Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 05.08.2014


BPatG 05.08.2014 - 27 W (pat) 76/13

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Lottoinsel" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
05.08.2014
Aktenzeichen:
27 W (pat) 76/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 018 142 – S 288/12 Lösch

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 5. August 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht sowie des Richters Hermann und des Richters k. A. Schmid

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2013 aufgehoben und die Löschung der Marke 30 2012 018 142 angeordnet.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin hat am 25. Oktober 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt gemäß §§ 50 Abs. 1, 54 Abs. 1 MarkenG die Löschung der dort für den Antragsgegner seit 5. Juni 2012 als Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen

2

Klasse 28: Jetons für Glücksspiele, Spielautomaten, Lotteriespiele

3

Klasse 36: Geldgeschäfte im Zusammenhang mit Lotterien

4

Klasse 41: Glücksspiele, Veranstaltung von Lotterien

5

eingetragenen Wortmarke 30 2012 018 142

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Lottoinsel

7

beantragt, weil die Marke aus zwei schutzunfähigen Bestandteilen bestehe, die in der Gesamtheit eine unmittelbar beschreibende Sachangabe darstellten. Der Bestandteil „Lotto“ stehe für ein bestimmtes Glücksspiel. Mit diesem Begriffsinhalt sei er für die geschützten Waren und Dienstleistungen „Jetons für Glücksspiele, Spielautomaten, Lotteriespiele; Geldgeschäfte im Zusammenhang mit Lotterien; Glücksspiele, Veranstaltung von Lotterien“ rein beschreibenden Inhalts. Bei dem weiteren Bestandteil „Insel“ handele es sich um einen reinen Hinweis auf einen umgrenzten Verkaufsraum. Der Begriff „Lottoinsel“ werde von den angesprochenen Verkehrskreisen daher ohne weiteres in seinem beschreibenden Sinne als Vertriebsstätte für Lotterieangebote verstanden.

8

Der Antragsgegner hat der Löschung innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG widersprochen und darauf hingewiesen, dass die Marke „Lottoinsel“ keinen eindeutigen Rückschluss auf die eingetragenen Waren und Dienstleistungen zulasse. Die Wortkombination sei für „Jetons für Glücksspiele, Spielautomaten, Lotteriespiele; Geldgeschäfte im Zusammenhang mit Lotterien; Glücksspiele, Veranstaltung von Lotterien“ nicht geläufig und für den Verbraucher nicht sachbezogen, sondern bleibe abstrakt und interpretationsbedürftig. Unter „Insel“ verstehe man lexikalisch ein „von Wasser umgebenes Landstück“, aber auch einen „Raum innerhalb einer andersartigen Umgebung“.

9

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit dem angefochtenen Beschluss den Löschungsantrag zurückgewiesen.

10

Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, es bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass der angegriffenen Wortmarke „Lottoinsel“ in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen „Jetons für Glücksspiele, Spielautomaten, Lotteriespiele; Geldgeschäfte im Zusammenhang mit Lotterien“  Unterscheidungskraft gefehlt habe oder sie als beschreibende Angabe für Mitbewerber der Markeninhaberin im Geltungsbereich des Markengesetzes freizuhalten gewesen wäre.

11

Die von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen, die zitierte Rechtsprechung und die eigenen Ermittlungen der Markenabteilung ließen nicht den sicheren Schluss darauf zu, dass die angegriffene Wortmarke einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt aufweise oder ein enger funktionaler Bezug zu den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen hergestellt werden könne. Die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen allgemeine Verbraucher aber auch Fachpublikum (insbesondere bei Jetons für Glücksspiele, Spielautomaten; Geldgeschäfte im Zusammenhang mit Lotterien) gehörten, würden die Bezeichnung „Lottoinsel“ in der Gesamtheit nicht ohne weiteres als Hinweis auf eine Verkaufs- oder Erbringungsstätte für das Glückspiel „Lotto“ verstehen. Zwar sei „Lotto“ eine allgemein bekannte Bezeichnung eines Glückspiels, allerdings stelle der Begriff „Insel“ keine am Markt etablierte Bezeichnung einer Verkaufs- oder Vertriebsstätte für Waren oder Dienstleistungen dar.

12

Eine von der Antragstellerin vorgebrachte, partielle Verwendung im Kfz-, Mobilfunk-, Getränke- oder Bekleidungssektor sei nicht auf andere Bereiche übertragbar. Nach den Feststellungen der Markenabteilung bestehe in der Branche der Lotterieanbieter keine Übung, Verkaufs- oder Erbringungsstätten mit „Insel“ zu bezeichnen.

13

Gegen diesen Beschluss der Markenabteilung wendet sich die Antragsstellerin mit der Beschwerde und der Ansicht, der Zeichenbestandteil „Lotto“ sei im Zusammenhang mit den geschützten Waren und Dienstleistungen aus dem Bereich des Lotterie- und Glücksspielswesens rein beschreibenden Inhalts. Zahlreiche Beispiele untermauerten deutlich, dass der Begriff „Insel“ branchenübergreifend vom Verkehr als Hinweis auf eine Verkaufs- oder Erbringungsstätte verstanden werde. Von einer lediglich „vereinzelten" Nutzung der Bezeichnung in diesem Sinne könne keine Rede sein. Zusammen bestehe die Bezeichnung „Lottoinsel" aus zwei schutzunfähigen Bestandteilen, deren Kombination auch bei Durchführung der erforderlichen Gesamtbetrachtung keinerlei über die Einzelbestandteile hinausgehenden Schutzumfang, keine weitergehende prägende Wirkung oder Kennzeichnungskraft besitze. Schließlich bestehe ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber an der beschreibenden Verwendung der Bezeichnung „Lottoinsel" im inländischen Verkehr i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für Lotterieangebote und -geschäfte.

14

Díe Antragstellerin beantragt,

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sinngemäß wie erkannt.

16

Der Antragsgegner beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

18

Er schließt sich der im Beschluss der Markenabteilung vertretenen Auffassung an; auf den Schriftsatz vom16. Juli 2014 wird Bezug genommen. Für die unter der Markenbezeichnung „Lottoinsel" angemeldeten Waren und Dienstleistungen der Klasse 28, 36 und 41 ergebe sich aus den beiden Elementen bei Betrachtung des Gesamtzeichens kein die Waren und Dienstleistungen beschreibender Eindruck, vielmehr sei die Wortkombination in Verbindung mit dem Element „Lotto" gerade nicht sachbezogen und damit einprägsam. Der Nutzer von Glücksspielen verstehe in der Gesamtbezeichnung „Lottoinsel“ keinen Hinweis auf die Verkaufsstätte von Glücksspielen.

19

Wenn die Benutzung des Bestandteils „Insel" bei Teeerzeugnissen/Weinen oder Bioprodukten häufiger vorkomme, sei dies nicht zuletzt wegen des Verkehrskreises, der Glücksspiele nutze und dabei den Nervenkitzel und die Spannung suche, nicht übertragbar. Die Markenbezeichnung ermögliche ohne analytische Zwischenschritte keine sinnvolle Gesamtaussage, die zur Beschreibung der für diese Marke angemeldeten Waren und Dienstleistungen geeignet wäre.

II

20

Die zulässige Beschwerde der Antragsstellerin hat in der Sache Erfolg.

21

Entgegen der Auffassung der Markenabteilung ist unter Aufhebung des entsprechenden Beschlusses die Löschung der angegriffenen Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 54, 50 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG anzuordnen.

22

Nach diesen Vorschriften ist eine eingetragene Marke auf Antrag wieder zu löschen, wenn ihr zum Eintragungszeitpunkt die erforderliche Unterscheidungskraft fehlte und dieses Schutzhindernis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht.

23

Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr. EuGH GRUR Int. 2005, 1012 - BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006).

24

Die Neuheit eines Zeichens oder einer Wortkombination begründet für sich gesehen noch keine hinreichende Unterscheidungskraft. Für die Annahme des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist daher kein lexikalischer oder sonstiger Nachweis erforderlich, dass die Angabe bereits bekannt ist oder verwendet wird (EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Rn. 39 ff. - DAS PRINZIP DDR BEQUEMLICHKEIT; GRUR Int. 2005, 1012, 1015 - BioID). Vielmehr ist einer Bezeichnung die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen, wenn sie einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweist, der für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verbraucher sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Mehrdeutigkeit oder Interpretationsbedürftigkeit einer Bezeichnung können zwar die für eine Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft begründen. Ob eine schutzbegründende Bedeutungsvielfalt vorliegt, ist allerdings nicht abstrakt lexikalisch zu beurteilen, sondern muss im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gesehen werden. Das kann zur Folge haben, dass sich die lexikalisch in Betracht kommenden Begriffsinhalte auf einen im Vordergrund stehenden Sinngehalt reduzieren. Nach diesen Grundsätzen kommt der Bezeichnung „Lottoinsel" die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft nicht zu.

25

Die Prüfung der Schutzfähigkeit einer Marke, wie der vorliegend angegriffenen, verlangt eine Berücksichtigung der Gesamtwirkung, mithin sämtlicher Wortbestandteile in ihrer Beziehung zueinander. Dem steht nicht entgegen, dass zunächst der Bedeutungsgehalt der (einzelnen) Wortelemente untersucht und erst danach - sofern diesen eine beschreibende Bedeutung zu entnehmen ist - der Frage nachgegangen wird, ob sich in der Gesamtwirkung ein kennzeichnungskräftiger Überschuss ergibt, der über die Zusammenfassung nicht unterscheidungskräftiger Einzelmerkmale hinaus geht.

26

Bezüglich der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen entbehrt die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit jeglicher Unterscheidungskraft. Wie der BGH in der von der Markenabteilung zitierten Lotto-Entscheidung (BGH GRUR 2006, 760) festgestellt hat, handelt es sich bei „LOTTO" um die allgemein bekannte Beschreibung eines Glücksspiels, das für sich betrachtet als reine Sachangabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht schutzfähig ist.

27

Der Bestandteil „insel“ wurde und wird in Wortzusammensetzungen vom angesprochenen Publikum in Verbindung mit Waren und Dienstleistungen in der Werbesprache durchaus als Hinweis auf eine Verkaufsstätte bzw. eine Erbringungsstätte von Waren und Dienstleistungen verstanden.

28

So ergab eine Google-Recherche nach 'lottoinsel' am 4. August 2014 zwar die Frage, ob 'Autoinsel' gemeint sei, allerdings u.a. die Treffer:

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1. Marktplatz » Suche Lottotheke mit Lottoinsel

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www.annahmestelle.net › Marktplatz

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Im Cache

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01.04.2011 - 1 Eintrag - ‎1 Autor

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Suche Lottotheke mit Lottoinsel, am liebsten mit 2 Lottoinseln.Mein Rufnummer 0234 9761995.Mfg Ayaz. nach oben springen nach oben ...

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2. Lotto in Insel Neuwerk - Das Örtliche

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www.dasoertliche.de/Themen/ Lotto/Insel -Neuwerk.html

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Treffer 1 - 20 von 73 - Lotto Insel-Altona-Altstadt · Lotto Insel-Altstadt · Lotto Insel-Bergedorf · Lotto Insel-Billstedt · Lotto Insel-Borgfelde ... Lotto Insel Neuwerk ...

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Die Wendung „Lotto Insel“ wird daher ersichtlich verwendet und bezeichnete schon 2011 u.a. das Regal mit den Tippscheinen und dem Tischchen zur Ausfüllmöglichkeit.

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Daneben ergaben Suchen nach 'gardinen insel', 'woll insel', 'haar insel' oder 'reiseinsel' Treffer in einem Umfang, der es fernliegend erscheinen lässt, dass der Begriffsbestandteil '-insel' im Zusammenhang mit Waren- oder Dienstleistungsangeboten nicht breit als Synonym für Verkaufs- oder Erbringungstätten verwendet und verstanden würde.