Entscheidungsdatum: 09.12.2011
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 305 30 899.8
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner
beschlossen:
1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Oktober 2008 und vom 11. März 2010 werden aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Durchführung des Eintragungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.
I.
Als Marke angemeldet am 27. Mai 2005 wurde
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für die Waren
"Fäden, Garne, Seile, Geflechte, insbesondere vielschichtig, aus Endlosfilamenten für industrielle Zwecke und die Filtration".
Nachdem die Markenstelle die Anmeldung mit Bescheid vom 17. November 2005 wegen der Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG beanstandet hatte, hat die Anmelderin mit am 24. Februar 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt per Telex eingegangenem Schriftsatz ein neues Warenverzeichnis eingereicht. Sie beansprucht danach Schutz für die Waren
"Vliesstoffe für industrielle Zwecke und die Filtration".
Die Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 30. Oktober 2008 und vom 11. März 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. In beiden Beschlüssen hat die Markenstelle die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke in Bezug auf die Waren "Vliesstoffe für industrielle Zwecke und die Filtration" geprüft und keine Ausführungen zur Zulässigkeit des geänderten Warenverzeichnisses gemacht.
Gegen den Erinnerungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Oktober 2008 und vom 11. März 2010 aufzuheben.
Sie hält die Marke für unterscheidungskräftig und im Übrigen für schutzfähig.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft. Nachdem der Senat darauf hingewiesen hat, dass die Einschränkung des Warenverzeichnisses vom 24. Februar 2006 eine unzulässige Erweiterung des Warenverzeichnisses sein dürfte, hat sie insoweit hilfsweise beantragt,
das Verfahren zur Klärung des Warenverzeichnisses an das Amt zurückzuverweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und führt zu einem vorläufigen Erfolg. Die angefochtenen Beschlüsse sind wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG an die Markenstelle zur erneuten Durchführung des Eintragungsverfahrens auf der Grundlage des ursprünglichen Warenverzeichnisses zurückzuverweisen. Gleichzeitig ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr veranlasst.
1. Das Verfahren der Markenstelle litt bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Erstbeschlusses an einem schweren Verfahrensmangel, weil die Markenstelle in jenem Beschluss die Schutzfähigkeit der Marke in Bezug auf die Waren "Vliesstoffe für industrielle Zwecke und die Filtration" und nicht in Bezug auf die ursprünglich beanspruchten Waren, nämlich "Fäden, Garne, Seile, Geflechte, insbesondere vielschichtig, aus Endlosfilamenten für industrielle Zwecke und die Filtration" geprüft hat.
Das von der Anmelderin als Reaktion auf den Beanstandungsbescheid vom 17. November 2005 mit Schriftsatz vom 24. Februar 2006 beanspruchte neue Warenverzeichnis stellt eine unzulässige Erweiterung des ursprünglichen Warenverzeichnisses dar. Als Erweiterung ist nämlich auch der Austausch von Waren zu bewerten. Ein auf eine unzulässige Erweiterung abzielender Änderungsantrag ist zurückzuweisen, soweit ein Anmelder auf der erweiterten Form des Warenverzeichnisses beharrt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 39 RdNr. 3).
Das von der Anmelderin mit Schriftsatz vom 24. Februar 2006 geänderte Warenverzeichnis stellt nicht lediglich eine Einschränkung des ursprünglichen Warenverzeichnisses, sondern einen den Schutzbereich der Marke ändernden Austausch der Waren und damit eine unzulässige Erweiterung dar. Vliese fallen nämlich nicht unter Geflechte und sind gegenüber Rohrstoffen, wie Fäden, Verarbeitungsformen. Die Markenstelle hätte die Anmelderin vor der Abfassung des Erstbeschlusses auf die Unzulässigkeit des neuen Warenverzeichnisses hinweisen müssen und durfte ohne einen entsprechenden Hinweis in seinen Beschlüssen nicht die Schutzfähigkeit der Marke in Bezug auf die geänderten Waren überprüfen.
Nach einem entsprechenden Hinweis hätte die Markenstelle die von der Anmelderin vorgenommene Erweiterung als unzulässig zurückweisen müssen, falls die Anmelderin auf dem geänderten Warenverzeichnis beharrt hätte. Für den Fall, dass die Anmelderin nach einem entsprechenden Hinweis nicht auf dem geänderten Warenverzeichnis bestehen sollte, hätte die Schutzfähigkeit der Marke in Bezug auf die ursprünglich beanspruchten Waren geprüft werden müssen.
2. Da beide Beschlüsse auf einem schwerwiegendem Verfahrensverstoß beruhen, war zudem nach § 71 Abs. 3 MarkenG anzuordnen, dass der Anmelderin die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten ist.