Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.08.2011


BPatG 18.08.2011 - 27 W (pat) 567/10

Markenbeschwerdeverfahren – "MAPA/MAPA (IR-Marke)" – zur Kennzeichnungskraft – zur Warenähnlichkeit – teilweise Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
18.08.2011
Aktenzeichen:
27 W (pat) 567/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 074 020

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. August 2011 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

I Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Juni 2010 wird insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke IR 287 549 gegen die Marke 30 2008 074 020 hinsichtlich der Waren „Herrenhosen und Herrenoberbekleidung“ zurückgewiesen worden ist.

II Im Umfang der Aufhebung ist die Marke 30 2008 074 020 hinsichtlich der vorgenannten Waren zu löschen.

III Im Übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die am 21. November 2008 angemeldete und am 19. Januar 2009 für die Waren

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 7: Schneidemaschinen, Messer (Maschinenteile);

3

21: Keramikerzeugnisse für den Haushalt, soweit in Klasse 21 enthalten;

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25: Herrenhosen und Herrenoberbekleidung

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eingetragene Wortmarke 30 2008 074 020

6

MAPA

7

hat die Widersprechende aus ihrer am 15. August 1964 eingetragenen Wortmarke IR 287 549

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MAPA

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die in Deutschland für die Waren

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17: Gants, notamment gants en cautchouc ou en matière plastique, matière à calfeutrer, étouper, isoler, amiante, tuyaux felxibles non métalliques

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(Deutsche Übersetzung: Handschuhe, nämlich Handschuhe aus Gummi oder aus Kunststoff, Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial, Asbest, flexible Schläuche, nicht aus Metall)

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28: Jeux, jouets

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(Deutsche Übersetzung: Spiele, Spielwaren)

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geschützt ist, Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch wird auf alle Waren der Widerspruchsmarke gestützt und richtet sich gegen alle Waren der angegriffenen Marke.

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Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 2. Juni 2010 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr scheitere an der fehlenden Warenähnlichkeit, wobei die Markenstelle von Markenidentität, einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund langjähriger intensiver Benutzung für „(Schutz-)Handschuhe“ und im Übrigen durchschnittlicher Kennzeichnungskraft ausgegangen ist. Bei den Waren „Handschuhe“, auf die die Widersprechende im Wesentlichen ihren Vortrag stütze, handle es sich um Isolierhandschuhe aus Gummi oder Kunststoff, die vor allem für den industriellen Einsatz geeignet seien. Deshalb fielen diese in Klasse 17. Sie seien entgegen des Vortrags der Widersprechenden keinesfalls mit „Haushaltshandschuhen“ für den normalen Gebrauch verwechselbar. Diese gehörten der Klasse 21 an und hätten neben einem völlig anderen Verwendungszweck auch andere Vertriebsstätten und Konsumenten. Dass diese „Isolierhandschuhe“ aus Klasse 17 mit den Waren „Herrenhosen und Herrenoberbekleidung“ der jüngeren Marke verwechselbar sein sollen, entbehre jeder Grundlage. Das gelte ebenso für den Vortrag der Widersprechenden hinsichtlich der Waren „(Schutz-)Handschuhe“ und „Schneidemaschinen, Messer (Maschinenteile)“ der angegriffenen Marke. Der Vortrag der Widersprechenden, die „Handschuhe“ schützten vor Schnitten, also seien sie den Schneidemaschinen und Messern ähnlich, könne keine Verwechslungsgefahr begründen. „Schutzhandschuhe“ sowie „Schneidemaschinen und Messer“ würden von völlig verschiedenen Anbietern produziert. Der Konsument werde hier keinen Bezug der Unternehmen untereinander annehmen. Zudem handle es sich um „Isolierhandschuhe, nämlich aus Gummi oder Kunststoff“ und diese schützten eher vor Chemikalien und Flüssigkeiten, aber nicht vor Schnitten von Messern.

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Auch dass es sich bei den Waren der jüngeren Marke um „haushaltsnahe Waren bzw. Waren des täglichen Bedarfs“ handle und dies bei den Waren der älteren Marke ebenso sei, könne keine Verwechslungsgefahr begründen. Dem allgemeinen Verständnis nach gehörten „Isolierhandschuhe, Dichtungs- und Isoliermaterial, flexible Schläuche“ oder „Schneidemaschinen, Messer (Maschinenteile)“ nicht zum täglichen Bedarf der Konsumenten. Im Übrigen gehörten „Haushaltshandschuhe“ in Klasse 21 und nicht wie die „Isolierhandschuhe“ der Widersprechenden in Klasse 17. Diese Handschuhe in Klasse 17 seien gerade keine normalen Haushaltshandschuhe, sondern industriell benötigte (Schutz-)Handschuhe. Auch die eingereichten Unterlagen der Widersprechenden ließen das erkennen.

17

Das angesprochene Publikum könne deshalb nicht erwarten, dass die beiderseitigen Waren unter der Kontrolle desselben Unternehmens hergestellt oder vertrieben würden, welches für ihre Qualität verantwortlich sei.

18

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die beide Marken für verwechselbar hält. Entgegen der Auffassung der Markenstelle bestehe Warenähnlichkeit. Die Waren würden über die gleichen Vertriebskanäle bzw. in den gleichen Vertriebsstätten zum Verkauf angeboten. Das gelte besonders für die von der Widerspruchsmarke erfassten Waren der Klasse 17, nämlich Handschuhe, und die von der angegriffenen Marke erfassten Waren der Klasse 25, nämlich Herrenhosen und Herrenoberbekleidung. Sie würden nebeneinander in Fachgeschäften für Spezial- und Berufsbekleidung oder über entsprechende Versandkataloge vertrieben. Die Widersprechende verweist hierzu auf zwei als Anlagen eingereichte Kataloge eines Unternehmens, in denen sowohl Schutzhandschuhe als auch Berufsbekleidung jeglicher Art und dementsprechend auch Herrenhosen und Herrenoberbekleidung abgebildet sind. Daher würde das von diesen Waren angesprochene Publikum davon ausgehen, dass die mit der angegriffenen Wortmarke gekennzeichneten Herrenhosen bzw. gekennzeichnete Herrenoberbekleidung vom Hersteller der mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Schutzhandschuhe oder einem mit diesem wirtschaftlich (über einen Lizenzvertrag) verbundenen Unternehmen stammten.

19

Darüber hinaus handle es sich bei den Waren entgegen der Auffassung der Markenstelle um einander ergänzende Produkte. Dies gelte insbesondere für die von der Widerspruchsmarke erfassten Waren der Klasse 17, nämlich Handschuhe, und für die von der angegriffenen Marke erfassten Waren der Klasse 7, nämlich Schneidemaschinen, Messer (Maschinenteile).

20

Das von den Schneidemaschinen bzw. Messern (Maschinenteile) angesprochene Publikum, das sich zugleich gegen die mit dem Einsatz dieser Waren verbundenen mechanischen Risiken bzw. Schnittrisiken durch den Einsatz von entsprechenden und von der Widerspruchsmarke erfassten Schutzhandschuhen schützen wolle, ginge davon aus, dass die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Schutzhandschuhe vom Hersteller der mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Schneidemaschine bzw. Messer (als Maschinenteil) oder einem von diesem wirtschaftlich (z. B. über einen Lizenzvertrag) verbundenen Unternehmen stammten und/oder umgekehrt.

21

Die Widersprechende beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle vom 2. Juni 2010 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

23

Der in China ansässige Markeninhaber hat sich weder im Amtsverfahren noch im Beschwerdeverfahren zur Sache geäußert.

II

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1. Da die Beteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben und diese nach Wertung des Senats auch nicht geboten ist, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Dass sich der Markeninhaber im Beschwerdeverfahren nicht geäußert hat, steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs gebietet es lediglich, den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu geben, Stellungnahmen zum Sachverhalt abzugeben und ihre eigene Auffassung zu den entsprechenden Rechtsfragen darzulegen sowie Anträge zu stellen. Nachdem dem Markeninhaber die Beschwerdebegründung am 25. Oktober 2010 zugestellt wurde, bestand hierzu hinreichend Gelegenheit.

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2. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat teilweise Erfolg, weil im Hinblick auf die im Tenor genannten Waren eine Verwechslungsgefahr gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 112, § 114 MarkenG besteht.

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Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser zukommende Schutzumfang in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei besteht eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, 238, Nr. 18 f. - Picasso; BGH GRUR 2007, 321, 322 - Cohiba).

27

Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr in Bezug auf die im Tenor genannten Waren der angegriffenen Marke nicht verneint werden, da diese mit den für die Widerspruchsmarke in der Klasse 17 geschützten Waren zumindest entfernt ähnlich sind.

28

a) Die Ähnlichkeit der jeweils beanspruchten Waren ist unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren zu ermitteln, die das Verhältnis der Waren zueinander kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere Beschaffenheit, Verwendungszweck und Nutzung sowie Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923, Rn. 23 - Canon); daneben können auch die regelmäßige betriebliche Herkunft, der Vertriebs- und Erbringungsort sowie die wirtschaftliche Bedeutung Berücksichtigung finden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rn. 27 m. w. Nachw.). Abzustellen ist aber vor allem darauf, ob zwischen den jeweils angebotenen Produkten so enge Beziehungen bestehen, dass sich den Abnehmern, wenn sie die Waren mit denselben Zeichen gekennzeichnet wahrnehmen, der Schluss aufdrängt, dass diese Waren vom selben oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 924, Rn. 29 - Canon).

29

Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen den für die angegriffene Marke in der Klasse 25 geschützten Herrenhosen und Herrenoberbekleidung und den für die Widerspruchsmarke in der Klasse 17 eingetragenen Handschuhen zumindest eine entfernte Ähnlichkeit. Auch wenn es sich bei den Handschuhen der Widerspruchsmarke um spezielle Arbeitshandschuhe handelt, ändert dies nichts daran, dass die Handschuhe auch unter den Oberbegriff „Bekleidungsstücke“ fallen, zu dem auch Herrenhosen und Herrenoberbekleidung gehören. Hinzu kommt, dass es spezielle Arbeitshosen und -oberbekleidungsstücke für Herren gibt, die sich an die gleichen Interessenten richten wie die Arbeitshandschuhe der angegriffenen Marke. Das zeigen z. B. die von der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren vorgelegten Kataloge des Anbieters K., in denen sowohl Arbeitshandschuhe als auch Herrenhosen und Oberbekleidungsstücke abgebildet sind.

30

Keine Ähnlichkeit vermag der Senat entgegen der Auffassung der Widersprechenden zwischen den zugunsten der angegriffenen Marke in der Klasse 7 eingetragenen Waren Schneidemaschinen sowie Messer (Maschinenteile) einerseits und den Handschuhen der Widerspruchsmarke andererseits zu erkennen. Dass Arbeitshandschuhe u. a. dazu dienen können, Schnittverletzungen zu vermeiden, begründet keine Warenähnlichkeit. Das von den Waren angesprochene Publikum wird nicht ernsthaft annehmen, dass der Hersteller von Schutzhandschuhen gleichzeitig Schneidemaschinen und Messer produziert.

31

Keine Ähnlichkeit besteht auch zwischen den zugunsten der angegriffenen Marke in der Klasse 21 eingetragenen Keramikerzeugnissen für den Haushalt und den Waren der Widerspruchsmarke, da für einen denkbaren Hitzeschutz durch Handschuhe die zum Schnittschutz angeführten Argumente verstärkt gelten.

32

Bezüglich der zugunsten der angegriffenen Marke in den Klassen 7 und 21 eingetragenen Waren scheitert eine Verwechslungsgefahr somit an der fehlenden Warenähnlichkeit mit den zugunsten der Widerspruchsmarke eingetragenen Waren.

33

b) Bezüglich der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hat der Senat Bedenken an der Auffassung der Markenstelle, die für Handschuhe von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft aufgrund langjähriger intensiver Benutzung ausgegangen ist. Den von der Widersprechenden hierzu im Amtsverfahren vorgelegten Unterlagen lassen sich keine Angaben zu in Deutschland erzielten Umsatzzahlen entnehmen. Letztlich kann die Frage der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hier jedoch dahingestellt bleiben, da - soweit wenigstens eine entfernte Warenähnlichkeit gegeben ist - eine Verwechslungsgefahr auch dann zu bejahen ist, wenn man lediglich von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgeht, da die einander gegenüberstehenden Marken schriftbildlich und klanglich identisch sind.

34

3. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass, zumal der Widerspruch nur teilweise Erfolg hat.