Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.02.2012


BPatG 09.02.2012 - 27 W (pat) 549/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Latücht/Latücht" – Dienstleitungsidentität und -ähnlichkeit – klangliche und schriftbildliche Markenidentität - Verwechslungsgefahr - Kostenauferlegung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
09.02.2012
Aktenzeichen:
27 W (pat) 549/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 017 987

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner

beschlossen:

1. Die Beschwerde des Inhabers des angegriffenen Zeichens wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Inhaber des angegriffenen Zeichens auferlegt.

Gründe

I.

1

Gegen die am 17. März 2008 angemeldete und am 30. Mai 2008 u. a. in der Klasse 41 für die Dienstleistungen

2

"Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten"

3

eingetragene Wortmarke 30 2008 017 987

4

Latücht

5

hat der Widersprechende aus seiner am 15. März 2008 angemeldeten und am 25. Juli 2008 eingetragenen Wortmarke 30 2008 017 677

6

Latücht

7

Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch wird auf folgende Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, gestützt:

8

"Auskünfte über Freizeitaktivitäten; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Betrieb eines Clubs (Unterhaltung oder Unterricht); Betrieb eines Kinos oder Theaters; Betrieb eines Nachtklubs; Betrieb von Spielhallen; Betrieb von Vergnügungsparks; Erstellen von Bildreportagen; Veröffentlichung von Büchern; Vermietung von Bühnendekoration; Betrieb einer Diskothek; Eintrittskartenvorverkauf (Unterhaltung); Zusammenstellung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Fernsehunterhaltung; Vermietung von Filmgeräten und Filmzubehör; Filmproduktion; Filmproduktion (in Studios); Filmverleih (Vermietung von Kinofilmen); Filmvorführungen in Kinos; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Betrieb von Kindergärten; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Organisation und Veranstaltung von Kongressen; Layoutgestaltung, außer für Werbezwecke; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Betrieb von Museen (Darbietung, Ausstellungen); Musikdarbietungen (Orchester); Organisation und Veranstaltung von Konzerten; Organisation und Veranstaltung von Symposien; Party-Planung (Unterhaltung); Platzreservierungen für Unterhaltungsveranstaltungen; Rundfunkunterhaltung; Veranstaltung von Schönheitswettbewerben; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Produktion von Shows; Betrieb eines Spielcasinos; Betrieb von Tonstudios; Verfassen von Texten, ausgenommen Werbetexte; Theateraufführungen; Unterhaltung; Dienste von Unterhaltungskünstlern; Betrieb von Varietétheatern; Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung); Veranstaltung von Bällen; Veranstaltung von Unterhaltungsshows (Künstleragenturen); Veranstaltung von Wettbewerben (Erziehung und Unterhaltung); Auskünfte über Veranstaltungen (Unterhaltung); Vermietung von Audiogeräten; Vermietung von Beleuchtungsgeräten für Bühnenausstattung und Fernsehstudios; Vermietung von Bühnendekoration; Vermietung von Theaterdekoration; Vermietung von Tonaufnahmen; Aufzeichnung von Videobändern; Montage (Bearbeitung) von Videobändern; Videofilmproduktion; Videoverleih (Bänder); Videoverleih (Kassetten); Zirkusdarbietungen".

9

Der Widerspruch richtet sich nur gegen "Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten".

10

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das angegriffene Zeichen mit Beschluss vom 24. März 2010 im angegriffenen Umfang wegen Verwechslungsgefahr gelöscht. Dabei ist sie von Dienstleistungsidentität, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und klanglicher Markenidentität ausgegangen.

11

Gegen diese Entscheidung richtet sich die nicht begründete Beschwerde, die keinen Antrag enthält.

12

Der Widersprechende beantragt,

13

die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

14

Zur Sache hat er sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

15

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, die teilweise Löschung des angegriffenen Zeichens wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke angeordnet.

16

1. Da die Beteiligten keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt haben und diese nach Wertung des Senats auch nicht geboten ist, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG) ohne jede zeitliche Bindung.

17

Das Gebot des rechtlichen Gehörs verlangt lediglich, den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu geben, Stellungnahmen zum Sachverhalt abzugeben und ihre eigene Auffassung zu den entsprechenden Rechtsfragen darzulegen sowie Anträge zu stellen. Nachdem die Beschwerde vom April 2010 datiert, bestand hierzu hinreichend Gelegenheit.

18

2. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu löschen, wenn unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Dabei ist von einer Wechselwirkung in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2010, 883 - Malteserkreuz II; EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE).

19

Nach diesen Grundsätzen hat die Markenstelle zutreffend die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken angenommen.

20

a) Die Dienstleistungen des angegriffenen Zeichens "Erziehung, Ausbildung" sind hochgradig ähnlich mit den zugunsten der Widerspruchsmarke in der Klasse 41 eingetragenen Dienstleistungen "Veranstaltung von Ausstellungen für Unterrichtszwecke; Betrieb eines Clubs (Unterricht); Betrieb von Kindergärten; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Organisation und Veranstaltung von Kongressen; Veranstaltung von Wettbewerben (Erziehung)". Bezüglich der Dienstleistungen "Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten" besteht Dienstleistungsidentität, da Unterhaltung in beiden Dienstleistungsverzeichnissen aufgeführt ist und ein Großteil der im Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke genannten Dienstleistungen unter den Oberbegriff "kulturelle Aktivitäten" fällt. Die Dienstleistungen "sportliche Aktivitäten" sind hochgradig ähnlich mit der zugunsten der Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistung "Veranstaltung von Wettbewerben (Unterhaltung)".

21

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte durchschnittlich.

22

c) Die einander gegenüberstehenden Marken sind klanglich und schriftbildlich identisch.

23

Ausgehend von Dienstleistungsidentität und im Übrigen hochgradiger Ähnlichkeit, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie klanglicher und schriftbildlicher Markenidentität hat die Markenstelle somit zu Recht eine Verwechslungsgefahr bejaht. Nachdem der Markeninhaber seine Beschwerde nicht begründet hat, ist nicht ersichtlich, inwieweit er den Beschluss für angreifbar hält.

24

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Markeninhaber gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen. Es liegen Gründe vor, die es erfordern, vom Regelfall, wonach in einem Markenbeschwerdeverfahren jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt, abzuweichen. Dies ist u. a. für den Fall anerkannt, dass ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rn. 12). Nach sorgfältiger Prüfung musste der Inhaber des angegriffenen Zeichens zum Ergebnis kommen, dass seine Beschwerde aussichtslos war, da im Amtsverfahren das angegriffene Zeichen wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke gelöscht wurde. Gründe, die bei Identität der Marken und der Dienstleistungen gegen eine Verwechslungsgefahr sprechen könnten, enthält die Beschwerde nicht. Sie war damit von vornherein ohne jede Aussicht auf Erfolg.