Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.09.2013


BPatG 12.09.2013 - 27 W (pat) 549/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Topographische Landkarte (farbige Bildmarke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
12.09.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 549/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 003 563.9

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 12. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Hartlieb

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Juni 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die am 19. März 2012 für die Dienstleistungen

2

35: Personalanwerbung und –auswahl in Assessment-Centern, insbesondere mit Hilfe von psychologischen Eignungstests einschließlich Durchführung entsprechender Veranstaltungen zur Auswahl von Bewerbern, insbesondere für Rechtsanwaltskanzleien; alle vorgenannten Dienstleistungen ausschließlich auf juristischem Gebiet;

3

41: Ausbildung; Unterhaltung; Berufsberatung; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Organisation und Veranstaltung von Kongressen; Personalentwicklung durch Aus- und Fortbildung; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Veranstaltung und Durchführung von Workshops [Ausbildung]; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Durchführung von Lehrveranstaltungen, insbesondere an Universitäten; Verfassen und Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Verfassen und Herausgabe von wissenschaftlichen Artikeln, Zeitschriften, Büchern und Lehrbüchern; Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; alle vorgenannten Dienstleistungen ausschließlich auf juristischem Gebiet;

4

42: wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten; wissenschaftliche Forschung; alle vorgenannten Dienstleistungen ausschließlich auf juristischem Gebiet;

5

45: Dienstleistungen eines Juristen; Dienstleistungen eines Rechtsanwalts; Beratung in Fragen gewerblicher Schutzrechte; Dienstleistungen in Prozessangelegenheiten; juristische Dienstleistungen; Rechtsberatung und -vertretung

6

angemeldete farbige (hellgrün, dunkelgrün, blau) Bildmarke 30 2012 003 563.9

Abbildung

7

hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 13. Juni 2012 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das in verschiedenen Grüntönen und in blau dargestellte Bildzeichen zeige einen typischen Ausschnitt aus einer topographischen Landkarte. Das Bild weise keine Merkmale auf, die erkennen ließen, dass damit etwas anderes als ein bestimmtes, klar abgegrenztes geografisches Gebiet in Form einer topographischen Landkarte gezeigt werde.

8

Die beanspruchten Dienstleistungen würden allesamt ausdrücklich auf juristischem Gebiet erbracht. Diese Dienstleistungen könnte weite Verkehrskreise in Anspruch nehmen. Diese würden das Zeichen als topographische Kartendarstellung erkennen, nicht jedoch als betrieblichen Herkunftshinweis der Dienstleistungen verstehen.

9

Es sei allgemein anerkannt, dass die Unterscheidungskraft auch Zeichen fehlen könne, die weder die beanspruchten Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschrieben noch einen engen beschreibenden Bezug dazu aufwiesen. Regelmäßig nicht unterscheidungskräftig seien auch lediglich dekorative Gestaltungen. Ebenso sei bei komplexen oder überwiegend ornamentalen Zeichen eher zweifelhaft, ob das Publikum die Marke als betrieblichen Herkunftshinweis auffasse.

10

So liege der Fall hier zumindest für die Teile des Publikums, denen die genaue Zuordnung und damit die Benennung eines realen geographischen Gebietes zu dem eingereichten Zeichen nicht möglich sei. Diejenigen jedoch, denen eine Zuordnung und ggf. verbale Benennung möglich sei, würden das so dargestellte Gebiet als Hinweis auf den Erbringungs- und/oder Angebotsort der beanspruchten Dienstleistungen erkennen.

11

In beiden Fälle fehle es jedoch an der Eignung, dass das in Rede stehende Bild als Hinweis auf die Betriebsherkunft der Dienstleistungen verstanden werde.

12

Gegen diese Entscheidung richtet sich Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

13

den Beschluss der Markenstelle vom 13. Juni 2012 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.

14

Entgegen der Auffassung der Markenstelle zeige das Bildzeichen keinen typischen Ausschnitt aus einer topographischen Landkarte. Es sei unklar, welche Geländeform durch das angegebene Bildzeichen wiedergegeben werden solle. Es fehlten für eine topographische Karte übliche Details, insbesondere Höhenlinien.

15

Die Ausführungen der Markenstelle erschöpften sich in Vermutungen. Zudem stehe die Betrachtungsweise der Markenstelle im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass eine Marke nicht analysierend betrachtet werden dürfe, sondern vom Publikum so aufgenommen werde, wie sie ihm entgegentrete.

16

Bei dem angemeldeten Zeichen handele es sich nicht um eine dekorative Gestaltung und auch nicht um ein ornamentales Zeichen. Das angemeldete Bildzeichen weise insbesondere keinerlei Symmetrie auf. Beispielsweise könnte es auch als Kontur eines hamsterartigen Nagetiers angesehen werden, welches jedoch in unüblicher Weise gefärbt sei.

17

Werde das angemeldete Zeichen bestimmungsgemäß benutzt, nämlich markenmäßig, beispielsweise auf Visitenkarten der Anmelderin, auf deren Homepage, auf Briefbögen oder beispielsweise auch statt eines Krokodils auf einem T-Shirt oder als Anhänger, so werde das Publikum ohne weiteres in dem angemeldeten Zeichen einen Herkunftshinweis auf den Geschäftsbetrieb der Anmelderin erkennen.

18

Die Anmelderin hat weiterhin auf das vorangegangene Verfahren 27 W (pat) 510/11 hingewiesen, in dem es um eine für identische Dienstleistungen angemeldete Bildmarke ging. In der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2012 zu jener Bildmarke habe der Senat eine Zurückweisung der Beschwerde angekündigt. Zuvor sei durch den Vorsitzenden sinngemäß der Hinweis ergangen, falls die Marke ohne die roten Punkte angemeldet worden wäre, würde der Senat zu einem anderen Ergebnis kommen. Dieser Äußerung vorausgegangen sei die Erörterung des Falls, wobei der Senat als Hauptproblem die roten Punkte auf der stilisierten Landkarte bei der Voranmeldung festgestellt habe. Es sei durch den Senat dargelegt worden, dass ein Betrachter diese roten Punkte mit den Standorten der Kanzlei assoziiere und sich lediglich fragen würde, wo diese Standorte denn genau seien. Nachdem das nunmehr angemeldete Bildzeichen keine roten Punkte aufweise, sollte nach Ansicht der Anmelderin das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Senats überwunden sein.

II.

19

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil einer Eintragung der angemeldeten Marke weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.

20

Die Unterscheidungskraft von Bildmarken bemisst sich nach den allgemeinen Grundsätzen.

21

Regelmäßig nicht unterscheidungskräftig sind einfache geometrische Figuren oder graphische Elemente, weil sie lediglich als allgemeine dekorative Gestaltungen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft von Waren/Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen wirken. Hierbei ist allerdings kein strenger Maßstab anzulegen; vielmehr kann nur geläufigen graphischen Mitteln, die üblicherweise in bloß schmückender und ornamentaler Form verwendet werden, die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Soweit dagegen – insbesondere durch die Verbindung mehrerer (auch einfacher) Figuren – eine charakteristische, zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignete Gestaltung erreicht ist, besteht für eine Schutzversagung kein Anlass mehr, zumal für die Bejahung der Unterscheidungskraft kein weiterer Phantasieüberschuss erforderlich ist (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. § 8 Rn. 209).

22

Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann die Unterscheidungskraft nicht mit der Begründung verneint werden, die nationalen Verkehrskreise würden das Zeichen als topographische Kartendarstellung eines klar eingegrenzten geografischen Gebietes erkennen. Der hier angesprochene Durchschnittsverbraucher wird der Abbildung nicht entnehmen können, welches Gebiet dort wiedergegeben wird. Da die Abbildung auch keinerlei Symbole für Ortschaften enthält, wird der Verbraucher der Abbildung keinen Hinweis auf den Erbringungsort der beanspruchten Dienstleistungen entnehmen. Die Abbildung enthält daher keine eindeutige Aussage mit beschreibendem Charakter.

23

Insoweit unterscheidet sich die hier verfahrensgegenständliche Bildmarke auch von der Bildmarke 30 2010 035 067.9, die Gegenstand des Verfahrens 27 W (pat) 510/11 war, bei der 15 rote Punkte und zwei vorgelagerte Inseln zu erkennen waren. Gerade den 15 roten Punkten hatte der Senat damals den beschreibenden Hinweis entnommen, dass die Dienstleistungen in 15 Städten erbracht würden. Eine damit vergleichbare Sachangabe ist der nunmehr zu beurteilenden Marke nicht zu entnehmen. Durch das Weglassen der Punkte und der beiden vorgelagerten Inseln enthält die Bildmarke keinen Hinweis mehr auf den Ort, an dem die Anmelderin ihren Sitz hat und wo sie die Dienstleistungen erbringt. Insoweit hält der Senat eine vom vorangegangenen Verfahren abweichende Beurteilung für angezeigt.

24

Der von der Markenstelle angenommene beschriebene Sinngehalt ergibt sich allenfalls nach einer analysierenden Betrachtung, die der Verbraucher in der Regel nicht vornimmt (Ströbele/Hacker, a.a.O., § 8 Rn. 105).

25

Da der Verbraucher die Abbildung keinem bestimmten Gebiet zuordnen kann, unterliegt die angemeldete Marke auch keinem Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, so dass keine Notwendigkeit besteht, das angemeldete Bild den Mitbewerbern zur freien Verfügung zu belassen.

26

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG besteht kein Anlass, da im Verfahren 27 W (pat) 510/11 kein Beschluss ergangen ist, mit dem sich die Markenstelle auseinandersetzen hätte können und müssen.