Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.06.2013


BPatG 18.06.2013 - 27 W (pat) 532/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Wiederanlagekonto" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
18.06.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 532/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 033 296.4

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht sowie die Richterinnen Hartlieb und Kopacek am 18. Juni 2013

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Am 2. Juni 2010 ist die Wortmarke

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"Wiederanlagekonto"

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für zahlreiche Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 41 angemeldet worden.

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Nach erfolgter Beanstandung hinsichtlich aller angemeldeten Waren und Dienstleistungen wurde die Anmeldung mit Beschluss vom 3. Februar 2012 durch eine Prüferin des gehobenen Dienstes teilweise, nämlich hinsichtlich der Dienstleistungen "Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen" zurückgewiesen.

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Zur Begründung ist ausgeführt worden, die angemeldete Marke sei insoweit nicht unterscheidungskräftig nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. In Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Dienstleistungen stehe eine Sachaussage im Vordergrund. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Wortkombination "Wiederanlagekonto" ohne Weiteres als ein spezielles Konto/ein Depot/ein Kontobuch/eine Rechnungsablage, bei dem es um eine Wiederanlage gehe. Die Wortkombination vermittele den potentiellen Kunden der Anmelderin, dass diese hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 36 ein Konto anbiete, welches der Wiederanlage diene bzw. welches zum Zweck der Wiederanlage geführt werde. Im Rahmen einer Internetrecherche habe zudem die gegenwärtige Verwendung des angemeldeten Begriffs ermittelt werden können (vgl. Anlagen zu dem angefochtenen Beschluss).

6

Darüber hinaus hat die Markenstelle auf den Zurückweisungsbeschluss "Basiskonto" (33 W (pat) 100/02) sowie weitere Zurückweisungen von Wortzusammensetzungen mit "Konto" verwiesen (z.B. HochZinskonto, Zeitwertkonto etc.). Aufgrund der getroffenen Feststellungen sei zudem von einer freihaltebedürftigen Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auszugehen, wobei es nicht darauf ankomme, ob die beschreibende Wortkombination bereits von anderen verwendet werde oder ob eine sprachliche Wortneuschöpfung vorliege.

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Die Anmelderin hat gegen den Beschluss der Markenstelle vom 3. Februar 2012, der ihr am 10. Februar 2012 zugestellt worden ist, am 9. März 2012 Beschwerde eingelegt. Sie begründet diese damit, dass die Anmeldemarke weder unmittelbar beschreibend für die beanspruchten Dienstleistungen sei noch einen engen sachlichen Bezug zu diesen aufweise. Der Wortkombination "Wiederanlagekonto" komme keine eindeutige, sich dem Publikum ohne analysierende Betrachtungsweise erschließende Bedeutung zu, die ausschließlich als Sachinformation im Hinblick auf die Dienstleistungen "Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen" zu verstehen sei. Der zusammengesetzte Gesamtbegriff finde sich nicht im Duden. Aus dem Begriff werde weder deutlich, was angelegt werden solle, noch wo oder warum etwas angelegt werden solle. Eine sinnvolle Bedeutung sei allenfalls mittels einer gedanklichen Konstruktion möglich. Gerade bei den beanspruchten Dienstleistungen sei das Publikum an eine klare Terminologie gewöhnt, die klaren sprachlichen Regelungen folge. Die Markenstelle habe in der Beschlussbegründung vier unterschiedliche, inhaltlich voneinander zu differenzierende Varianten des möglichen Verständnisses angeboten, woraus sich ein inhaltlicher Spielraum ergebe.

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Die Anmelderin beantragt daher sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 vom 3. Februar 2012 aufzuheben und die Marke vollumfänglich im Register einzutragen.

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Den ursprünglich gestellten hilfsweisen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin mit Schreiben vom 13. Juni 2013 (Eingang bei Gericht am 14. Juni 2013) zurückgenommen und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.

II.

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Da die Anmelderin den Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen, um Entscheidung nach Aktenlage gebeten hat und eine Sachdienlichkeit nach § 69 Nr. 3 MarkenG nicht vorlag, konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angemeldete Marke ist für die zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 36 "Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen" nicht unterscheidungskräftig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Unterscheidungskraft ist Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, von den angesprochenen Verkehrskreisen als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marken erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 – EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 – Marlene-Dietrich-Bildnis II). Die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 – EUROHPYPO; BGH GRUR 2009, 949 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des BGH ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 – STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 – Willkommen im Leben).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 679 – Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 – Link economy; GRUR 2009, 952, 953 – DeutschlandCard; GRUR 2009, 949 – My World; GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – antiKALK). Darüber hinaus besitzen auch solche Zeichen keine Unterscheidungskraft, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug hergestellt wird (BGH GRUR 2010, 1100 – TOOOR!; GRUR 2006 850, 854 – FUSSBALL WM 2006).

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Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Wortfolge "Wiederanlagekonto" in Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 36 "Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen" jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die angesprochenen breiten Verkehrskreise werden dem angemeldeten Begriff lediglich einen beschreibenden Aussagegehalt dahingehend entnehmen, dass ein spezielles Konto angeboten wird, das der Wiederanlage dient oder zu diesem Zweck geführt wird. Dass es mehrere Modalitäten der Wiederanlage gibt (vgl. z.B. unter http://www.anleger-lexikon.de/wissen/wiederanlage,php, wonach ein jährlicher Ausschüttungsbetrag in Varianten wieder in den gleichen Fonds angelegt wird), hindert nicht die Annahme eines beschreibenden Begriffsgehalts. Zudem weisen sowohl die Recherchebelege, die der Anmelderin mit dem Beanstandungsbescheid der Markenstelle vom 29. Oktober 2012 als auch die mit dem Beschluss vom 3. Februar 2012 übersandten Recherchebelege explizit die angemeldete Begriffskombination auf und erläutern diese in beschreibender Weise (Hervorhebungen durch den Senat), vgl. hierzu insbesondere unter www.festgeld-sparen.com/journal/656-ostfriesische-volksbank": "… Auf Wunsch wird das Festgeldkonto als Wiederanlagekonto geführt, wodurch die Investition nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit automatisch wieder für den denselben Zeitraum angelegt wird." sowie Brandes – Prospectus 20 March 2007 (german) doc: "… dass sich der Nettoinventarwert pro Anteil um den für die Ausschüttung zur Verfügung stehenden Betrag verringert, der auf ein bei der Depotbank geführtes Bankkonto (das "Wiederanlagekonto" ) übertragen und am Zahlungstag durch Ausgabe weitere Anteile dem Kapital des betreffenden Teilfonds wieder zugeführt wird".

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Durch die ausdrücklichen Verwendungsbeispiele des Begriffs "Wiederanlagekonto" ist die Argumentation der Anmelderin, es handele sich um eine Wortneuschöpfung, widerlegt, wobei allerdings selbst eine Wortneuschöpfung nicht schutzfähig ist, sofern sie ausschließlich beschreibende Qualität aufweist (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; GRUR 2004, 146 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674 – Postkantoor). Soweit die Anmelderin die Auffassung vertritt, aufgrund der von der Markenstelle genannten vier verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten bestehe ein inhaltlicher Spielraum, der die Schutzfähigkeit begründe, bewegt sich dieser ausschließlich innerhalb beschreibender Aussagegehalte, zumal es sich ohnehin um synonyme Begriffe handelt. Ob ein Konto der Wiederanlage dient oder zu diesem Zweck geführt wird, ist vom Sinngehalt her gleichbedeutend; dies gilt auch für die von der Markenstelle genannten Synonyme für Konto wie z.B. Depot, Rechnungsablage. Ein über diese beschreibenden synonymen Bedeutungen hinausgehender Sinngehalt findet sich in der Anmeldemarke nicht. Erweisen sich in Bezug auf die angemeldeten Waren/Dienstleistungen alle Deutungsmöglichkeiten als sachbezogen, begründet dies keine Unterscheidungskraft, zumal diese bereits dann fehlt, wenn sich neben beschreibenden Bedeutungen auch nicht beschreibende Bedeutungen finden (vgl. BGH GRUR 2009, 778 – Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 – hey!). Im Übrigen sind keine ganz präzisen Aussagen darüber erforderlich, was, wo und warum angelegt wird, da auch zusammenfassende oberbegriffsartige Ausdrücke und Wortfolgen einen beschreibenden und sachbezogenen Charakter in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen haben können (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2008, 397, Rn. 15 - SPA II; WRP 2009, 960, Rn. 15 -  DeutschlandCard). Solche Oberbegriffe stehen jedenfalls einer klaren Terminologie, die die Anmelderin für den vorliegenden Dienstleistungsbereich für erforderlich erachtet, nicht entgegen.