Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 25.11.2014


BPatG 25.11.2014 - 27 W (pat) 534/14

Markenbeschwerdeverfahren – "the italian (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)" - Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
25.11.2014
Aktenzeichen:
27 W (pat) 534/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 1 116 233

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 25. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht und die Richter Hermann und Schmid

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 IR vom 18. Juni 2014 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die auf der österreichischen Basisanmeldung vom 4. November 2011 beruhende Wort-/Bildmarke IR 1 116 233 (Farben: white and burgundy red)

Abbildung

2

die sich auf

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Kl. 43: services for providing food and drink in cafés und cafeteria

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bezieht, ist am 9. März 2012 international registriert worden.

5

Die Markenstelle für Klasse 43 IR hat der Marke durch Beschluss vom 18. Juni 2014 Schutz in der Bundesrepublik verweigert, weil sie sich in einer Sachangabe erschöpfe und daher jeglicher konkreter Unterscheidungskraft entbehre. Die Wortkomponente der Marke bestehe aus im inländischen Sprachgebrauch etablierten und leicht verständlichen englischsprachigen Begriffen, die “der Italiener“ bedeuteten und damit die Art der registrierten Dienstleistungen als der italienischen Küche und Lebensart zugehörig einordne. Im Gastronomiebereich seien Verbraucher an personifizierte Angaben als Hinweis auf die regionale Zuordnung der Küche gewöhnt. Die grafische Ausführung des Zeichens entspreche werbeüblichen Gestaltungen und biete keine hinreichende Grundlage für ein Verkehrsverständnis als betrieblicher Herkunftshinweis.

6

Gegen den am 23. Juni 2014 zugestellten Beschluss hat die Markeninhaberin am 23. Juli 2014 Beschwerde erhoben. Der Bewertung der Unterscheidungskraft eines Zeichens sei nach anerkannter Rechtsprechung ein großzügiger Maßstab zugrunde zu legen. Die Wortkomponente „the italian“ deute beschreibende Bezüge allenfalls an, ohne unmittelbar Eigenschaften der registrierten Dienstleistungen anzugeben. Die grafische Gestaltung der Marke weise unverwechselbare Eigenprägung auf, indem sie im unteren Bereich eines farbigen Quadrats mit abgerundeten Ecken in verschiedener Schriftgröße und ohne Abstand die Worte der „the“ und „italian“ enthalte.

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Sie beantragt,

8

den angegriffenen Beschluss aufzuheben.

8

II.

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Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache Erfolg.

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Dem Schutz der international registrierten Wort-/Bildmarke in der Bundesrepublik stehen keine Schutzverweigerungsgründe nach §§ 124, 113 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.

11

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Publikum als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und so die diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist für die Beurteilung der Unterscheidungskraft die Gesamtheit der Marke ausschlaggebend (BGH GRUR 2011, 65 Rn. 10- Buchstabe T mit Strich; a.a.O. Rn. 13 - Gute Laune Drops).

12

Die Markenstelle hat zwar im Kern zutreffend dargestellt, dass der Bedeutungsgehalt der Wortkomponenten „the italian“ im Zusammenhang gastronomischer Angebote unmittelbar im Sinn „das Italienische“ oder - gemäß einer insofern verbreiteten Redensart - „der Italiener“ (vgl. etwa Duden online „beim Italiener um die Ecke“) verstanden wird und dadurch lediglich (irgend-) einen gastronomischen Betrieb mit italienischer Küche anzeigt. Dadurch stellt der Ausdruck jedenfalls einen engen beschreibenden Bezug zu den streitbefangenen Dienstleistungen her und weist als solcher nicht auf einen bestimmten Anbieter hin (vgl. BPatG, Beschluss vom 16. Juni 2011 – 25 W (pat) 69/10 – TEA LOUNGE). Einem unmittelbar sachbezogenen Begriffsverständnis steht dabei weder entgegen, dass es inkonsequent erscheinen mag, einen für das Bundesgebiet bestimmten Hinweis auf italienische Küche in englischer Sprache abzufassen, noch dass die Kleinschreibung des Worts „italian“ - bei diesen Auslegungen - im Deutschen orthographisch nicht korrekt ist.

13

Den sachbezogenen Bedeutungsgehalt der Wortbestandteile überlagert aber die grafische Darstellung des Zeichens hinreichend. Sie verleiht dem Zeichen einen geringen Grad an Unterscheidungskraft, der zur Überwindung des Schutzhindernisses ausreicht (BGH GRUR 2012, 1143 - Starsat; GRUR 2014, 872 Rn. 12 - Gute Laune Drops). Ein Zeichen braucht insofern nicht einen Phantasieüberschuss oder sonstige Auffälligkeiten aufzuweisen, sofern es der Eignung zur Produktidentifikation nicht von vornherein entbehrt (vgl. BGH GRUR 2009, 778 Rn. 12 - Willkommen im Leben).

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Ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der grafischen Gestaltung diese Eignung abzusprechen ist, sind nicht gegeben. Die Markenstelle ist im angegriffenen Beschluss – offenbar im Unterschied zur nicht bindenden Beurteilung durch das Österreichische Markenamt (vgl. die Eintragung AT 265 626 vom 16. Januar 2012) – zwar von einer lediglich einfachen werbeüblichen Gestaltung ausgegangen (vgl. zu diesem Maßstab BGH GRUR 2014, 376 Rn. 18 - grill meister; GRUR 2010, 640 Rn. 17 - hey!), hat diese Annahme aber nicht näher begründet.

15

Durch die zurückgenommene Schriftgröße und Anordnung der Wortbestandteile wächst der burgundroten Fläche in der durch ihre Außenkontur vermittelten Form selbständiger gestalterischer Gehalt zu, der ihn der Einordnung lediglich als grafisch gefällig eingekleidete Sachaussage entzieht. Die konkrete Ausgestaltung der Farbfläche mit zwei rechtwinkligen und zwei runden Ecken, die - mangels Anhaltspunkten für eine derartige Verkehrsauffassung - nicht als werbeübliche Gestaltung oder sonst als bloße Umrahmung wirkt vermittelt einen gegenüber der Sachaussage eigenständigen bildsprachlichen Eindruck (vgl. auch BPatG, Beschl. vom 12.12.2012, 28 W (pat) 535/11, Cuisine Noblesse) und genügt noch den Mindestanforderungen an die Unterscheidungskraft.

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Im Hinblick auf die hinreichend eigentümliche Gesamtgestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen ungeachtet seiner nicht unterscheidungskräftigen Wortelemente auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

17

Der Beschwerde ist daher stattzugeben.