Entscheidungsdatum: 26.05.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2013 019 193
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 26. Mai 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Hermann und der Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die Eintragung der Wortmarke
Chino
für die Waren „Schuhe und Schuhwaren“ der Klasse 25
ist aus der für die Waren „Bekleidungsstücke, soweit in Klasse 25 enthalten“ eingetragenen Widerspruchsmarke 10 255 801
Shino
und der für die Waren „Bekleidungsstücke, soweit in Klasse 25 enthalten“ als Wortmarke eingetragenen Widerspruchsmarke 30 2011 014 174
SHINO
Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zurückgewiesen.
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, es bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Deren Beurteilung habe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren bestehe.So wie besonders kennzeichnungskräftige ältere Marken mit entsprechend hohem Schutzumfang auch dann einer Verwechslungsgefahr mit einer angegriffenen Marke unterliegen könnten, wenn die Vergleichszeichen einander nur entfernt ähnlich seien, könne umgekehrt keine Verwechslungsgefahr vorliegen, wenn die weitgehenden Gemeinsamkeiten der Zeichen nur auf kennzeichnungsschwachen Wortelementen oder Wortteilen beruhten. Hier bestehe daher trotz durchschnittlicher Warenähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr in unmittelbarer oder sonstiger Hinsicht, weil die Widerspruchsmarken ebenso wie die jüngere Marke ersichtlich an den Begriff „Chino“ angelehnt seien, was als beschreibende Materialangabe auf dem einschlägigen Warengebiet für ein bestimmtes Baumwollgewebe weit verbreitet sei. Die Pluralform "Chinos" habe sich zu einer Gattungsbezeichnung für strapazierfähige Baumwollhosen aus entsprechendem Material und darüber hinaus zu einem Trendthema für Jeans- und Sportswear-Bekleidung entwickelt. Die Widerspruchsmarken stellten einen unmittelbar beschreibenden Hinweis in Bezug auf das Material der gegenständlichen Waren und deren Trendgemäßheit dar. Sie seien also als kennzeichnungsschwach anzusehen, ihr Schutzbereich eng zu bemessen und auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprägung - hier die beiden ersten Buchstaben der Anfangssilbe „SH“- beschränkt.
Es sei von durchschnittlich Warenähnlichkeit auszugehen.
Gegen den Beschluss der Markenstelle wendet sich der Widersprechende mit der Beschwerde. Zu deren Begründung trägt er vor, die Widerspruchsmarken wiesen jedenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf, da es sich entgegen der Ansicht des angegriffenen Beschlusses um Phantasieworte handle. Der Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 31. Juli 2014 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2013 019 193.5 zu beschließen.
Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Nachdem die Beteiligten davon abgesehen haben, eine mündliche Verhandlung zu beantragen, und der Senat eine solche nicht für erforderlich erachtet, kann über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 MarkenG). Die Beteiligten hatten ausreichend Zeit, sich zur Sache und den Argumenten der Gegenseite zu äußern.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nicht festzustellen.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit bzw. der Identität der Marken und der für die Marken eingetragenen Waren bzw. Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente von Bedeutung sind (EuGH GRUR 2010, 933 - Barbara Becker; BGH GRUR 2012, 64 - Maalox/Melox-GRY).
Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen besteht zwischen den streitgegenständlichen Marken bei durchschnittlicher Ähnlichkeit der Waren keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, denn die Widerspruchsmarken verfügen wegen ihres für die relevanten Waren beschreibenden Anklanges, den die Markenstelle zutreffend herausgearbeitet hat, über einen von Haus aus sehr geringen Schutzumfang.
Eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft kommt Marken zu, die uneingeschränkt geeignet sind, zur Unterscheidung der Waren und Dienstleistungen ihres Inhabers zu dienen (EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 - Lloyd). Dagegen können schutzunfähige Zeichen und Angaben für sich genommen nicht Grundlage einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr sein. Das bedeutet insbesondere, dass der Schutzbereich von Marken, die nur eine geringe Unterscheidungskraft aufweisen und/oder an beschreibende Angaben angelehnt sind, eng zu bemessen ist. Handelt es sich bei der eingetragenen prioritätsälteren Marke um eine beschreibende oder sonst schutzunfähige Angabe, so kann ihr wegen der Bindungswirkung der Eintragung zwar nicht jeder Schutz abgesprochen werden. Jedoch ist der Schutzbereich einer solchen Marke auf ein Minimum zu beschränken, mit der Folge, dass schon geringe Abwandlungen oder Hinzufügungen aus dem Schutzumfang der Marke herausführen (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2012, 1040 - pjur).
Eine auch nur durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken vermag der Senat bei dieser Sachlage entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht zu erkennen. Wie bereits die Markenstelle zutreffend ausführt, lehnen sich die Zeichen Shino/SHINO deutlich an den Begriff Chino, unstreitig eine Materialbezeichnung für ein Baumwollgewebe und eine marktübliche Bezeichnung von Baumwollhosen, an und haben somit stark beschreibenden Anklang.
Wegen des geringen Schutzumfangs der Widerspruchsmarken besteht zwischen ihnen und der angegriffenen Marke trotz der Übernahme des Bestandteils „(-h)ino“ in die angegriffene Marke und der daraus resultierenden gewissen Annäherung der Marken keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die schutzbegründenden Eigenheiten „sh“ und „ch“ weisen keine erhebliche Ähnlichkeit auf.
Die Ähnlichkeit der beiderseitigen Marken in ihrer jeweils eingetragenen Form ist im Gesamteindruck nur als sehr gering zu bewerten, was bei der schwachen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken für die Feststellung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr nicht ausreicht. Die schriftbildlichen Abweichungen am Zeichenbeginn und die klangliche Abweichung „Tschino“ zu „Schino“ verhindern Verwechslungen.
Auch eine markenrechtlich relevante begriffliche Verwechslungsgefahr der Marken besteht nicht. Die Übereinstimmung von Marken in beschreibenden Begriffen oder an diese angelehnte Bestandteilen reicht für die Annahme einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht aus (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2012, 1040 – pjur; BPatG 24 W (pat) 113/04 - FITAMIN/VIT-H-MIN).
Weitere Tatsachen, die eine Verwechslungsgefahr der Marken nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere fehlen Anhaltspunkte für eine benutzte Zeichenserie. Daher konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.
Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der am Verfahren beteiligten Parteien (§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) besteht nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung.