Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.05.2016


BPatG 03.05.2016 - 27 W (pat) 533/16

Markenbeschwerdeverfahren – "Sternenkind" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
03.05.2016
Aktenzeichen:
27 W (pat) 533/16
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 034 678.8

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 3. Mai 2016 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Hermann und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Sternenkind

3

ist am 17. Juli 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:

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Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen: Juwelier- und Schmuckwaren aus Edelmetall; Juwelier- und Schmuckwaren aus Edelsteinen; Juwelier- und Schmuckwaren aus Gold; Juwelier- und Schmuckwaren aus unedlen Metallen;  Juwelier- und Schmuckwaren für die persönliche Zierde;  Juwelier- und Schmuckwaren mit Perlen; Juwelierwaren, Schmuckwaren; mit Diamanten besetzte Juwelier- und Schmuckwaren; mit Edelmetalllegierungen plattierte  Juwelier- und Schmuckwaren; mit Edelsteinen besetzte Juwelier- und Schmuckwaren; Modell-Figuren (Schmuck) aus Edelmetall; Ringe als Schmuck- oder  Juwelierwaren; Schlüsselanhänger (Schmuckgegenstände oder Anhänger); Schmuck aus Edelmetall für den persönlichen Gebrauch.

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Mit Beschluss vom 23. Oktober 2014 hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 14, die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft und wegen Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen.

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Hiergegen richtet sich die am 13. November 2014 erhobene Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 14, vom 23. Oktober 2014 aufzuheben.

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Zur Begründung führt sie aus, der Begriff „Sternenkind“ sei laut Wikipedia eine poetische Wortschöpfung – ein Fantasiebegriff. Die angesprochenen Verkehrskreise, die sich für Schmuck und Edelmetalle interessierten, würden den Begriff zu weiten Teilen nicht kennen. Lediglich Menschen, die die tragische Erfahrung eines Kindesverlusts gemacht oder aus nächster Nähe erlebt hätten, würden das Wort kennen. Mit dem Suchwort „Sternenkind“ erhalte man bei Google nur … Treffer, weniger als für „Tausendkind“ oder „Glückskind“. Daraus ergebe sich, dass „Sternenkind weder bekannt sei noch häufig gesucht werde. Der Begriff „Stern“ sei ein beliebter Markenbestandteil, der in sämtlichen Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen bereits 494 Mal eingetragen worden sei. Schließlich sei „Sternenkind“ auch für die gleichnamige Firma, die Oberbekleidung herstelle, eingetragen worden.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg.

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Da die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 MarkenG).

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Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „Sternenkind“ steht hinsichtlich der beanspruchten Waren das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin rechtfertigt keine anderweitige Beurteilung.

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. - Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731, Nr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Nr. 7 - Starsat; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 - for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 16 - for you).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).

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Ausgehend davon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2006 , 850 Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872, 874 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT).

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Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt dem Anmeldezeichen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

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„Sternenkind“ ist die allgemein geläufige Bezeichnung für Kinder, die mit einem Gewicht von weniger als 500 Gramm vor, während oder nach der Geburt versterben. Im weiteren Sinne wird der Begriff auch verwendet für Kinder, die mit mehr als 500 Gramm Geburtsgewicht sterben (Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Sternenkind). Mit dieser Bedeutung hat die Bezeichnung inzwischen Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden. So definiert der DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Auflage, S. 1690, „Sternenkind“ als „vor, kurz oder nach der Geburt gestorbenes Kind“. Die häufige Verwendung im Internet und in der Presse, welche bereits im Beschluss des DPMA, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, mit zahlreichen Nachweisen belegt worden ist, veranschaulicht die Bekanntheit des Begriffes. Bereits am 1. Februar 2013 berichtete die Süddeutsche Zeitung über ein Gesetz für „Sternenkinder“ und über einen „Sternenkinder-Friedhof“ in Bad-Tölz. Die vorgelegten Internetauszüge belegen auch, dass es üblich ist, mit Schmuckstücken dieser Kinder zu gedenken. Die Beschwerdeführerin bietet selbst auf ihrer Website an, Ringe „für Sternenkinder“ zu gravieren (dein-glueckskind.brittaschmiede.de).

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Der hier angesprochene allgemeine Verbraucher, der ein Schmuckstück erwerben möchte, wird also, wenn ihm Schmuck unter der Bezeichnung „Sternenkind“ angeboten wird, annehmen, dass es sich um Schmuck handelt, der für beziehungsweise in Erinnerung an Sternenkinder von verschiedenen Herstellern hergestellt und angeboten wird.

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Die von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumente vermögen an dieser rechtlichen Bewertung nichts zu ändern.

20

Aus der Tatsache, dass die Eingabe der Worte „Glückskind“ und „Tausendkind“ bei Google zu mehr Treffern führt als die Eingabe von „Sternenkind“ kann nicht der Rückschluss gezogen werden, dass „Sternenkind“ keine Bedeutung habe beziehungsweise dass eine Bedeutung nicht bekannt sei. Die Bekanntheit eines Wortes lässt sich nicht nach der Häufigkeit der Google-Suche beurteilen, sondern allein danach, ob und wie häufig es tatsächlich verwendet wird. Die Verwendung kann jedoch vorliegend, wie bereits ausgeführt, eindeutig belegt werden.

21

Auch die von der Beschwerdeführerin angeführte Eintragung der Wort-Bildmarke „Sternenkind“ für die Waren „Oberbekleidung“ ändert nichts an der Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke. Für die Eintragung einer angemeldeten Marke kommt es alleine darauf an, ob die Voraussetzungen eines gesetzlich geregelten Schutzhindernisses im konkreten Fall gegeben sind. Ob identische oder ähnliche Zeichen bereits als Marke eingetragen sind, ist nicht maßgebend (BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 19 – grill meister). Denn aus einer Eintragung anderer Marken kann keine weitergehende Information im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden (BGH a. a. O. – grill meister). Hinzu kommt, dass die Schutzfähigkeit eines Zeichens immer in Bezug auf die jeweils beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu beurteilen ist, so dass man bei identischen Zeichen, aber unterschiedlichen Waren auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Die Voreintragungen von „Glückskind“ und „Stern“ sind schon von Wortlaut und Bedeutung her nicht vergleichbar.

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Nach alledem wird der Verbraucher in dem Wort „Sternenkind“ die oben erläuterte beschreibende Bedeutung des angemeldeten Zeichens ohne weiteres erkennen und nicht annehmen, dass damit auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen hingewiesen wird. Der Marke fehlt damit jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Anmeldung zurückzuweisen war (§ 37 Abs. 1 MarkenG).