Entscheidungsdatum: 20.03.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2011 006 926.3
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 20. März 2012 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Anmeldung der Wort-/Bild-Marke
für die Waren und Dienstleistungen
„Verlagserzeugnisse, nämlich Bücher, Hefte, Magazin, Kundenzeitschriften, Programmzeitschriften; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Werbung und der Verkaufsförderung; Vermietung von Werbeflächen; Produktion von Fernsehwerbespots; Erarbeitung und Präsentation von audiovisuellen Vorführungen für Werbezwecke; Verbreitung von Werbematerial; Organisation und Durchführung von Handelsmessen und -ausstellungen (für gewerbliche und Werbezwecke); Durchführung von Marketingstudien; Planungen [Hilfe] bei der Geschäftsführung; Buchprüfung; Meinungsumfragen und Wertermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Auskünfte in Geschäftsangelegenheiten; Zusammenstellung von statistischen Daten und Informationen (Daten) in Geschäftsangelegenheiten; alle Dienstleistungen in Bezug auf Fernseh-, Rundfunk- und Satellitenausstrahlungen; Sendung und Übertragung von Radio- und Fernsehprogrammen; Übertragung von Ton und/oder Bildern; computergestützte Nachrichten- und Bildübertragung; Kommunikation via Satellit, Fernsehen und/oder Radio; Vermieten von Kommunikationsapparaten; Auskünfte über Telekommunikation; alle vorstehend genannten Dienstleistungen, soweit sie in Klasse 38 enthalten sind; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels schmalbandigen (insbesondere PC mit Modem) und breitbandigen (insbesondere TV-Anschluss) Online-Diensten; Durchführung von Telefondiensten, Telekommunikation, Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, Teletext-Services, Telekommunikation mittels Computer-Terminals, soweit in Klasse 38 enthalten, Übertragung von Daten, Text, Ton und Bild; computergestützte Übertragung von Nachrichten, Bildern, Musik und Filmen, sämtliche vorgenannten Dienstleistungen auch über Internet; Sendung von Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk sowie durch ähnliche technische Einrichtungen; Übertragung und Sendung von Fernsehprogrammen mittels analoger oder digitaler Technik sowie auch durch pay-per-view; digitale Übertragung von Daten einschließlich Sendesignalen im Multiplex-Verfahren; Dienstleistungen eines Internet-Access-Providers (Telekommunikation); internetbezogene Dienstleistungen, nämlich Bereitstellen eines Zugangs zu Texten, Graphiken, audiovisuellen und Multimedia-Informationen, Dokumenten, Datenbanken und Computerprogrammen; Unterhaltung und Bildung durch Fernsehen und Radio; Fernseh-, Radio- und Filmproduktion; Videoband-, Kinofilm- und Videofilmausleihe; Auskünfte über Fernseh- und Radioprogramme, Unterhaltung, Musik, Sport und Freizeit; Organisation von Wettbewerben; Dienstleistungen eines Kartenvorverkaufsbüros, nämlich Ticketvorverkauf für Unterhaltungsveranstaltungen; Herausgabe von Druckerzeugnissen, die Informationen über Veranstaltungen (Unterhaltung) enthalten, mittels schmalbandigen (insbesondere PC mit Modem) und breitbandigen (insbesondere TV-Anschluss) Online-Diensten; Veröffentlichung und Herausgabe von ergänzenden Printmedien (Kataloge), ausgenommen für Werbezwecke; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen auch über Internet; Ausbildung, Erziehung, Unterhaltung und Unterricht; Verlegung von Büchern und Zeitschriften; Buchverleih, Darbietung von Schauspielen; Dienstleistungen eines Tonstudios; Herausgabe von Zeitschriften über Audio- und Videothemen; Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Filmproduktion; Videofilmproduktion; Vermietung von Filmen, Rundfunkaufzeichnungen, Filmprojektionsapparaten sowie deren Zubehör und von Theaterdekorationen; Betrieb einer Künstleragentur; sportliche und kulturelle Aktivitäten“
hat die Markenstelle mit der Begründung zurückgewiesen, dem Zeichen fehle jegliche Unterscheidungskraft. „Heimat“ bezeichne ein Land, einen Landesteil oder Ort, in dem man (geboren und) aufgewachsen sei oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühle. „Live" stehe für „direkt, original“ (bei Rundfunk- oder Fernsehübertragungen), „unmittelbar, in realer Anwesenheit, persönlich“. Es sei als Lehnwort in den deutschen Sprachschatz eingegangen und werde - unübersetzt - vielfach verwendet, in Alleinstellung ebenso wie in Wortzusammensetzungen (z. B. live senden, etwas live erleben, sie singt live, Liveübertragung, Livesendung, Liveveranstaltung, Liveauftritt). Das angesprochene inländische Publikum werde daher ohne Übersetzung oder Analyse die enthaltenen Wortbestandteile unmittelbar in ihrer schlagwortartigen Bedeutung erfassen. Gerade im Bereich Radio- und Fernsehprogramme seien derartige Sachbezeichnungen gebräuchlich (vgl. Internetrecherche zu „TV Bayern Live“, „Berlin-live das Berlinfernsehen.tv live vor Ort“, „ostseelive.tv“).
„Live“ stehe häufig hinter Substantiven und habe dabei den Sinn von „nahegebracht, zum Anfassen, im Alltag, gelebt, präsent“ (vgl. Internetrecherche zu „Tiere live", „Demokratie live“, „Berufe live Rheinland“).
„Oldenburger Münsterland“ spezifiziere die Angabe „heimat“ nur geographisch.
Damit erschöpfe sich der Wortbestandteil in einem reinen Sachhinweis auf Thema, Inhalt und Gegenstand der Waren und Dienstleistungen dahingehend, dass diese sich speziell auf die Heimatregion Oldenburger Münsterland bezögen und zu dieser Informationen, Berichte, Bilder, Programme etc. ortsbezogen, aktuell und direkt erlebbar präsentierten.
Nicht jede begriffliche Unbestimmtheit begründe markenrechtliche Unterscheidungskraft. Vielmehr seien auch relativ vage und allgemeine Angaben verbraucherorientierte Sachinformationen. Vor allem bei Oberbegriffen oder Sammelbezeichnungen sei eine gewisse Allgemeinheit und Unschärfe unvermeidbar, um den gewünschten möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2003, 1050 - Cityservice).
Beide Wortbestandteile ergänzten sich in üblicher und allgemein verständlicher Weise in dem dargelegten Sinn.Die grafischen Elemente wiesen keine charakteristischen Merkmale auf, in denen das Publikum einen Herkunftshinweis sehen könnte. Die farbige Ausgestaltung in blau und grün der in üblicher Schrifttype dargestellten Wortelemente und deren versetzte Anordnung seien übliche Mittel der Gebrauchs- und Werbegrafik. Die Umrahmung durch einen Bogen sei ein einfaches und übliches Gestaltungselement.Der Wechsel von Klein- und Großschreibung bewirke keine Änderung im Sinngehalt. Bei der von der Anmelderin zitierten Entscheidung BPatG GRUR 2002, 889 - fanTASTic zeige die Binnengroßschreibung ein selbständiges Wort.Bei Verlagserzeugnissen wirke das Gesamtzeichen lediglich als titelartige Inha!ts- und Themenangabe im Sinne von „Heimat zum Anfassen/Heimat nahegebracht".
Hinsichtlich der Dienstleistungen auf dem Gebiet der Werbung und der Verkaufsförderung, Organisation von Messen, Marketingstudien sowie Geschäftsführung sei das angemeldete Wort-/Bildzeichen lediglich eine Sachangabe dahingehend, dass Produkte und Unternehmen aus der Heimat mittels Live-Femseh-, Rundfunk- und Satellitenausstrahlungen beworben und präsentiert würden.
Im Bereich Mediendienstleistungen, Wettbewerben, Ausbildung, sportliche und kulturelle Aktivitäten sowie bei Klasse 38 (Telekommunikationstechnik) beschreibe das beanspruchte Zeichen lediglich die inhaltlich-thematische Ausrichtung der Dienstleistungen und die Art der Präsentation ihrer Inhalte als oder im Rahmen einer Live-Veranstaltung/Live-Übertragung, zumal einerseits ein enger Bezug zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung, andererseits ein entsprechendes Verkehrsverständnis bestehe, das zwischen technischer Bereitstellung und Inhalt nicht trenne.
Zu den verbleibenden Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Verlagserzeugnissen und anderen Medien bzw. dazu erforderlichen Gerätschaften sowie Betrieb einer Künstleragentur bestehe ein so enger Bezug zu den oben genannten Aktivitäten und Veranstaltungen bzw. zur Produktion und Ausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen, dass auch insoweit keine Unterscheidungskraft vorliege.
Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen könnten zu keiner anderen Beurteilung führen. Eintragungen identischer oder vergleichbarer deutscher Marken entfalteten keinerlei verbindliche Wirkung für die Prüfung später angemeldeter Marken. Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit einer Marke handle es sich um keine Ermessensfrage (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 - Schwabenpost).
Außerdem wiesen die von der Anmelderin zitierten voreingetragenen Marken jeweils grafische Gestaltungen auf, welche die Schutzfähigkeit begründeten. Im Übrigen sei es nicht möglich, im Rahmen dieses Prüfungsverfahrens mehr als zehn Jahre zurückliegende Bewertungen nachzuvollziehen.
Die Anmelderin hat dagegen Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, „Heimat“ umfasse viel mehr als die Markenstelle annehme und reiche in geistige Dimensionen. Auch „Live“ habe weitere Bedeutungen, nämlich „aktiv, lebendig, lebhaft“ und stehe als Verb für „wohnen, hausen“. Damit ergäben sich für „Heimat Live“ mannigfaltige Deutungsmöglichkeiten.
Ferner seien Farbgebung, Graphik und Typographie originell.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
II.
Nachdem die Anmelderin keine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche für entbehrlich erachtet, kann über die zulässige Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese von denjenigen anderer zu unterscheiden.
Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Kreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist.
Ausgehend hiervon besitzen Marken keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen das angesprochene Publikum für die fraglichen Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.
Dass dies für „Heimat Live Oldenburger Münsterland“ zutrifft, hat die Markenstelle zutreffend begründet. Der Senat nimmt hierauf Bezug, um Wiederholungen zu vermeiden.
Dass „Heimat“ auch eine übertragene Bedeutung aufweisen kann, kommt im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen sowie neben der geographischen Festlegung und neben „Live“ kaum zum Tragen. Eine geistige Heimat kann z. B. nicht Live in Medien vermittelt werden. „Live“ kann jedoch selbst neben „geistiger Heimat“ ebenfalls im übertragenen Sinn, wie bei „Demokratie live“, wirken und für „nahegebracht, im Alltag, gelebt, präsent“ stehen und vermittelt auch dann keinen markenmäßigen Herkunftshinweis.
Ob das angemeldete Zeichen Titelschutz hat bzw. haben kann, ist vorliegend ohne Bedeutung. Dort mag ein großzügiger Maßstab anzulegen sein. Selbst wenn das angemeldete Zeichen dem genügen würde, muss es nicht unterscheidungskräftig sein, weil Markenschutz weitergehende Rechte vermittelt und daher gesondert beurteilt werden muss (zum Namensschutz: BGH MarkenR 2012, 76 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft).
Soweit der Registrierung auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, weil es den Inhalt (heimatbezogene Informationen) von Medien bzw. Informationsangeboten sowie deren Aktualität (Live) beschreibt, kommt es auf die von der Anmelderin angesprochene Bedeutungsvielfalt schon deshalb nicht an, weil es im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG genügt, wenn die Angabe wenigstens in einer ihrer Bedeutungen zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen kann, unabhängig davon, ob und inwieweit sie bereits bekannt sind oder verwendet werden (vgl. Ströbele, FS für Ullmann, S. 425, 428).
Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 25 - Windsurfing Chiemsee; GRUR Int. 2003, 632, Rn. 73 - Linde).
Die Farben und die Graphik des angemeldeten Zeichens sind nicht ausreichend, diese aufgezeigten Schutzhindernisse zu überwinden. Dass der Zusatz „Live“ farblich, durch seine Stellung und von der Schrift her abgesetzt ist, entspricht werbeüblichen Trennungen solcher Zusätze, wie „plus, more“ etc. Die unten im Blocksatz befindliche Angabe „OLDENBURGER MÜNSTERLAND“ weist nicht einmal die „aus dem Rahmen“ fallende Anordnung von „LIVE“ auf.
Die dreidimensional nach hinten führende Unterstreichung hat die Markenstelle im Beanstandungsbescheid vom 7. April 2011 anhand vergleichbarer Gestaltungen als üblich aufgezeigt. Anders als der Bogen bei „Bodensee-Arena“ (BPatG Beschl. v. 30. Mai 2001 - 32 W (pat) 11/01 = BeckRS 2009, 26921) hat der sog. Swoosh vorliegend keinen Bezug zu Heimat, Oldenburg, Münsterland oder Live, während dort der Begriff „Arena“ bildlich mit Zuschauertribüne dargestellt wurde. Die Unterschiede zu den eingetragenen Wort-/Bild-Marken, die die Anmelderin zitiert hat, hat die Markenstelle bereits nachvollziehbar dargestellt.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung. Der vorliegende Fall wirft keine grundsätzliche Rechtsfrage auf; die Entscheidung des Senats erschöpft sich vielmehr in der einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.