Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 05.10.2012


BPatG 05.10.2012 - 27 W (pat) 583/11

Markenbeschwerdeverfahren - "Cleverteens" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
05.10.2012
Aktenzeichen:
27 W (pat) 583/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 042 424.9

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2012

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Oktober 2011 wird insoweit aufgehoben, als der angemeldeten Marke der Schutz versagt wurde.

Gründe

I.

1

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Wortmarke

2

Cleverteens

3

mit Antrag vom 26. Oktober 2010 nach Beanstandung mit Bescheid vom 11. Februar 2011 mit Beschluss vom 14. Oktober 2011, u. a. für die nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Anmelderin im Beschwerdeverfahren noch streitgegenständliche Waren der

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Klasse 18:  Taschen

5

nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, da der angemeldeten Wortfolge die erforderliche Unterscheidungskraft fehle.

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Sie hat dies damit begründet, "Cleverteens" stelle auch eine warenbezogene Angabe dar, die keinen einzelnen, hinreichend eigenständigen, schutzfähigen Bestandteil aufweise, um die Schutzfähigkeit zu begründen.

7

Die angemeldete Bezeichnung setze sich ohne weiteres erkennbar aus den beiden englischen Wörtern "clever" und "teens" zusammen, welche den angesprochenen Verkehrskreisen in ihren Bedeutungen "begabt, einfallsreich, pfiffig, raffiniert, intelligent, aufgeweckt, schlau" und "Plural von Teen, Teenager, Jugendlicher zwischen 13 und 19 Jahren" ohne weiteres verständlich seien.

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Im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren werde das angesprochene Publikum die Wortverbindung ohne weiteres Nachdenken als unmittelbar beschreibenden Hinweis auf deren Bestimmung erkennen, nämlich als Hinweis, dass sich die so gekennzeichneten Waren der Klasse 18 an clevere Teens richteten und für diesen Abnehmerkreis bestimmt und geeignet seien. Dabei könne die angemeldete Bezeichnung zudem darauf hinweisen, dass diese Waren Jugendlichen ein pfiffiges, raffiniertes Aussehen ermöglichten.

9

Die Bezeichnung sei deswegen auch nicht mehrdeutig.

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Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Verbraucher daran gewöhnt seien, dass sich die Werbesprache oft verkürzter, plakativer Ausdrucksweisen bediene, um Sachverhalte kurz, schnell und unkompliziert zu vermitteln. Auch könne in Bezug auf verbraucherorientierte Sachinformationen, insbesondere wenn sie allgemeine Sachverhalte beschreiben sollen, eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit sogar erforderlich sei, um einen möglichst breiten Bereich warenbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können. Entscheidend sei allein, dass die angemeldete Gesamtbezeichnung hier eine sich aus dem originären Wortverständnis heraus ergebende und für das Publikum ohne weiteres verständliche Sachaussage enthalte.

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Dabei könne auch die Auslassung der Leerzeichen zwischen den beiden Wörtern dem angemeldeten Zeichen nicht jenes Maß an Einfallsreichtum verleihen, das notwendig wäre, um eine Eintragung zu ermöglichen. Die hier gewählte Zusammenschreibung der beiden Wörter sei lediglich werbeüblich und nicht geeignet, einen Herkunftshinweis zu geben.

12

"Cleverteens" fehle jegliche Unterscheidungskraft. Ob auch ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliege, wofür einiges spreche, könne aufgrund der bereits fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.

13

Der Beschluss ist der Anmelderin am 19. Oktober 2011 zugestellt worden.

14

Dagegen bzw. gegen bzw. die vorausgegangene Beanstandung der Markenstelle wendet sie sich mit ihrer Beschwerde von Montag, dem 21. November 2011, und verfolgt ihren Eintragungsantrag mit Beschränkung auf die Waren der Klasse 18 weiter.

15

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, das angemeldete Zeichen weise in seiner Gesamtheit weder einen für die noch angemeldeten Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf noch bezeichne es ein Merkmal der in Frage stehenden Waren bzw. stelle ein solches werblich heraus. Vielmehr handle es sich um eine neue Wortschöpfung, die zunächst keine Bedeutung habe. Erforderlich hierfür wäre zumindest eine analysierende Betrachtungsweise mit weiteren gedanklichen Zwischenschritten, die die Rechtsprechung verbiete. Mithin könne keine Rede davon sein, dass der angebliche Sachhinweis eindeutig und unmissverständlich hervortrete, was für das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft aber notwendig wäre. Unbestreitbar sei es aber nicht ein wesentliches Merkmal der beanspruchten Waren, dass diese sich "an clevere Teens richten". Damit bestehe auch die Möglichkeit, das angemeldete Zeichen für die fraglichen Waren so zu verwenden, dass es ohne weiteres als Marke verstanden werde.

16

Bei der Markenanmeldung handle es sich um die grammatikalisch unübliche Verbindung zweier Begriffe der englischen Sprache, die in der vorliegenden Form selbst in der englischen Sprache nicht existierten. Insbesondere bei Begriffen einer Fremdsprache könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese vom inländischen Publikum verstanden würden.

17

Unabhängig davon könne ohnehin nicht ohne weiteres angenommen werden, dass diese Begriffe dem angesprochenen Publikum bekannt seien. Nur weil in Internetwörterbüchern oder im Duden Übersetzungen bzw. Erklärungen der das Zeichen bildenden englischen Begriffe zu finden seien, hieße dies nicht, dass diese den Angesprochenen bekannt seien. Auch wenn das angemeldete Zeichen in dem von der Markenstelle unterstellten Sinne verstanden würde, würde das angesprochene Publikum unmittelbar und ohne jegliche gedankliche Zwischenschritte und ohne Analyse des Begriffs nicht annehmen, dass die angemeldeten Waren, also Taschen, gleichermaßen für begabte und einfallsreiche Jugendliche gedacht, bestimmt und auf diese zugeschnitten seien. Denn bei diesen Waren entspreche es nicht den Branchengewohnheiten, sie durch ihre Adressaten zu charakterisieren.

18

Schließlich rechtfertigen zahlreiche Voreintragungen die Eintragung des angemeldeten Zeichens.

19

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

20

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Oktober 2011 insoweit aufzuheben, als der Wortmarke 30 2010 042 424.9 "Cleverteens" die Eintragung versagt worden ist.

21

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.

22

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG ) und hat nach Einschränkung des Warenverzeichnisses auch in der Sache Erfolg.

1.

23

Für die verbliebenen Waren der Klasse 18 "Taschen" kann "Cleverteens" das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden und auch ein Freihaltungsbedürfnis zugunsten der Mitbewerber i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht insoweit nicht.

a)

24

Einer Registrierung der angemeldeten Wortkombination als Marke fehlt für die noch beanspruchten Waren nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

25

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

26

Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Kreise zu beurteilen, wobei die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Dienstleistungen maßgeblich ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 - SAT.2).

27

Kann einem Wortzeichen für die fraglichen Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugerechnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH, GRUR 2009, 778 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 - hey!).

28

Den sich daraus ergebenden markenrechtlich gebotenen Anforderungen an die Unterscheidungskraft wird "Cleverteens" im Kontext mit den noch beanspruchten Waren gerecht.

29

"Cleverteens" weist für Taschen keine für das inländische Publikum auf der Hand liegende Beschreibung auf. Zu einem gegenteiligen Schluss könnte man nur in mehreren gedanklichen Schritten kommen. Eine derartige analysierende Betrachtungsweise im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist jedoch unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung ergibt (vgl. BGH, GRUR 2001, 162, 163  - Rational Software Corporation).

30

Den von der Markenstelle als Grundbedeutung angesehenen Sinngehalt des erkennbar aus den beiden englischen Wörtern "clever" und "teens" zusammengesetzten Begriffs mit der Übersetzung "begabt, einfallsreich, pfiffig, raffiniert, intelligent, aufgeweckt, schlau" bzw. "Plural von Teen, Teenager, Jugendlicher zwischen 13 und 19 Jahren" versteht das angesprochene Publikum für die noch beanspruchten Waren nicht beschreibend.

31

Es ist auch weder nachgewiesen noch ersichtlich, dass sich der Begriff "Cleverteens" zu einer gebräuchlichen Bezeichnung für Taschen entwickelt hat.

b)

32

Das angemeldete Zeichen unterliegt für Taschen auch keinem Freihaltungsbedürfnis im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weil es insoweit keine Merkmalsbezeichnung ist.

33

Diese Vorschrift verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale von Waren dienen können, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428).

34

Unter die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fallen nur solche Angaben, die im normalen Sprachgebrauch die angemeldeten Waren entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können.

35

"Cleverteens" bezeichnet keine Behältnisse oder Beutel o. ä. nach ihrer Art, wie oben dargestellt wurde. "Cleverteens" kann ohne analysierende Betrachtung auch keine unmittelbare Aussage und nachvollziehbare Bedeutung für die beanspruchten Waren entnommen werden.

36

Im Umfang der nach Einschränkung des Warenverzeichnisses verbliebenen Waren konnte der angefochtene Beschluss der Markenstelle daher keinen Bestand haben.

3.

37

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass, nachdem erst die Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses der Beschwerde zum Erfolg verholfen hat.