Entscheidungsdatum: 17.01.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 963 570
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts für Klasse 25 IR vom 20. Juli 2010 wird aufgehoben.
I.
Die nach dem Madrider Markenabkommen (MMA) für die Waren
“Clothing, footwear, headgear“
registrierte Wortmarke 963 570 (Ursprungsland Benelux)
ragstar
sucht um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nach.
Die Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat am 15. Januar 2009 einen auf die Bestimmungen der Art. 5 MMA, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ, § 8 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3, § 107, § 113 MarkenG gestützten refus de protection erlassen und die Schutzverweigerung mit Beschluss vom 20. Juli 2010 aufrechterhalten.
Dazu ist ausgeführt, der IR-Marke fehle die erforderliche Unterscheidungskraft. Bei dem Begriff „ragstar“ handle es sich um eine sprachübliche Wortkombination aus den englischen Begriffen „rag“ (= Klamotte) und „star“. Der Begriff „Star“ sei im übertragenen Sinn - unübersetzt - längst in den deutschen Sprachschatz eingegangen. In Verbindung mit Waren jeglicher Art bezeichne das nahezu universell verwendbare Wort „Star“ - in werbewirksamer Übertragung - jeweils ein Spitzenprodukt bzw. eine Spitzenstellung in dem jeweiligen Produktsegment.
Das Wort „rag“ (= englisch für Fetzen, Klamotten, Stoff, Tuch) bzw. dessen Pluralform „rags“ werde auch im Inland in Verbindung mit Bekleidung verwendet, wie sich aus einem dem Beschluss beigefügten Internetausdruck ergebe. Im Übrigen sei bereits im Jahr 1999 das als Marke angemeldete Zeichen „RAG WEAR“ vom Bundespatentgericht mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass zumindest der entscheidungserhebliche Teil des Publikums die Bedeutung von „rag“ erkennen würde (vgl. BPatG 27 W (pat) 34/98).
Jedes der beiden Einzelwörter „rag(s)“ sowie „star“ wäre somit für Erzeugnisse aus dem Bekleidungssektor nicht schutzfähig. In der hier maßgeblichen Zusammenfassung der Einzelteile ergebe sich auch kein „überschießender“ Bedeutungsgehalt.
Bei der gebotenen konkreten - d. h. markenbezogenen - Betrachtung unter Berücksichtigung des Verständnisses des angesprochenen Publikums werde “ragstar“ (= Klamottenstar, Fetzenstar) nur als Hinweis auf ein herausragendes Sortiment an Kleidung jeglicher Art, an Kopfbedeckungen und Schuhwaren (ggf. aus Stoff) verstanden. So könnten die Bekleidungsstücke und Schuhwaren qualitativ besonders hochwertig, die Schnitte bzw. die verwendeten Materialien besonders ausgefallen sein und deren Design von „angesagten“ Modeschöpfern stammen. Insbesondere das jüngere Klientel kaufe sehr bewusst nach Marken und trendigem Design.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, mit der er sinngemäß beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der IR-Marke für die beanspruchten Waren den nachgesuchten Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren.
Der Markeninhaber hält unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Amtsverfahren die Marke für unterscheidungskräftig. Entgegen der Auffassung der Markenstelle handle es sich bei „ragstar“ nicht um ein die beanspruchten Waren beschreibendes Zeichen. Das englische Wort „rag“ bedeute u. a. „Lappen, Lumpen, Fetzen, Putzlappen“ und sei nicht mit dem deutschen Wort „Klamotten“ gleichzusetzen. Insbesondere bei der hier maßgeblichen Gesamtbetrachtung werde der Verbraucher dem Zeichen nicht ohne Weiteres eine warenbeschreibende Aussage entnehmen.
Zur Begründung seines Eintragungsbegehrens stützt sich der Anmelder schließlich auf die Eintragung der Marke in den Benelux-Staaten und der Türkei sowie seiner Ansicht nach vergleichbarer Drittmarken in Deutschland und beim HABM.
In der mündlichen Verhandlung hat der Markeninhaber seinen Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der angemeldeten Wortmarke stehen für die beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Nr. 33 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2003 1050 - Cityservice). Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn die Marke einen für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt hat oder wenn es sich um einen Begriff der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; vgl. BGH, a. a. O. - Cityservice). Diese Kriterien sind auch für die Bedeutung der markenrechtlichen Schutzfähigkeit von Werbeslogans und -ausdrücken heranzuziehen (vgl. BGH GRUR 2001, 735, 736 - Test it).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der streitgegenständlichen Marke in ihrer Gesamtheit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Die angemeldete Marke „ragstar“ setzt sich zusammen aus den beiden englischen Wörtern „rag“ und „star“. „Rag“ bedeutet im Deutschen u. a. „Stoff(fetzen), Stoff, Lappen, Lumpen“ (vgl. Duden-Oxford-Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl., Mannheim 2006). Zwar mag der Wortbestandteil „star“ in Alleinstellung als werbeüblicher Hinweis auf ein Spitzenprodukt nicht schutzfähig sein. Dies gilt aber nicht bei der gebotenen Gesamtbetrachtung (vgl. BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) für die Kombination mit dem vorangestellten Wort „rag“. Beide Worte weisen in Bezug auf die hier beanspruchten Waren der Klasse 25 einen gewissen Widerspruch auf, weil „rag“ eine eher negative und „star“ eine eher positive Bedeutung hat.
Einen lediglich anpreisenden oder ausschließlich produktbeschreibenden Charakter hat die Bezeichnung nicht, da nicht feststellbar ist, welche Bedeutung dem Bestandteil „star“ in Verbindung mit dem Begriff „rag“ zukommt. Selbst wenn die angesprochenen Verbraucher in der Lage sein sollten, die Wortkombination mit „Stofffetzenstar“, „Stofflappenstar“ oder „Lumpenstar“ zu übersetzen, bliebe der Bedeutungsgehalt der Wortkombination in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren vage und unscharf. Insoweit unterscheidet sich die streitgegenständliche Marke von der Marke „RAG WEAR“ in dem Verfahren 27 W (pat) 34/98, die übersetzt „Fetzenkleidung, Lumpenkleidung“ bedeutet und für Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen eine glatt beschreibende Angabe ist.
Belege für eine beschreibende oder anpreisende Verwendung der englischsprachigen Bezeichnung „ragstar“ im Inland hat die Markenstelle nicht ermittelt und konnten auch vom Senat nicht festgestellt werden. Das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft kann der angemeldeten Bezeichnung daher nicht abgesprochen werden.
Einer Registrierung steht auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen, da „ragstar“ aus den genannten Gründen keine beschreibende Bedeutung hat.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.