Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 24.09.2013


BPatG 24.09.2013 - 27 W (pat) 530/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Edelbotten" – Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
24.09.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 530/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 049 287.8

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 24. September 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht sowie der Richterinnen Kopacek und Hartlieb

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.    

2

Die Bezeichnung

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Edelbotten

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ist für die Waren und Dienstleistungen

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„Gymnastikschuhe, Halbstiefel, Hausschuhe, Sandalen, Schnürstiefel, Schuhe (Halbschuhe), Schuhwaren, Sportschuhe, Stiefel;

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Kurzwaren, Posamenten und Applikationen, Schmuck für Schuhe und Schuhwaren, Schnürbänder usw., Schuhhaken, Schuhösen, Schuhschnallen, Schuhspangen, Schuhverzierungen, die nicht aus Edelmetall sind, Troddeln;

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Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet in den Bereichen Schuhe und Textilwaren, Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen Schuhe und Textilwaren, Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshoppingsendungen in den Bereichen Schuhe und Textilwaren, Online- oder Katalogversanddienstleistungen in den Bereichen Schuhe und Textilwaren oder entsprechende Großhandelsdienstleistungen“

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zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts – Erstprüfer - hat die Anmeldung mit Beschluss vom 15. März 2013 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Die angemeldete Marke sei ersichtlich aus den Wörtern "edel" und "Botten" zusammengesetzt. "Edel" drücke in Verbindung mit Substantiven aus, dass etwas als etwas Besseres, Besonderes, Hochwertigeres angesehen werde. Es weise somit auf die Qualität der so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen hin. "Botten" sei der Plural eines aus dem Polnischen bzw. Französischen stammenden Wortes der deutschen Sprache mit der Bedeutung "Stiefel, große, plumpe Schuhe". "Botten" stelle damit lediglich eine reine Warenangabe dar. Das Publikum erkenne, dass es sich um eine sprachregelkonforme Zusammensetzung aus einem Adjektiv und einem Substantiv handle, so dass sich für die Verkehrskreise der Bedeutungsgehalt "edle Stiefel, edle große, plumpe Schuhe" als im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt ergebe. Alle angeführten Bedeutungen (edle Stiefel, edle große plumpe Schuhe) stünden im Zusammenhang mit einer werbeschlagwortartigen Anpreisung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dahingehend, dass es sich bei den Waren um sehr edle und besondere Schuhe und Stiefel handle und die Textilwaren sowie Dienstleistungen hierfür bestimmt seien, diese zum Inhalt hätten oder sonst wie in Verbindung stünden. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei daher nicht zu erkennen.

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Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Der angemeldete Begriff sei weder für die inländischen Verkehrskreise im Allgemeinen noch für plattsprechende Beteiligte gebräuchlich. Da der Bestandteil „Botten“ nicht deutsch, sondern einer eigenen Sprache, dem Platt, entlehnt sei, sei er wie eine Anmeldung mit fremdsprachlichen Wortbestandteilen zu behandeln. Die Eintragung im Duden  allein sei kein rechtliches Kriterium, das eine Einschränkung auf den plattdeutschen Sprachraum zulasse und sprachliche Bedeutungen in solchen Sprachen ausschlösse, die in den beteiligten Verkehrskreisen gebräuchlich seien. Die Markenstelle habe zudem verkannt, dass das Wort „botten“ im Deutschen die Bedeutung von „rennen“ habe, sowie bei Community-Spielen zur Bezeichnung eines Programmschritts verwendet werde. Der Anmelder verweist auf Voreintragungen mit den Bestandteilen „Botten“ und „Edel“. Die Markenstelle habe sich auch nicht mit den einzelnen Waren und Dienstleistungen auseinandergesetzt.

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Der Anmelder beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- um Markenamtes vom 15. März 2013 aufzuheben.

II.

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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da die angemeldete Marke eine für den Wettbewerb freizuhaltende beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist.

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Nach dieser Vorschrift sind unter anderem Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der Dienstleistungen dienen können. Die aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c MarkenRL übernommene Regelung gebietet die Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 95 bis 97 - Postkantoor; BGH GRUR 2008, 900 Rn. 12 - SPA II; GRUR 2009, 994 Rn. 14 – Vierlinden).

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Damit kann auch Wortneubildungen der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt (vgl. EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 20) – Maglite; BGH GRUR 2002, 261, 262 – AC).

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Eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen beschreibt, hat selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Kombination und der bloßen Summe der Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Angabe, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 - KPN-Postkantoor).

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Diese Voraussetzungen liegen bei der angemeldeten Begriffskombination „Edelbotten“ vor. „Edelbotten“ ist eine Zusammensetzung aus gebräuchlichen Begriffen der deutschen Sprache. Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 - BioID).

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Der Bestandteil „Botten“ ist - wie die Markenstelle schon zutreffend festgestellt hat – eine Bezeichnung für „grobe, plumpe Schuhe“. Hierfür finden sich zum Begriff „Botten“ im Internet zahlreiche Nachweise (vgl. z.B. www. sprachnudel.de: „Botten ist umgangssprachlich für Schuhe. Früher eher abwertend, kann heute aber auch im positiven Sinne gebraucht werden.“; www. besser gehen.com: „Botten – der Begriff stammt aus dem Norddeutschen. Ursprünglich wurde er abwertend für klobige Schuhe benutzt. Er wird heute jedoch auch durchaus positiv verwendet.“; universal_lexikon.deacademic.com: „Botten: Stiefel; große, plumpe Schuhe“; www. enzyklo.de:  Als die Botten bezeichnet man in Berlin umgangssprachlich die Schuhe“).

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Soweit der Anmelder auf mögliche andere Bedeutungen verweist, vermag dies nicht zu einer schutzbegründenden Unbestimmtheit der angemeldeten Bezeichnung führen. Von dieser kann nur ausgegangen werden, wenn eine derartige begriffliche Ungenauigkeit erreicht ist, dass die fragliche Angabe nicht mehr zu einer konkret beschreibenden Bezeichnung „dienen kann“. Ob eine derartige Bedeutungsvielfalt vorliegt, darf jedoch nicht abstrakt-lexikalisch beurteilt werden, sondern muss im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen gesehen werden (vgl. BGH, GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt). Im vorliegenden Fall steht daher die Bedeutung „grobe Schuhe, Stiefel“ im Vordergrund. Darüber hinaus stehen auch weitere Bedeutungen des Begriffs „Botten“ einem Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen, da von einem die Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriff gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch auszugehen ist, wenn das Markenwort verschiedene Bedeutungen hat und nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (vgl. BGH, GRUR 2008, 397, 398 – SPA II).

20

Entgegen der Auffassung des  Anmelders ist der Begriff „Botten“  im Zusammenhang mit Schuhen ein gebräuchlicher Begriff. So ergibt sich aus dem Ergebnis der Internetrecherche des Senats auch, dass der Begriff keineswegs auf den plattdeutsch sprechenden Sprachraum begrenzt ist (vgl. www. kiek – mal uff-berlin.de: „Botten  sind Schuhe“; www. mundmische.de:  „Botten sind meist große klobige Schuhe“), sondern auch ohne Zusammenhang mit der plattdeutschen Sprache und außerhalb dieses Sprachraumes als umgangssprachlicher Begriff für Schuhe verwendet und verstanden wird (vgl. www. nordkurier.de: „Während man mit den  Edel-Botten im schönsten Klöppel-Stil für schlappe … Euro prachtvoll daherlatschen kann…“; www. leselupe.de: „…wenn nicht Schulrucksäcke und „Edelbotten“ an ausgestreckten Beinen Sitzhälften belagert hätten“; www. frau-shopping.de: „Diese Botten gehen gar nicht“; www. das fanmagazin.de: „Wär ja noch schöner, wenn es solche Edelbotten beim Bund geben würde.“).

21

Selbst wenn es sich ursprünglich um eine mundartliche Bezeichnung gehandelt hat, so ist der Begriff „Botten“ demnach für einen entscheidungserheblichen Teil der allgemeinen Verkehrskreise ausreichend verständlich (vgl. BGH, GRUR 1999, 498, 499 - Achterdiek; BPatG PAVIS PROMA 29 W (pat) 262/99 v. 8. November 2000 – Smoortaal; BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 49/09 v. 17. Dezember 2009 – Guazle)  und  kann daher als beschreibende Bezeichnung dienen.

22

Der vorangestellte Begriff „Edel“ weist darauf hin, dass es sich um eine besonders gehobene Ausführung handelt, die sich z.B. durch ein besonderes Material, das Design oder die Qualität auszeichnen kann (vgl. z.B. die Zusammensetzungen  Edelmarke, Edelkarosse und Edeljeans).

23

Der in der angemeldeten Bezeichnung vorangestellte Begriff „Edel“ dient damit lediglich der näheren Konkretisierung dahingehend, dass es sich um (klobige) Schuhe bzw Stiefel in gehobener Ausführung handelt.

24

Der Gesamtbegriff „Edelbotten“ ist zwar nicht lexikalisch nachweisbar, ist aber sprachüblich gebildet und wird – wie aus der Internetrecherche erkennbar - bereits als umgangssprachlicher Begriff für edle oder teure Schuhe verwendet. Selbst im Zusammenhang mit der Firma des Anmelders wird „Edelbotten“ nicht markenmäßig, sondern beschreibend verwendet (vgl. www. rovers.de: „Diese knöchelhohe Schnürstiefelette von Rovers zählt im wahrsten Sinne des Wortes zu den „Edelbotten“.).

25

Die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise werden „Edelbotten“ daher im Sinne von „(rustikale) Schuhe in edler Ausführung“ verstehen. Es handelt sich vorliegend um eine Sachangabe zu Beschaffenheit und Bestimmung der so gekennzeichneten Waren und der damit in Beziehung stehenden Dienstleistungen, die im Allgemeininteresse freizuhalten ist.

26

Entgegen der Ansicht des Anmelders bedarf es - soweit die Eignung zur Beschreibung festgestellt worden ist - für die Begründung des Eintragungshindernisses wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses keines weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang die angemeldete Marke als beschreibende Angabe bereits bekannt ist oder verwendet wird. Es genügt, wie sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck „dienen können“. Die Belege der bereits erfolgten beschreibenden Benutzung der fraglichen Marke aus einer Internetrecherche stellen allerdings starke Indizien für deren tatsächliche Eignung zur Beschreibung dar (vgl. BGH GRUR 2008, 900 - SPA II; Ströbele/Hacker MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 287 m.w.N.).

27

Ein Eingehen auf die vom der Anmelder genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277 Rn. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. m. w. N.).

28

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.