Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.02.2013


BPatG 26.02.2013 - 27 W (pat) 576/11

Markenbeschwerdeverfahren – "JENATEC-CYCLING/TEAM JENATEC" – zur Dienstleistungsähnlichkeit und –identität – zur Prägung der Marken durch einen Wortbestandteil - teilweise schriftbildliche und klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
26.02.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 576/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 002 256

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Februar 2013. durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Kopacek

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. August 2011 wird teilweise aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 307 48 600 gegen die Marke 30 2009 002 256 hinsichtlich der Dienstleistungen „sportliche Aktivitäten, Unterhaltung, Ausbildung“ zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Marke 30 2009 002 256 hinsichtlich der vorgenannten Dienstleistungen zu löschen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 14. Januar 2009 angemeldete und am 3. April 2009 für die Dienstleistungen

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„sportliche Aktivitäten, kulturelle Aktivitäten, Unterhaltung, Erziehung, Ausbildung“

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eingetragene Wortmarke 302 009 002 256

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JENATEC-CYCLING

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hat die Widersprechende aus ihrer am 24. Juli 2007 angemeldeten und am 17. Dezember 2007 für die Dienstleistungen

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„35: Sportwerbung;

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41: Organisation und Durchführung von sportlichen Veranstaltungen, Leitung eines Radsportteams, nämlich Training im sportlichen Bereich; Coaching“

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eingetragenen Wortmarke 307 48 600

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TEAM JENATEC

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Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch wird auf alle Dienstleistungen der Widerspruchsmarke gestützt und richtet sich gegen alle Dienstleistungen der angegriffenen Marke.

11

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 11. August 2011 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, ausgehend von teilweiser Dienstleistungsidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hielten die Vergleichsmarken den erforderlichen Abstand aufgrund der unterschiedlich positionierten Bestandteile „TEAM“ und „CYCLING“ ein. Die jüngere Marke werde nicht durch das Markenwort „JENATEC“ geprägt, da beide Bestandteile beschreibend seien. Bei einer Kombination aus beschreibenden und/oder kennzeichnungsschwachen Bestandteilen sei grundsätzlich keiner allein geeignet, den Gesamteindruck eines Zeichens zu prägen. Außerdem seien beide Wortbestandteile sowohl grammatikalisch als auch dem Sinn nach als eine aufeinander bezogene begriffliche Einheit zu werten, in der das vorangestellte JENATEC“ das Wort „CYCLING“ näher spezifiziere. Der Bestandteil „JENATEC“ habe im angegriffenen Zeichen auch keine selbständig kennzeichnende Stellung, da er mit dem weiteren Bestandteil „CYCLING“ eine Gesamtbezeichnung bilde.

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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Er hält die Marken für verwechselbar, da beide Marken jeweils von dem nicht beschreibenden gemeinsamen Bestandteil „JENATEC“ geprägt würden. Die jeweils beschreibenden weiteren Bestandteile „TEAM“ und „CYCLING“ seien jeweils nicht geeignet, den Gesamteindruck der Marken mitzuprägen.

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Der Widersprechende beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle vom 11. August 2011 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

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Die Inhaberin des angegriffenen Zeichens beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss und hält die Marken aufgrund der unterschiedlichen Bestandteile „TEAM“ und „CYCLING“ schriftbildlich, begrifflich und klanglich nicht für verwechselbar.

18

Im Übrigen sei die Widerspruchsmarke bösgläubig angemeldet worden, da der Widersprechende durch die Anmeldung der Marke seine vertraglichen Nebenpflichten aus dem zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden Sponsoringvertrag verletzt habe. Beim Landgericht sei insoweit ein Löschungsverfahren anhängig.

II.

19

Die zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg, weil im Hinblick auf die im Tenor genannten Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den Marken besteht.

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1. Da kein Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vorliegt und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, nachdem der Widersprechende ausreichend Gelegenheit hatte, seine Beschwerde zu begründen, und die Inhaberin des angegriffenen Zeichens ausreichend Gelegenheit hatte, zu der Beschwerde des Widersprechenden schriftlich Stellung zu nehmen (§ 69 MarkenG).

21

2. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG u. a. zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen besteht. Dabei stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein größerer Grad einer Komponente den geringeren Grad einer anderen ausgleichen kann (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2010, 235 - Aida/Aidu; EuGH GRUR 2005, 142 - Thomson Life).

22

Der Schutz der älteren Marke ist dabei auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft von Waren oder Dienstleistungen, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2007, 318 - Adam Opel/Autec).

23

Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen den Vergleichsmarken teilweise die Gefahr von Verwechslungen.

24

a) Die zugunsten des angegriffenen Zeichens eingetragene Dienstleistung „sportliche Aktivitäten“ ist mit den für die Widerspruchsmarke in der Klasse 41 eingetragenen Dienstleistungen „Organisation und Durchführung von sportlichen Veranstaltungen, Leitung eines Radsportteams, nämlich Training im sportlichen Bereich“ identisch. Die Dienstleistungen „kulturelle Aktivitäten, Unterhaltung“ sind mit den vorgenannten Dienstleistungen der Widerspruchsmarke wegen thematischer Überschneidungen hochgradig ähnlich (ebenso Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 15. Aufl., S. 355 unter Hinweis auf BPatG 29 W (pat) 9/08 zum Verhältnis kulturelle Aktivitäten/Sportveranstaltungen). Eine hochgradige Ähnlichkeit besteht auch zwischen den angegriffenen Dienstleistungen „Erziehung, Ausbildung“ und der zugunsten der Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistung „Coaching“.

25

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte durchschnittlich.

26

c) Den danach erforderlichen weiten Abstand halten die Marken in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht teilweise nicht ein. Beide Marken stimmen in dem gemeinsamen Bestandteil „JENATEC“ überein. Bei dieser Ausgangslage kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr grundsätzlich nur bejaht werden, wenn der Gesamteindruck der mehrbestandteiligen Marken gerade durch den mit der Gegenmarke übereinstimmenden Bestandteil geprägt wird und deren übrige Bestandteile demgegenüber weitgehend in den Hintergrund treten und für den Gesamteindruck der Zeichen vernachlässigt werden können (vgl. zu dieser sog. „Prägetheorie“ Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rn. 330 ff. sowie u. a. BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang).

27

Die Widerspruchsmarke wird von dem nachgestellten Wortbestandteil „JENATEC“ geprägt. Der ursprünglich aus dem englischen stammende und in die deutsche Sprache eingegangene weitere Wortbestandteil „TEAM“ bedeutet

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1. „Gruppe von Personen, die gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten“ oder

29

2. „Mannschaft (vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., Mannheim 2006)

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und ist als glatt beschreibende Angabe für die zugunsten der Widerspruchsmarke in der Klasse 41 eingetragenen Dienstleistungen nicht geeignet, die Widerspruchsmarke mitzuprägen oder eine Prägung durch „JENATEC“ zu verhindern. Gerade im Bereich des hier relevanten Radsports ist es üblich, dass die Fahrer bei einem Rennen für ein Team bzw. eine Mannschaft antreten (z. B. früher Team Telekom oder heute Team Europcar, Team Sky oder Team Lotto; bei olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften für das jeweilige Nationalteam).

31

Die Wortfolge „TEAM JENATEC“ verkörpert auch keinen im Bedeutungsgehalt feststehenden Gesamtbegriff, der der Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr entgegenstehen würde.

32

Bei der jüngeren Marke vermag der Senat eine Prägung durch den vorangestellten Bestandteil „JENATEC“ nur bezüglich der Dienstleistungen „sportliche Aktivitäten, Unterhaltung, Ausbildung“ zu bejahen. Das nachgestellte englische Wort „CYCLING“ bedeutet übersetzt „Radfahren, Radsport“ (vgl. Duden-Oxford Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl., Mannheim) und ist als glatt beschreibende Angabe für „sportliche Aktivitäten“ nicht geeignet, die jüngere Marke mitzuprägen. Dies gilt auch bezüglich der Dienstleistungen „Unterhaltung und Ausbildung“, da „CYCLING“ insoweit ebenfalls deren Gegenstand bzw. Thema beschreibt. So dienen Radsportveranstaltungen wie z. B. die bekannten Sechstagerennen der Unterhaltung der Zuschauer. Eine Ausbildung im Radfahren erhalten Schüler in Deutschland üblicherweise bereits im Grundschulalter.

33

Einen Gesamtbegriff vermag der Senat der Wortfolge „JENATEC-CYCLING“ entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht zu entnehmen.

34

Keine Prägung der jüngeren Marke durch den Bestandteil JENATEC besteht jedoch für die übrigen Dienstleistungen „kulturelle Aktivitäten, Erziehung“. Bezüglich dieser Dienstleistungen lässt sich dem Wort „CYCLING“ bzw. „Radfahren“ keine beschreibende Bedeutung entnehmen, so dass dieses Wort die jüngere Marke jeweils insoweit mitprägt und deutlich von der Widerspruchsmarke unterscheidet.

35

Einer teilweisen Löschung der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen „sportliche Aktivitäten, Unterhaltung, Ausbildung“ steht auch nicht die Behauptung der Inhaberin des angegriffenen Zeichens entgegen, der Widersprechende habe die Widerspruchsmarke bösgläubig angemeldet. Die angebliche Schutzunfähigkeit einer eingetragenen Widerspruchsmarke kann nur Gegenstand eines Löschungsverfahrens sein und ist im Widerspruchsverfahren ebenso unbeachtlich wie ein angeblicher Rechtsmissbrauch des Widersprechenden (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 42 Rn. 61).

36

3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

37

a) Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten getroffen worden ist.