formulierungen „dienen können“ und „Bezeichnung sonstiger Merkmale“ bilden einen sehr weit gefassten Versagungsgrund. Deshalb muss jegliche Möglichkeit einer beschreibenden Funktion eines Zeichens zur Subsumtion unter die zweite Alternative des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG führen. Dass ein beschreibender Ausdruck einen Wiedererkennungswert hat, berührt seine beschreibende Aussage nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob es Synonyme gibt. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG muss das angemeldete Zeichen zwar, um unter das dort genannte Eintragungshindernis zu fallen, „ausschließlich“ aus Zeichen oder Angaben bestehen, die zur Bezeichnung von Merkmalen der betreffenden Waren oder Dienstleistungen dienen können, doch verlangt dies nicht, dass diese die ausschließliche Bezeichnungsweise der fraglichen Merkmale sind (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 500 LS 5, Tz. 57, 102 - Postkantoor).

25

Danach wäre ein Wortzeichen „Prager Philharmoniker“ mit der Beschwerdeführerin und der Markenabteilung freihaltebedürftig und entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen worden. Einem solchen Zeichen fehlte auch das nötige Mindestmaß an Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Von „Philharmonie“ abgeleitet dient der Begriff „Philharmoniker“ synonym als Name für „Sinfonieorchester“. In Verbindung mit einem Städtenamen sagt die Wortkombination daher klar aus, dass es sich um ein Orchester aus oder für diesen Ort handelt. Nachdem Philharmonische Orchester vielfach einen nationalen und internationalen Rang einnehmen, ist nicht fernliegend, dass es in (großen) Städten mehrere philharmonische Orchester gibt. Die gegenteilige Ansicht des Landgerichts Berlin, bereits die Wortbestandteile „Prager Philharmoniker“ seien unterscheidungskräftig, da es regelmäßig nur wenige Philharmonie-Orchester in einzelnen Städten gäbe, vermag nicht davon zu überzeugen, hieraus folge eine Unterscheidungseignung.

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Allerdings nehmen die hinzugefügten Buchstaben KSO dem Zeichen in seiner Gesamtheit die ausschliesslich beschreibende Aussage, wie die Markenabteilung zutreffend ausführt. KSO ist nämlich, wie die Markenabteilung untermauert ausgeführt hat, keine geläufige und ohne Weiteres verständliche Abkürzung für Kammersymphonieorchester und daher nicht beschreibend. Selbst im Kontext mit „Philharmoniker“ ist ein Verständnis im Sinne von „Kammer Sinfonie Orchester“ nicht zu erwarten. Die konkrete Gestaltung mit dem nichtssagenden Zusatz KSO ist auch nicht freihaltungsbedürftig, so dass die Marke nicht zu löschen ist. Dem Markenschutz stehen Belange der Allgemeinheit (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607, Rn. 51 - Libertel) nicht entgegen, weil der Schutz der Marke auf die ganz konkrete Wortfolge beschränkt ist, und nicht gegenüber Kennzeichnungen oder sonstigen Angaben besteht, welche zwar ebenfalls den Wortbestandteil „Prager Philharmoniker“ enthalten, aber nicht diesen konkreten Zusatz „KSO“ der angegriffenen Marke aufweisen. Vielmehr steht eine Verwendung der Worte in anderer Gestaltungsform der Allgemeinheit weiterhin offen.

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Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind Anhaltspunkte dafür, der Beschwerdegegner sei bei der Anmeldung der angegriffenen Marke im Dezember 2006 bösgläubig gewesen, weder dargetan noch ersichtlich. Aus dem Rechtsstreit der Parteien aus 2013 ergibt sich hierfür nichts.