Entscheidungsdatum: 02.08.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 042 217.4
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. August 2016 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Hermann und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Als sonstige Markenform (Farbmarke) ist am 26. März 2014 das Zeichen
zur Eintragung in der Farbe Pantone 2567C (lila) für die Waren der
Klasse 5: Pharmazeutische Präparate, nämlich Bronchodilatoren und Präparate gegen Asthma
Klasse 10: Inhalatoren für die Arzneimittelverabreichung
angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 14. Oktober 2014 hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 10, die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung vom 7. Mai 2014 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei abstrakten Farbmarken wie der vorliegenden Farbmarke „lila“ sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Unterscheidungskraft im Allgemeinen fehle. Eine Eintragung komme, da die Verbraucher in Farben gewöhnlich nur bloße Gestaltungsmittel sähe, allenfalls unter den Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung oder unter außergewöhnlichen Umständen auf „spezifischen Märkten“ in Betracht, was vorliegend nicht gegeben sei. Anhaltspunkte für eine Verkehrsdurchsetzung seien weder vorgebracht noch ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die am 14. November 2014 erhobene Beschwerde der Anmelderin, mit der sie vorträgt, auch bei abstrakten Farbmarken reiche eine noch so geringe Unterscheidungskraft aus, um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden. Schutzbegründende besondere Umstände beständen in diesem Fall darin, dass die Zahl der Waren, für die die Marke Schutz begehrt, sehr klein sei, und darin, dass der maßgebliche Markt sehr spezifisch sei. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin haben die beanspruchten Waren nur einen ganz engen Einsatzbereich, nämlich die Behandlung von Asthmaerkrankungen und COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung). Ferner sei der Markt der beanspruchten Waren ein spezieller Nischenmarkt, auf dem bestimmte Hersteller bestimmte Farben zur Kennzeichnung ihrer Produkte verwenden, wie es aus Anlage B 2 hervorgehe. Schließlich bestehe auch kein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da der beanspruchte Farbton keinerlei Aussagen über Eigenschaften der beanspruchten Produkte enthalte. Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 10, vom 14. Oktober 2014 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).
Diese Grundsätze finden auch bei abstrakten Farbmarken Anwendung, bei denen kein strengerer Maßstab anzulegen ist als bei anderen Markenformen (vgl. EuGH GRUR Int. 2005, 227 Rn. 78 - Farbe Orange; BGH GRUR 2014, 776 Rn. 46 -Sparkassen-Rot; GRUR 2015, 1012 Rn 11 - Nivea-Blau; GRUR 2010, 637, 638 Rn. 12 - Farbe gelb). Allerdings ist bei bestimmten Markenkategorien zu beachten, dass sie vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie eine herkömmliche Wort- oder Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Häufig schließen Verbraucher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung oder aus der Farbe eines Produkts nicht auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Unternehmen (EuGH GRUR Int. 2005, 135 Rn. 30 - MagLite; GRUR 2003, 604 Rn. 65 - Libertel; GRUR 2004, 858 Rn. 38 f. - Heidelberger Bauchemie; GRUR Int. 2005, 227 Rn. 78 - Farbe Orange; BGH GRUR 2010, 637, 638 Rn. 12 – Farbe gelb). Zudem ist bei abstrakten Farbmarken auch im Rahmen des Schutzhindernisses mangelnder Unterscheidungskraft das Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 60 - Libertel; GRUR 2004, 858 Rn. 41 – Heidelberger Bauchemie). Dementsprechend ist bei abstrakten Farbmarken auch bei Zugrundelegung des beschriebenen großzügigen Prüfungsmaßstabs davon auszugehen, dass solchen Marken im Allgemeinen die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Bei abstrakten Farbmarken ist deshalb regelmäßig zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die gleichwohl die Annahme rechtfertigen, die angemeldete Marke sei unterscheidungskräftig. Diese Beurteilung erfordert eine umfassende Prüfung des Verkehrsverständnisses bei der Wahrnehmung der Farbe auf dem in Rede stehenden Waren- oder Dienstleistungssektor und des Interesses der Allgemeinheit an der freien Verfügbarkeit der beanspruchten Farbe. Von Bedeutung für die Beurteilung des Schutzhindernisses ist in diesem Zusammenhang auch, ob die Eintragung der Farbe für eine Vielzahl von Waren oder Dienstleistungen oder eine bestimmte Gruppe von Waren oder Dienstleistungen beantragt worden ist. Besondere Umstände, bei denen eine abstrakte Farbmarke über Unterscheidungskraft verfügen kann, können insbesondere dann vorliegen, wenn die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet ist, sehr gering und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 71 - Libertel; GRUR Int. 2005, 227 Rn. 79 – Farbe Orange; BGH GRUR 2015, 1012 Rn. 12 - Nivea-Blau; GRUR 2010, 638 Rn. 13 - Farbe gelb).
Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten abstrakten Farbmarke Pantone 2567C (lila) für die beanspruchten Waren der Klassen 5 und 10 von Haus aus die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Es begegnet schon Bedenken, ob, auch wenn nur wenige Waren beansprucht werden, von einem in diesem Sinn spezifischen Markt ausgegangen werden kann, da entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin die Waren „Pharmazeutische Präparate, nämlich Bronchodilatoren und Präparate gegen Asthma“ und „Inhalatoren für die Arzneimittelverabreichung“ nicht nur von Ärzten (insbesondere Allgemeinärzte und Pulmonologen), Apothekern und solchen Patienten nachgefragt werden, die unter Asthma oder COPD leiden. „Inhalatoren für die Arzneimittelverabreichung“ sind keineswegs auf Asthma-Inhalatoren beschränkt, sondern umfassen alle möglichen Inhalatoren zur Verabreichung irgendeines Arzneimittels, was beispielsweise auch Inhalatoren zur Behandlung von Bronchitis oder Erkältungen einschließt, die breite Verkehrskreise ansprechen. Allenfalls bei den Waren der Klasse 5 könnte von einem spezifischen Markt ausgegangen werden.
Zudem fehlt es auf diesem Marktsektor an einer Gewöhnung des Verkehrs an Farben als betriebliches Herkunftskennzeichen (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11. Aufl. 2014, § 8 Rn. 314). Zwar ergebe sich nach Auffassung der Beschwerdeführerin aus Anlage B 2, dass Inhalatoren, in denen die Arzneimittel gegen Asthma abgegeben werden, jeweils in unterschiedlichen Farben gestaltet sind und die verschiedenen Anbieter unterschiedliche Farben benutzten. Aus der insgesamt mit bunten Inhalatoren bebilderten Übersicht B 2 ist allerdings nicht erkennbar, dass Farben in dieser Branche grundsätzlich als betriebliche Herkunftshinweise in Betracht kommen. Sie zeigt lediglich 12 verschiedene Asthma-Inhalatoren unterschiedlicher Unternehmen. Rückschlüsse auf branchenbedingte Besonderheiten lässt diese Auswahl nicht zu, die Farbauswahl der gezeigten Inhalatoren scheint vielmehr vollkommen willkürlich zu sein und auf ästhetischen Überlegungen zu beruhen. Aus Anlage B 2 kann man entnehmen, dass auch ein und dasselbe Unternehmen unterschiedliche Farben verwendet und dass diese Farben zudem auch von anderen Unternehmen verwendet werden. So weisen die gezeigten Inhalatoren eines Unternehmens sowohl eine violette als auch eine pinke Farbgestaltung auf, wobei die violette Farbgestaltung allerdings auch von einem anderen Unternehmen verwendet wird, das gleichzeitig für einen anderen Inhalator eine hellblaue Farbe benutzt.
Farben stellen auf dem Markt der Asthma-Inhalatoren ein dekoratives Element dar, eine Verwendung als Herkunftshinweis ist nicht ersichtlich. Auch im möglicherweise spezifischen Marktbereich der Bronchodilatoren und Präparaten gegen Asthma sind keine Anhaltspunkte gegeben, dass Farben als Herkunftshinweis verwendet würden, und der Verkehr deshalb an Farben als Kennzeichnungsmittel gewöhnt sei. Schon allein aus diesem Grund fehlt der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft.
Zudem sind Farben bei Waren, für die sie nur sachbezogene Vorstellungen vermitteln, von Haus aus zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ungeeignet (Ströbele/Hacker: Markengesetz, 11. Auflage 2015, § 8, Rdn. 311).
Wie die Beschwerdeführerin selbst unter II. 3. b) anführt, werden Asthma-Medikamente häufig in Abhängigkeit ihrer Eigenschaften mit verschiedenen Farben gekennzeichnet. So wird die Farbe Blau häufig für kurzwirksame Bronchodilatoren verwendet, die Farben Braun, Rot oder Orange werden häufig für entzündungshemmende Arzneimittel und die Farbe Grün wird häufig für lang wirkende Asthma-Arzneimittel verwendet (vgl. auch Anlage B 3 Bl. 37 f. d. A.).
Auch aus diesem Grund sind Farben auf dem Markt der Bronchodilatoren und Präparate gegen Asthma zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ungeeignet.
Für eine Überwindung des Schutzhindernisses gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG fehlt jeder Anhaltspunkt.
Da der Eintragung des Anmeldezeichens das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegensteht, kann dahinstehen, ob auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfüllt ist.