Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.05.2014


BPatG 27.05.2014 - 27 W (pat) 560/13

Markenbeschwerdeverfahren – "act and speak (Wort-Bild-Marke)" – zur Eintragungsfähigkeit einer Wort-Bild-Marke: bei weniger deutlichem Sachbezug der Wortbestandteile tritt die Bildwirkung im Gesamteindruck stärker hervor - Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
27.05.2014
Aktenzeichen:
27 W (pat) 560/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die international registrierte Marke IR 1 071 813

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung am 27. Mai 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Hermann und des Richters k.A. Schmid

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 IR des DPMA vom 13. September 2013 wird insoweit aufgehoben, als der IR-Marke 1 071 813 der Schutz für „writing of texts, other than publicity texts, scriptwriting services, computer software design, computer programming“ verweigert wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die auf der tschechischen Basisanmeldung vom 19. November 2009 beruhende Registrierung der Wort-/Bildmarke IR 1 071 813 vom 9. September 2010

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(rot/blau/weiß/schwarz/grau)

Abbildung

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erstreckt sich auf die Dienstleistungen

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Kl. 41: Organisation of competitions (education or entertainment), tuition, teaching, film production, production of shows, club services (education or entertainment), education information, holiday camp services (entertainment), practical training (demonstration), arranging and conducting of seminars, organization of shows (impresario services), writing of texts, other than publicity texts, scriptwriting services

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Kl. 42: Computer software design, computer programming.

6

Die Markenstelle für Kl. 41 IR hat der Marke den Schutz durch Beschluss vom 13. September 2013 verweigert, weil sie konkreter Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entbehre. Die dem englischen Grundwortschatz zurechenbare und sprachüblich gebildete Wortfolge bedeute „agiere und spreche“. Die angesprochenen Adressaten einschließlich allgemeiner Nutzerkreise verstünden diese Aufforderungen in Bezug auf die registrierten Dienstleistungen als inhaltliche Bestimmung, die auf eine hierauf bezogene Schulung oder auf den Einsatz dieser Äußerungsformen als methodisches Instrument hinweise. Im Hinblick auf in der inländischen Werbung verbreitete Verwendung von Anglizismen werde die Angabe „act and speak“ unmittelbar und eindeutig in diesem Sinn aufgefasst.

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Auch die grafische Gestaltung weise keine zulängliche Eigenart auf. Sie erschöpfe sich in werbeüblichen Maßnahmen zur dekorativen Hervorhebung der Sachaussage.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin. Angesichts des anzusetzenden großzügigen Maßstabs räume jedes noch so geringe Maß an Unterscheidungskraft das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aus. Außerdem unterziehe das Publikum als Marken verwendete Zeichen keiner analysierenden Betrachtung. Die Wortfolge „act and speak“ nehme nicht auf Merkmale der eingetragenen Dienstleistungen Bezug und sei daher als solches, zumal unter Einbeziehung der hier verwendeten Imperativform ohne dienstleistungsbeschreibenden Gehalt. Der Angabe „agiere und spreche“ entbehre eines konkreten Bezugs zu den in Rede stehenden Dienstleistungen; sie benenne lediglich in allgemeiner Weise Verhaltens- oder Äußerungsformen, die jeder mit Interaktion verbundenen Ausbildungsleistung innewohnten.

9

Jedenfalls verfüge die Marke im Hinblick auf ihre grafische Ausführung über Unterscheidungskraft. Eine werbeübliche Bildwirkung liege nicht vor. Die grafische Gestaltung werde durch die auffällige Ausführung der runden Fläche nebst mit Trennlinien versehener Umrandung, die im Vergleich zur Wortkomponente wesentlich raumgreifender sei, als eigenständiges und nicht nur dekorativ verstärkendes grafisches Element wahrgenommen.

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Auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertige die Verweigerung des Zeichenschutzes nicht.

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Die Inhaberin beantragt,

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den angegriffenen Beschluss der Markenstelle vom 13. September 2013 aufzuheben.

II.

13

Die statthafte (s. § 64 Abs. 6 MarkenG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der von der Markenstelle angenommene Schutzverweigerungsgrund fehlender Unterscheidungskraft, vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i.V.m. §§ 119, 124, 113 MarkenG, ist nur bezogen auf einen Teil der von der Eintragung umfassten Dienstleistungen gegeben, nämlich für

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41: Organisation of competitions (education or entertainment), tuition, teaching, film production, production of shows, club services (education or entertainment), education information, holiday camp services (entertainment), practical training (demonstration), arranging and conducting of seminars, organization of shows (impresario services).

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Bezogen auf die im Entscheidungstenor genannten Dienstleistungen ist dieses oder ein anderes Schutzhindernis demgegenüber nicht festzustellen.

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Das international registrierte Zeichen verfügt in der maßgebenden Gesamtheit ungeachtet des geltenden großzügigen Maßstabs (vgl. BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister) nur teilweise über die erforderliche Eignung, als betriebliches Unterscheidungsmittel zu wirken, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. In Ansehung der o.g. Dienstleistungen erschöpft es sich nämlich auch unter Berücksichtigung seiner grafischen Ausgestaltung in einer unmittelbar erfassbaren Sachangabe, die den Inhalt der beanspruchten Dienstleistungen bestimmt (vgl. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 14 – HOT).

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Die dem englischen Grundwortschatz zurechenbaren, hier in der Imperativform verwendeten Verben „act“ und „speak“ können – unter Konkretisierung des von der Markenstelle zugrunde gelegten Begriffsgehalts – sinngemäß „spiele/mime und sprich“ bedeuten. „to act“ steht u.a. für „sich verhalten, mimen, (schau-) spielen“ (vgl. dict.leo.org; Klett, Thematischer Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, 1. Aufl., 2006, S. 87, 186). Die Bedeutung „(schau-) spiele“ ist aufgrund des komplementären Sachzusammenhangs zu „speak“ und im Kontext der betroffenen Dienstleistungen nahe gelegt. Dieses Verständnis wird ferner durch andere, derselben Wortfamilie zugehörige Grundbegriffe wie „actor“, „actress“ oder unmittelbar „act“ (Substantiv „Akt“) unterstützt.

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Die bezogen auf Fremdsprachenausbildung nachweisbare Wortfolge (z.B. actandspeak.blogspot.de) ist ein unmittelbar sinnfällige Benennung dessen, was Gegenstand oder Methodik der Dienstleistungen sein kann, sei es in Form von Wettbewerben oder Unterhaltungsveranstaltungen im Bereich dieser zusammengehörigen künstlerischen Ausdrucksformen oder als Hinweis auf eine Lernmethode, die dem Umstand Rechnung trägt, dass die Aneignung von Lerninhalten, insbesondere Sprachen, durch aktive Anwendung des Stoffs gefördert wird (vgl. hierzu sog. „Erlebnispädagogik“ oder zahlreiche Sprachveranstaltungen, denen „darstellendes Spiel“ zugrunde liegt, etwa Goethe-Institut unter Unterrichtsforum in www.forum-deutsch.ca.de). Dem Aussagegehalt der Wortfolge kann dadurch spezifischer Sachbezug und erheblicher Informationswert für die in Rede stehenden Dienstleistungen zukommen. Das geht über eine allgemeine Referenz auf Interaktionsformen, von denen in Zusammenhang nahezu jeder Dienstleistung mehr oder weniger ausgeprägt Gebrauch gemacht wird, hinaus. Bezogen auf Veranstaltungen mit Fremdsprachenbezug hat die Verwendung der fremdsprachigen Formulierung des Zeichens sogar einen sachlichen Grund, indem sie auf die zu erlernende Sprache hinweist.

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Von einem sachlichen Verständnis der Begriffe führt auch die Imperativform nicht weg. Sie hat nicht nur den werbepsychologischen Vorzug, potentielle Interessenten direkt anzusprechen, sondern verstärkt auch sachlich den Informationsgehalt, weil es die partizipationsorientierte Ausrichtung der Veranstaltung unterstreichen kann. Eine, wie die Inhaberin meint, originelle Formulierung, die Grundlage der Unterscheidungskraft der Zeichens bilden könnte, ist nicht gegeben.

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Der Sachbezug der Aussage ist allerdings weniger deutlich ausprägt, soweit die Marke für „writing of texts, other than publicity texts, scriptwriting services, computer software design, computer programming“ registriert ist. Insofern kann die Wortfolge nur als Ausdruck des Verwendungszwecks, dem die Ergebnisse der Dienstleistungen dienen sollen, verstanden werden. Ob derartige Zusammenhänge überhaupt und zudem in der hier eingetragenen Form als Gegenstand von Sachgaben in Betracht kommen, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil – abweichend zu den o.g. Dienstleistungen – insofern jedenfalls die grafische Zeichengestaltung zur Überwindung des Schutzhindernisses führt.

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Eine Wort-Bildmarke hat – unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft der Wortelemente – als Gesamtheit Unterscheidungskraft, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen das Publikum einen Herkunftshinweis sieht (vgl. BGH, GRUR 1991, 136, 137 – NEW MAN). Soweit die Wortkombination als klar sachbezogene Aussage wahrgenommen wird, hätte es hier eines auffallenden Hervortretens der grafischen Merkmale bedurft, um sich dem Publikum als Herkunftshinweis einzuprägen (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 – antiKALK; Beschl. v. 17.10.2013, I ZB 11/13 – grill meister). Die Anforderungen sind bezogen auf die Registrierung des Zeichens für die Dienstleistungen

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„writing of texts, other than publicity texts, scriptwriting services, computer software design, computer programming“

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demgegenüber niedriger anzusetzen, weil der Gesamteindruck eines aus Wort- und Bildelementen bestehenden Zeichens umso eher durch das grafische Element verfremdet werden kann, je undeutlicher der Sachbezug ist, den die Wortbestandteile vermitteln.

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Die bildliche Wiedergabe bedient sich zwar nicht einfachster gebrauchsgrafischer Mittel. Bezogen auf eine klare Sachangabe wirkt die gewählte Kreisdarstellung mit Rand in den Grundfarben rot und blau trotz gewisser Kompaktheit, die nach Form sowie Farbverteilung und -gebung im Ansatz an ein Verkehrszeichen erinnert, gleichwohl als Maßnahme, die sich in der grafischen Herausstellung der zentral angeordneten und den auffälligen roten Hintergrund weithin ausfüllenden Wortfolge erschöpft. Bei weniger deutlichem Sachbezug der Wortbestandteile tritt die Bildwirkung im Gesamteindruck stärker hervor. Dadurch kann der Marke insgesamt das zur Überwindung des Schutzhindernisses erforderliches Maß an Eigenprägung, das von einer Sachaussage eines beliebigen Anbieters wegführt, nicht abgesprochen werden. Auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG greift insoweit jedenfalls im Hinblick auf die grafische Ausführung ebenfalls nicht ein.