Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.04.2013


BPatG 16.04.2013 - 27 W (pat) 534/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Schlagerwelle" – fehlende Unterscheidungskraft -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
16.04.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 534/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 052 396.4

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Kopacek

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 23. Februar 2012 die Anmeldung der Wortmarke

2

Schlagerwelle

3

für die Dienstleistungen

4

„39: Veranstaltung und Organisation von Konzerten;

5

41: Veranstaltungen von Ausflugsfahrten und Reisen; Fernsehunterhaltung; Durchführung von Live-Veranstaltungen“

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wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, bei der angemeldeten Bezeichnung „Schlagerwelle“ handle es sich um eine sprachüblich gebildete Wortkombination der bekannten beschreibenden Angaben „Schlager„ und „Welle“, welche vom interessierten Publikum ohne weiteres verstanden werde. Kombinationen mit dem Bestandteil „Schlager“ seien bekannt und üblich. Es gebe Begriffsbildungen wie „Schlagermusik“, „Schlagersänger“, „Schlagersendung“ etc. ebenso wie Kombinationen mit dem Begriff „Welle“ wie „Retrowelle“, „Technowelle“, „Rockwelle“ etc. und eben auch „Schlagerwelle“. Dieser Begriff sei bekannt und üblich sowohl für eine zeitweise und in größerem Ausmaß aktuelle Welle einer Musikrichtung, nämlich Schlager, als auch für Radiosender mit einem bestimmten Musikstil, wie sich aus den dem vorangegangenen Beanstandungsbescheid beigefügten Internetausdrucken ergebe.

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Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen verstehe das interessierte Publikum die angemeldete Bezeichnung „Schlagerwelle“ entgegen der Argumentation des Anmelders nicht als völlig abstrakten, originellen Begriff, sondern lediglich als beschreibenden Hinweis auf Inhalt und Thematik dieser Dienstleistungen, da Konzerte, Live-Veranstaltungen, Fernsehunterhaltung etc. eine zeitweise und in größerem Ausmaß aktuelle Welle (irgend)einer Musikrichtung zum Inhalt haben könnten, auch speziell eine Welle der Musikrichtung Schlager. Entgegen der Argumentation des Anmelders seien auch spezielle Reiseangebote zu Konzerten, Musikveranstaltungen etc. üblich. Spezialisierungen von Reisebüros auf Musikreisen, Musicalreisen, Schlagerreisen etc. und entsprechende Vermarktungsangebote seien verbreitet, wie sich aus den dem Beschluss als Anlagen beigefügten Internetauszügen ergebe. Die angemeldete Bezeichnung „Schlagerwelle“ werde deshalb im Zusammenhang mit den hier beanspruchten Dienstleistungen vom angesprochenen interessierten Publikum nicht als Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft dieser Dienstleistungen verstanden, sondern lediglich beschreibend als Hinweis auf Inhalt/Thematik oder Bestimmung dieser Dienstleistungen.

8

Auf die Eintragung von Drittmarken könne der Anmelder sein Eintragungsbegehren nicht erfolgreich stützen.

9

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Einen Antrag hat er nicht gestellt. Zur Begründung seiner Beschwerde hat er auf seinen im Amtsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 7. April 2011 verwiesen.

II.

1.

10

Nachdem der Anmelder keine mündliche Verhandlung beantragt hat und auch der Senat eine solche als entbehrlich erachtet, kann über die zulässige Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 69 MarkenG).

2.

11

Die Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil dem angemeldeten Zeichen in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Die Markenstelle hat dies zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, angenommen.

12

Unterscheidungskraft im Sinn dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr. EuGH GRUR Int. 2005, 2012, Nrn. 27 ff. - BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006).

13

Keine Unterscheidungskraft besitzen Wortmarken, wenn ihnen das angesprochene Publikum für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutsche Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.

14

Nach diesen Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Zeichen in seiner Gesamtheit für sämtliche beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, da es bezüglich dieser Dienstleistungen einen ohne weiteres erkennbaren beschreibenden Begriffsinhalt aufweist, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird.

15

Das angemeldete Zeichen ist sprachüblich gebildet und aus den allgemein gebräuchlichen und verständlichen deutschen Wörtern „Schlager“ (= leicht eingängiges, meist anspruchsloses Lied; vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., Mannheim 2006) und „Welle“ (= u. a. etwas was plötzlich und in größerem Ausmaß aktuell ist; vgl. DUDEN, a.a.O.).

16

In ihrer Gesamtheit, auf die bei Mehrwortmarken abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 86 - BIOMILD), wird das hier angesprochene breite inländische Publikum die angemeldete Bezeichnung „Schlagerwelle“ lediglich als beschreibenden Hinweis auf den Inhalt und die Thematik der so gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen. Sämtliche Dienstleistungen können sich mit der Musikrichtung Schlager bzw. einer durch diese Musikrichtung ausgelösten Welle befassen. Für ein entsprechendes Verständnis sprechen insbesondere die von der Markenstelle recherchierten Internetbelege, die eine beschreibende Verwendung des Wortes „Schlager“ durch Dritte belegen. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Reisedienstleistungen, wie den dem Beschluss der Markenstelle beigefügten Internetauszügen zu entnehmen ist.

17

Eine Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens ergibt sich entgegen der vom Anmelder im Amtsverfahren vertretenen Auffassung auch nicht aus der Eintragung von seiner Ansicht nach vergleichbaren Marken. Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts, die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG sein. Das setzt aber voraus, dass sich die bisherige Amtspraxis als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren (BPatG 29 W (pat) 43/04, BeckRS 2007, 12252 - print24). Allein aus einer oder wenigen vorangegangen Entscheidungen lässt sich noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH GRUR 2009, 667, 668, Rdn. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost).

18

Die Amtspraxis ist daher nicht willkürlich. Zudem verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall unter Einbeziehung seiner Besonderheiten, insbesondere der Marke selbst, der Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden sollen, und des beteiligten Publikums zu beurteilen ist. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit der Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage, und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen nach ständiger Rechtsprechung somit nicht zu einem Anspruch auf Eintragung.

19

Nachdem der Anmelder seine Beschwerde nur unter Hinweis auf einen im Amtsverfahren eingereichten Schriftsatz begründet hat, ist nicht ersichtlich, inwieweit er den nach der Einreichung des Schriftsatzes abgefassten Beschluss der Markenstelle für angreifbar hält.

20

Ob der Eintragung zusätzlich das Schutzhindernis der Merkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.