Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.01.2014


BPatG 27.01.2014 - 27 W (pat) 55/12

Markenbeschwerdeverfahren – "INGAST/INTERGAST" – zur Kostenauferlegung im Falle einer Widerspruchsrücknahme


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
27.01.2014
Aktenzeichen:
27 W (pat) 55/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 19 883

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Hermann und den Richter k.A.Schmid

beschlossen:

Der Antrag der Markeninhaberin auf Kostenauferlegung wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die Marke 307 19 883

2

INGAST

3

u.a. geschützt für „Verpflegung und Beherbergung von Gästen, Catering“

4

hat die Beschwerdeführerin aus der Marke 395 29 672

5

INTERGAST

6

u.a. geschützt für „Käse, Back- und Konditorwaren, Fertigprodukte (wie Teigwaren, Fleischprodukte), Kaffee, Espresso“ Widerspruch eingelegt.

7

Die Markenstelle hat auf den Widerspruch unter dessen Zurückweisung im Übrigen die Marke teilweise, nämlich für „Verpflegung und Beherbergung von Gästen, Catering“, wegen Verwechselungsgefahr gelöscht. Auf die Erinnerung der Markeninhaberin hat die Markenstelle diese Entscheidung aufgehoben und den Widerspruch insgesamt wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen, ohne auf Benutzungsfragen einzugehen.

8

Es könne allenfalls eine mittlere Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen angenommen werden, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke müsse  als leicht unter dem Durchschnitt liegend angesehen werden, da die in Rede stehenden Waren einen gewissen Bezug zur Verpflegung von Gästen aufwiesen. Daher müsste eine recht beachtliche Ähnlichkeit der Marken festzustellen sein, um eine Verwechslungsgefahr bejahen zu können, was (noch) nicht der Fall sei. Die angegriffene Marke INGAST hielte den bei dieser Ausgangslage erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke INTERGAST noch ein, da die zusätzliche Buchstabenfolge "-TER" im Inneren der Widerspruchsmarke das schriftbildliche Erscheinungsbild so deutlich beeinflusse, dass Verwechslungen infolge Verlesens ausgeschlossen werden könnten. Entgegen der im Ausgangsbeschluss vertretenen Auffassung seien sich die Markenwörter aber auch in klanglicher Hinsicht nicht hinreichend ähnlich, um füreinander gehört zu werden.

9

Dagegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sei eng, der Zeichenbestandteil „–TER“ sei eine nur geringfügige Abweichung.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Sach- und Rechtslage erörtert und Zustellung an Verkündungs Statt beschlossen.

11

In der Folgezeit hat die Beschwerdeführerin ihren Widerspruch zurückgenommen.

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Die Markeninhaberin beantragt nunmehr,

13

der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

14

Die Widersprechende habe den Prozess sorgfaltswidrig weiter betrieben, obwohl die Zeichen offensichtlich nicht verwechselbar seien.

15

Die Beschwerdeführerin beantragt,

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den Kostenantrag zurückzuweisen.

17

Ein Ausnahmefall, der eine Kostenauferlegung rechtfertige, läge nicht vor.

II.

18

Der Antrag der Inhaberin des angegriffenen Zeichens auf Kostenauferlegung, über den nach Rücknahme des Widerspruchs gemäß § 71 Abs. 1 und 3 MarkenG zu befinden ist, hat keinen Erfolg.

19

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, der auch im Falle einer Widerspruchs- oder Beschwerderücknahme anzuwenden ist (§ 71 Abs. 4 MarkenG), können einem Beteiligten die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.

20

Bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung darf nicht außer Betracht bleiben, dass eine generelle Versagung der Erstattung von Kosten den in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Justizgewährungsanspruch beeinträchtigt (vgl. Brandi-Dohrn, FS 50 Jahre BPatG, S. 569 ff.). § 91 ZPO ist in allen Verfahren nach seinem Grundgedanken heranzuziehen (BVerfG NJW 2006, 136). Zu diesem Grundgedanken gehört die darin verankerte Unterliegenshaftung (vgl. auch Rohan Mitt. 2014, 1). Auch soweit der Gesetzgeber - wie in § 71 Abs. 1 MarkenG - einen Kostenerstattungsanspruch nur nach Maßgabe einer Billigkeitsentscheidung zugesteht, darf der Verfahrensausgang daher nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben (BVerfG NJW 1987, 2569, 2570 zu § 78 Satz 1 GWB).

21

Dazu verlangt der im Markenrecht gesetzlich verankerte Grundgedanke der Kostenteilung aber eine Berücksichtigung der Ausgangslage und ob das Verhalten der Beteiligten der prozessualen Sorgfalt entsprach.

22

Ein Abweichen vom Grundsatz der Kostenaufhebung ist nämlich geboten, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten die Kosten ganz oder teilweise verursacht hat, das mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt nicht in Einklang steht. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Beteiligter seine Rechte und Interessen mit den gesetzlich gegebenen Mitteln verteidigt und dabei den Instanzenweg ausschöpft(Albrecht/Hoffmann, Die Vergütung des Patentanwalts, 2. Aufl. 2012 Rn. 598, 599). Es entspricht dem Recht auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG), selbst bislang anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze einer erneuten gerichtlichen Überprüfung zu stellen (vgl. BPatG Mitt. 2010, 529 - Igel plus).

23

Ob gegen Sorgfaltspflichten nur derjenige verstößt, der trotz ersichtlich fehlender Verwechslungsgefahr Widerspruch einlegt (BPatG, Beschl. v. 18. Juni 2009 – 30 W (pat) 108/05, BeckRS 2009, 23711 - CigarSpa/Spa), kann vorliegend dahinstehen, denn es verstößt jedenfalls nicht gegen die Sorgfaltspflicht, in einem vom Ausgang her offenen Verfahren Widerspruch zu erheben.

24

Die Widersprechende hat durch die Rücknahme ihres Widerspruchs nicht einer von Anfang an erkennbaren Aussichtlosigkeit Rechnung getragen oder diese gar zugestanden; jede Rücknahme kann auch andere Gründe haben.

25

Sie hat auch entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht versucht, in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation, ihre Interessen durchzusetzen. Wie sich nicht zuletzt aus dem ursprünglichen Beschluss der Markenstelle vom 22. Oktober 2009 ergibt, war es zumindest diskussionswürdig, eine Verwechslungsgefahr der Zeichen anzunehmen.

26

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).