Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 13.04.2015


BPatG 13.04.2015 - 27 W (pat) 74/14

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "BLÄTTERPDF" – keine Unterscheidungskraft – zur Kostenauferlegung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
13.04.2015
Aktenzeichen:
27 W (pat) 74/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 033 653 (S 312/13 Lösch)

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Hermann und die Richterin Werner

beschlossen:

Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.   

1

Gegen die am 21. Juni 2011 angemeldete, am 26. August 2001 eingetragene und am 30. September 2011 für die Waren und Dienstleistungen der

2

Klasse 9: Computerprogramme [gespeichert]; Computerprogramme [herunterladbar]; Computersoftware [gespeichert]; elektronische Publikationen; Interfaces (Schnittstellenprogramme für Computer); Mikroskope; elektronische Publikationen [herunterladbar]; Zeichentrickfilme,

3

Klasse 16: Kataloge; Broschüren; Prospekte; Bücher; Handbücher; Magazine und Zeitschriften; Zeitschriften (Magazine); Zeitungen; Toilettenpapier,

4

Klasse 41: Organisation und Veranstaltung von Symposien; Bücherverleih [Leihbücherei]; Verfassen von Texten, ausgenommen Werbetexte; Desktop-Publishing (Erstellen von Publikationen mit dem Computer); Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen in elektronischer Form, auch im Internet; Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; Onlinepublikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften; redaktionelle Betreuung von Internetauftritten,

5

Klasse 42: Vermietung und Wartung von Speicherplätzen zur Benutzung als Websites für Dritte (hosting); Zurverfügungstellung oder Vermietung von elektronischen Speicherplätzen (Webspace) im Internet; Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten; Konzeptionierung von Webseiten; Dienstleistungen von Ingenieuren; Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen; Computersoftwareberatung; Design von Computersoftware; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; EDV-Beratung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Erstellung von Computeranimationen; Hard- und Softwareberatung; Implementierung von EDV-Programmen in Netzwerken; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten (ausgenommen physische Veränderung); Pflege und Installation von Software; technisches Projektmanagement im EDV-Bereich; Vermietung von Computersoftware; Wartung von Computersoftware,

6

Klasse 45: Lizenzieren von Computersoftware (juristische Dienstleistungen); Lizenzierung von Software

7

veröffentlichte Wortmarke 30 2011 033 653.9

8

BLÄTTERPDF

9

hat die Antragstellerin mit Eingang am 13. November 2013 einen Antrag auf Löschung wegen bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG gestellt.

10

Der Markeninhaber hat dem an ihn am 17. Dezember 2013 versendeten Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 12. Februar 2014 widersprochen.

11

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 10. Juli 2014 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für alle Waren und Dienstleistungen bis auf die Waren der

12

Klasse 9: Mikroskope; Zeichentrickfilme und

13

Klasse 16: Toilettenpapier,

14

wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG angeordnet und den weitergehenden Löschungsantrag zurückgewiesen.

15

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die eingetragene Marke „BLÄTTERPDF“ habe schon im Zeitpunkt der Anmeldung für die nun gelöschten Waren und Dienstleistungen nicht die Anforderungen an die Unterscheidungskraft erfüllt. Das Schutzhindernis bestehe auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag fort.

16

Das angegriffene Zeichen setze sich ohne weiteres erkennbar aus „BLÄTTER“ und „PDF“ zusammen.

17

„BLÄTTER“ könne im Deutschen den Plural von „Blatt“ bezeichnen oder auch auf den Wortstamm des Verbs „blättern“ hinweisen.

18

Mit „PDF“ (Portable Document Format) werde ein plattformunabhängiges Austauschformat der Firma Adobe für illustrierte Dokumente bezeichnet. Der freie „Acrobat Reader“ zum Lesen des PDF sei mittlerweile auf … Arbeitsstationen installiert und durch ISO 15930 normiert. Ziel des 1993 entwickelten Dateiformats sei es, ein Dateiformat für elektronische Dokumente zu schaffen, das diese unabhängig vom ursprünglichen Anwendungsprogramm, vom Betriebssystem oder von der Hardwareplattform originalgetreu weitergeben könne. Unternehmen würden ihre gedruckten Magazine, Kataloge und Prospekte seit vielen Jahren auch in elektronischer Form als PDF ins Internet stellen. Spezielle Software unterschiedlichster Anbieter könne ein PDF dabei so umwandeln, dass der Betrachter die Seiten des elektronischen Katalogs, Magazins oder Prospekts durch einen Mausklick „umblättern“ könne. Der Übergang von einer Seite des Dokuments zur nächsten werde dabei so „animiert“, dass es auf dem Bildschirm aussehe, als würde die Seite „geblättert“. Dieser Effekt werde auch „Blätter(n)effekt“ genannt.

19

Vor diesem Hintergrund könne das angegriffene Zeichen „BLÄTTERPDF“ zum einen ein PDF bezeichnen, dessen Dateninhalt aus Blättern bestehe (z. B. Reiseblätter, politische Blätter u. a.) oder sich mit Blättern beschäftige. Naheliegend sei ein Verständnis, dass das PDF mit der oben beschriebenen Software versehen sei, die beim Übergang von einer Seite zur nächsten einen realistischen Blättereffekt erzeuge, so dass der Betrachter wie in einer Printausgabe darin von Seite zu Seite blättern könne. Der Ausdruck „Blättern“ sei für das sich nacheinander Anzeigenlassen von Daten einer Datei seit langem üblich. Bereits vor der Anmeldung der angegriffenen Marke, d. h. vor dem 21. Juni 2011, hätte zahlreiche Internetmagazine und Blogs unter Stichworten wie „PDF-Blätterfunktion“ oder „Blättern in PDF“ über blätterbare PDF umfangreich berichtet und diskutiert.

20

Das hier angesprochene allgemeine Publikum, Fachkreise sowie Personen mit spezifischem Interesse für Software, Präsentationen und Publikationen, online und im Internet, habe dem angegriffenen Zeichen bereits im Zeitpunkt der Anmeldung in Bezug auf die gelöschten Waren und Dienstleistungen einen lediglich sachbezogenen Begriffsinhalt dahingehend entnommen, dass diese ein blätterbares PDF zum Gegenstand haben bzw. sich auf ein solches beziehen könnten. Und auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag tue es dies noch.

21

So könne es sich bei den Waren der Klasse 9 um solche handeln, die eine Umwandlung in ein blätterbares PDF ermöglichten bzw. in Form von blätterbaren PDFs angeboten würden. Die Waren der Klasse 16 könnten sich inhaltlich mit blätterbaren PDFs beschäftigen oder auch als solche erhältlich sein. Die Dienstleistungen der Klasse 41 könnten sich inhaltlich mit dem Erstellen von blätterbaren PDFs beschäftigen oder blätterbare PDFs (E-Books) zum Gegenstand haben oder den Inhalt der Texte beschreiben oder auf das Format der Texte und deren Art der Erstellung hinweisen. Zu den Dienstleistungen der Klasse 42 stehe die angegriffene Marke zumindest in engem beschreibenden Bezug, da das Erstellen blätterbarer PDFs Teil der Dienstleistung sein könne oder die Dienstleistung das Erstellung blätterbarer PDFs ermöglichen könne.

22

Für die Waren der Klasse 9 „Mikroskope; Zeichentrickfilme“ und 16 „Toilettenpapier“ ergebe sich indessen kein ohne Weiteres erkennbarer Sinngehalt für „BLÄTTERPDF“, so dass insoweit von der Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke auszugehen sei.

23

Eine Kostenauferlegung zu Lasten des Markeninhabers sei nicht veranlasst.

24

Er hätte zwar Kenntnis von der Zurückweisung der zuvor angemeldeten und durchaus vergleichbaren Marke Az. 30 2010 000 070.8 „Blätterpdf“ gehabt. Bei diesem Markenwort handle es sich jedoch weder um einen Fachbegriff noch um ein üblicherweise im geschäftlichen Verkehr beschreibend verwendetes Zeichen, sondern um eine Wortneubildung, deren Beurteilung als nicht schutzfähiges Zeichen - unabhängig von der Entscheidung des Prüfers - hier nicht als zweifelsfrei erkennbar angesehen werden könne.

25

Der Beschluss ist dem Markeninhaber am 21. Juli 2014 zugestellt worden.

26

Dagegen wendet er sich mit seiner Beschwerde vom 13. August 2014.

27

Er ist der Ansicht, die von der Antragstellerin eingebrachten und vom Deutschen Patent- und Markenamt ermittelten Tatsachen böten keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein beschreibendes Begriffsverständnis von „BLÄTTERPDF“ im Anmeldezeitpunkt. Keines der von der Antragstellerin vorgelegten Beweismittel datiere vor dem Zeitpunkt der Anmeldung. Keines erlaube daher Rückschlüsse auf Eintragungshindernisse vor dem Anmeldezeitpunkt. Die von der Markenabteilung ermittelten Dokumente seien nicht oder nach dem Anmeldezeitpunkt datiert. Die wenigen Dokumente vor dem Anmeldezeitpunkt sprächen allgemein von Flipping Books, Pageflip, "PDF-Blätterfunktion", "Blättern in PDF" oder „Umblättereffekt“.

28

Das angegriffene Zeichen sei nicht dem deutschen Sprachgebrauch zuzurechnen und könne nicht lexikalisch nachgewiesen werden. Aus Sicht der maßgeblichen inländischen Kreise habe das Zeichen auch im Kontext der Wortfamilie „blättern / Blatt / blätterbar“ keinen objektiven Sinngehalt.

29

„Blätter“ sei der Plural des Wortes Blatt. Mit dem Substantiv Blatt werde immer etwas Physisches, in der Regel ein Blatt Papier, bezeichnet. Eine PDF-Datei sei etwas Elektronisches mit verschiedenen Seiten, die nicht als Blätter sondern eben als Seiten bezeichnet würden. Insofern widerspreche die Bedeutung des ersten Bestandteils „BLÄTTER“ dem des zweiten „PDF“.

30

Das Verb „blättern“ habe zudem den Buchstaben „N“ am Ende, der in dem angegriffenen Zeichen nicht auftauche. Es könne sich um den Imperativ handeln, der allerdings immer einen Artikel erfordere. „BLÄTTERPDF" verkörpere insofern weder eine orthographisch und grammatikalisch korrekte Wortbildung, noch sei eine tatsächliche Verwendung als sachbezogene Angabe erkennbar. Soweit die Antragstellerin und die Markenabteilung Wortbedeutungen des Zeichens in Bezug nähmen, in denen "BLÄTTER" als erster Bestandteil eines mehrteiligen Zeichens und „PDF“ einen bestimmten Dateityp anzeige, unterliege bereits das angenommene Verständnis dieser Komponenten Bedenken.

31

Die für die Marke eingetragenen Waren, wie beispielsweise „Computerprogramme“, unterlägen keiner gegenständlichen Einschränkung. Diese Waren seien namentlich nicht auf solche Computerprogramme reduziert, die das Lesen von elektronischen Dateien ermöglichten. Die beanspruchten Computerproramme in diesem Sinn umfassten daher beispielsweise Computerprogramme zur Steuerung von Robotern oder zur Spracherkennung.

32

Jedenfalls führe der Widerspruch zwischen gedruckten Büchern, die man physisch blättern könne, und elektronischen Dateien in sich allein schon zu einem gewissen Fantasiegehalt von „BLÄTTERPDF“, der einem Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen entgegenstehe.

33

Für das angemeldete Zeichen ergäben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es insoweit als konkrete Angabe über Eigenschaften oder die Bestimmung dieser Waren und Dienstleistungen dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müsste.

34

Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,

35

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Juli 2014 aufzuheben, soweit die Löschung der Marke angeordnet worden ist, und den Löschungsantrag insgesamt zurückzuweisen.

36

Die Antragstellerin beantragt unter Bezugnahme auf ihre Ausführen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt,

37

die Beschwerde zurückzuweisen.

38

Der Begriff „Blätterpdf“ sei aus der einfachen Bezeichnung der Funktion entstanden.

39

Zunächst sei „klicken" oder „scrollen“ möglich gewesen, dann auch „blättern" und mittlerweile auch „wischen". Ein PDF, welches sich wie ein Buch Seite für Seite blättern ließe, sei ein Blätter-PDF oder BLÄTTERPDF oder BLAETTERPDF. Der Begriff sei auch grammatikalisch zutreffend gebildet, wie etwa auch ein Lappen zum Wischen ein Wischlappen und nicht Wischenlappen, ein Besteck zum Essen Essbesteck und nicht Essenbesteck, eine Lupe zum Lesen eine Leselupe und nicht Lesenlupe und eine Hilfe fürs Einparken eine Einparkhilfe und nicht Einparkenhilfe sei.

II.

40

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

41

Auch nach Auffassung des Senats war und ist die Eintragung der angemeldeten Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen.

1.

42

Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 69 MarkenG; die Parteien hatten ausreichend Gelegenheit, Stellung zu nehmen und der Markeninhaber hat seinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

2.

43

Die Beschwerde des Markeninhabers ist zulässig, soweit sie sich gegen die Löschung der Marke richtet, § 66 Abs. 1 MarkenG.

44

Der Markeninhaber hatte dem Löschungsantrag (wirksam) widersprochen, so dass das Löschungsverfahren durchzuführen war (§ 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG).

3.

45

Die Markenabteilung hat die Löschung der angegriffenen Marke zu Recht und mit zutreffender Begründung §§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die im dortigen Tenor genannten Waren und Dienstleistungen angeordnet.

46

Sowohl im Anmeldezeitpunkt im Jahre 2011 als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag im Juli 2014 fehlte bzw. fehlt dem Markenwort heute noch für die beanspruchten und im Beschwerdeverfahren (noch) gegenständlichen Waren und Dienstleistungen das für eine Eintragung notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

a)

47

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen und auf entsprechenden Antrag nach §§ 54, 50 Abs. 1 MarkenG zu löschen, wenn ihnen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

48

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen (BGH, Beschluss v. 01.07.2010 – I ZB 35/09, GRUR 2010, 935 Rn. 8 – Die Vision; EuGH, Urteil v. 08.05.2008 – C-304/06 P, GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. – EUROHYPO). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (BGH, Beschluss v. 22.01.2009 – I ZB 34/08, GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; EuGH, Urteil v. 12.01.2006 – C-173/04 P, GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschluss v. 15.01.2009 – I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL).

49

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und / oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH Urteil v. 09.03.2006 – C-421/04, GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH a. a. O. Rn. 8 – Die Vision).

50

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass das Publikum ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (BGH, Beschluss v. 01.03.2001 – I ZB 42/98, GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; EuGH, Urteil v. 12.02.2004 – C-218/01; GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 - Henkel).

51

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Kreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (BGH, Beschluss v. 22.01.2009 – I ZB 52/08, GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 - DeutschlandCard; EuGH, Urteil v. 12.02.2004 – C-363/99, GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 – Postkantoor) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH, Beschluss v. 28.08.2003 – I ZB 6/03, GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice). Darüber hinaus fehlt Unterscheidungskraft auch jenen Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH, Beschluss v. 24.06.2010 – I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100, 1102 Rn. 23 – TOOOR!).

b)

52

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt die angegriffene Marke nicht - weder im Zeitpunkt der Anmeldung noch bei Entscheidung über den Löschungsantrag -, da sie eine Sachaussage beinhaltet, die sich in der Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpft.

53

Das Markenwort war und ist erkennbar aus den Wörtern „BLÄTTER“ und „PDF“ zusammengesetzt und sprachüblich gebildet.

54

Als Plural des Wortes „Blatt“ beschreibt „Blätter“ flächige, meist durch Chlorophyll grün gefärbte Teile von Pflanzen. Wortzusammensetzungen mit dem vorangestellten Wort „Blätter“ und einem weiteren Substantiv sind üblich, wie etwa Blätterpilz, Blätterdach, Blätterschmuck, Blätterteig, Blätterwerk etc. Das Verb „blättern“ hat die primäre Bedeutung, in einem Buch o. Ä. die Seiten umzublättern. Im Computerbereich ist der Begriff „blättern“ für das sich nacheinander Anzeigenlassen von Daten einer Datei seit langem üblich (vgl. Dähnhard, Lexikon der Computer Fachbegriffe, 1991; Schulze, Computerlexikon – Fachbegriffe schlüssig erklärt, 2003; Microsoft Computer-Lexikon, 8. Aufl. 2005).

55

„PDF“ ist die Abkürzung für „portable document format“ (deutsch: (trans)portables Dokumentenformat), das das Unternehmen Adobe Systems entwickelt und 1993 veröffentlicht hat. Es ist ein plattformunabhängiges Dateiformat für elektronische Dokumente wie Bilder, Grafiken oder Texte, das diese unabhängig vom ursprünglichen Anwendungsprogramm, vom Betriebssystem oder von der Hardwareplattform originalgetreu weiter- und wiedergeben kann. Es ist in der 2001 erschienen Normenserie der ISO (ISO 15930 für PDF/X) standardisiert (Voss, Das große PC Lexikon, 2009). Ein Leser einer PDF-Datei soll das Dokument immer in der Form betrachten und ausdrucken können, die der Autor festgelegt hat. Die typischen Konvertierungsprobleme (wie veränderter Seitenumbruch oder falsche Schriftarten) beim Austausch eines Dokuments zwischen verschiedenen Programmen entfallen dadurch. PDF ist mittlerweile weit verbreitet und wird von vielen elektronischen Zeitschriften (E-Journals) genutzt. Es gibt auf dem Markt zahlreiche Softwareprodukte, die PDF-Dateien erzeugen können (Der Brockhaus – Computer und Informationstechnologie, Hardware, Software, Multimedia, Internet, Telekommunikation, 2003).

56

„BLÄTTERPDF“ wies und weist weder eine ungewöhnliche Wortstruktur noch Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt der beiden Einzelworte wegführen könnten.

57

Der erkennbar aus den Wörtern „BLÄTTER“ und „PDF“ zusammengesetzte Begriff weist für die gelöschten Waren und Dienstleistungen einen lediglich sachbezogenen Begriffsinhalt dahingehend auf, dass diese ein blätterbares PDF zum Gegenstand haben bzw. sich auf ein solches beziehen.

58

Ein merklicher und schutzbegründender Unterschied zwischen der beanspruchten Wortkombination und der bloßen Summe ihrer Bestandteile (EuGH, Urteil v. 12.02.2004 – C-265/00, GRUR 2004, 680 Rn. 39 ff. - Biomild), „Blätter“ und „pdf“, besteht nicht und bestand auch im Jahre 2011 nicht.

59

Wie bereits die Markenabteilung in der angegriffenen Entscheidung belegt hat, wurde deutlich vor Anmeldung der angegriffenen Marke im Jahr 2011 in zahlreichen Internetmagazinen und auf Blogs unter Stichworten wie „PDF-Blätterfunktion“ oder „Blättern in PDF“ über blätterbare PDF berichtet und diskutiert.

60

Ein inländischer aufmerksamer Durchschnittsverbraucher, der den Begriff „BLÄTTERPDF“ im Jahre 2011 zum ersten Mal im Inland hörte, konnte ihn also ohne weiteres Nachdenken als Sachangabe im Sinne von „PDF zum Blättern, aus Blättern, mit Blättern oder über Blätter“ verstehen.

61

Die Bezeichnung „BLÄTTERPDF“ ist - wie die Markenabteilung in dem angegriffenen Beschluss bereits eingehend ausgeführt hat und worauf zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen Bezug genommen wird - für alle strittigen Waren und Dienstleistungen eine Sachangabe. Sie weist das angesprochene allgemeine Publikum wie auch die Fachkreise darauf hin, dass die Waren und Dienstleistungen ein blätterbares PDF zum Gegenstand haben bzw. sich auf ein solches beziehen.

62

Dies gilt entgegen der Annahme des Markeninhabers insbesondere für die beanspruchten Waren der Klassen 9 und 16. Gerade „Computerprogramme (gespeichert oder herunterladbar), Computersoftware (gespeichert) und Interfaces (Schnittstellenprogramme für Computer)“ können u. a. dazu dienen, PDFs zu erstellen, anzuzeigen oder zu übermitteln. Diese Waren werden jedenfalls um die Dienstleistungen "Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen und technisches Projektmanagement im EDV-Bereich" ergänzt, da die Erstellung blätterbarer PDFs Teil der Dienstleistung sein kann.

63

Elektronische Publikationen, Kataloge, Broschüren, Prospekte, Bücher, Handbücher, Magazine, Zeitschriften, Zeitschriften (Magazine) und Zeitungen können in Form von blätterbaren PDFs angeboten werden, sich inhaltlich mit blätterbaren PDFs beschäftigen oder auch als solche erhältlich sein. Diese Waren können als blätterbare PDFs Gegenstand der „Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen in elektronischer Form, auch über das Internet“ sein. Die weiteren Dienstleistungen der Klassen 41, insbesondere Symposien - damit jedenfalls ergänzend auch deren Organisation und Durchführung -, können sich inhaltlich mit dem Erstellen von blätterbaren PDFs, etwa für museale Zwecke, bei digitalisierten alten Handschriften, beschäftigen. „Redaktionelle Betreuung von Internetauftritten“ kann den Inhalt der Texte beschreiben oder auf das Format der Texte hinweisen, denen die Dienstleistung dient. „Lizenzierung von Software“ kann sich auf die Rechte für Software zur Erstellung oder Umwandlung blätterbarer PDF beziehen.

64

Nach alledem war der Beschwerde des Markeninhabers der Erfolg zu versagen.

4.

65

Ob die streitgegenständliche Marke darüber hinaus für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen auch eine freihaltebedürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist - wofür nach den obigen Ausführungen einiges spricht -, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

5.

66

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen besteht kein Anlass.

67

Bei der von Amts wegen zu treffenden Kostenentscheidung können nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG einem Beteiligten die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.

68

Ein Billigkeitsgrund besteht, wenn besondere Umstände ein Abweichen von der als Regelfall vorgesehenen Kostenaufhebung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG rechtfertigen. Solche besonderen Umstände liegen vor, ein Beteiligter gegen seine prozessualen Sorgfaltspflichten verstoßen hat, indem er unter erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Erfolg versprechenden Umständen ein Verfahren anstrengt und dadurch dem Verfahrensgegner vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BPatG, Beschluss v. 17.12.2013 – 27 W (pat) 40/12, juris Rn. 11 ff.; Beschluss v. 26.07.2005 – 27 W (pat) 182/04, MarkenR 2006, 172, 175 - Pinocchio; Beschluss v. 14.07.1971 – 27 W (pat) 113/70, BPatGE 12, 238, 240 - Valsette/Garsette).

69

Ein Verstoß gegen die prozessualen Sorgfaltspflichten ist auch dann anzunehmen, wenn der Löschungsantrag ersichtlich begründet ist und der Antragsgegner dennoch an seiner schutzunfähigen Marke festhält und damit den Löschungsantrag provoziert (Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rn. 15). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt und dass das Zeichen ursprünglich nach Amtsprüfung eingetragen wurde.

70

Der Markeninhaber hatte zwar Kenntnis von der Zurückweisung der (nahezu bis auf die unbeachtliche abweichende Schreibwiese in Kleinbuchstaben) identischen Wortmarke 30 2010 000 070.8 „blätterpdf“. Dieses Zeichen betraf auch bis auf die nicht der Beschwerde unterliegenden Waren (Mikroskope, Zeichentrickfilme und Toilettenpapier) und die darüber hinaus beanspruchten Dienstleitungen (Organisation und Veranstaltung von Symposien; Bücherverleih [Leihbücherei]; Verfassen von Texten, ausgenommen Werbetexte; Zurverfügungstellung oder Vermietung von elektronischen Speicherplätzen (Webspace) im Internet) identische Waren und Dienstleistungen.

71

Hat ein Löschungsantrag Erfolg, sind dem Markeninhaber die Kosten des Löschungsverfahrens dennoch nicht in jedem Fall aufzuerlegen, zumal der Markeninhaber davon ausgehen durfte, dass die Eintragung nach Prüfung durch das Deutsche Patent- und Markenamt Bestand haben würde (vgl. BGH, Urteil v. 19.01.2006 – I ZR 98/02, GRUR 2006, 432 Rn. 25 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II); das muss sogar dann gelten, wenn der Inhaber des angegriffenen Zeichens mit anderen, entsprechenden Zeichen bereits im Eintragungsverfahren gescheitert ist. Hier muss dem Markeninhaber möglich sein, eine letztinstanzliche Klärung herbeizuführen (Albrecht in: Kur / v. Bomhard / Albrecht, BeckOK MarkenR, MarkenG § 71 Rn. 27; BPatG, Beschluss v. 12.11.2012 – 26 W (pat) 64/08, GRUR-Prax 2013, 10 – hop on hop off; Beschluss v. BPatG 02.10.1998 – 33 W (pat) 15/98, BeckRS 1998, 14598 – Latour Nomen est Omen; Beschluss v. 16.11.1999 – 27 W (pat) 94/99, GRUR 2000, 809 (812) – SSZ; Beschluss v. 12.12.2000 – 24 W (pat) 232/98, GRUR 2001, 744 (748) – S. 100; Beschluss v. 15.02.2006 – 29 W (pat) 341/00, GRUR 2006, 1032 (1034) – E 2; Beschluss v. 22.12.2009 – 25 W (pat) 224/03, BeckRS 2010, 414 – Ivadal; Beschluss v. 22.12.2009 – 25 W (pat) 225/03, BeckRS 2010, 415 – Cordarone; Beschluss v. 30.12.2009 – 25 W (pat) 76/05, BeckRS 2010, 597 – Flixotide; Beschluss v. 29.04.2010 – 25 W (pat) 151/09, BeckRS 2010, 15357 – Maxitrol; Beschluss v. 21.08.2009 – 28 W (pat) 113/08, BeckRS 2009, 23959 – Petlas).

72

Es entspricht dem Recht auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG), auch bislang anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze einer (erneuten) gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Selbst eine einheitliche entgegenstehende Entscheidungspraxis (BPatG, Beschluss v. 10.08.2010 – 33 W (pat) 9/09, BeckRS 2010, 22361 – Igel plus; Beschluss v. 23.07.2013 – 27 W (pat) 109/11, BeckRS 2013, 14387 – XX; Beschluss v. 14.11.2013 – 27 W (pat) 6/13, BeckRS 2013, 21042 – Ferdinand-Tönnies) reicht dann nicht aus, Kosten wegen des Betreibens aussichtsloser Verfahren aufzuerlegen.

6.

73

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 1 u. 2 MarkenG besteht kein Anlass. Der Entscheidung liegt ein rechtlicher Maßstab zugrunde, der der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshof entspricht. Da nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, ist die Rechtsbeschwerde auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.