Entscheidungsdatum: 19.11.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 068 246
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts am 19. November 2012 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Den Widerspruch gegen die für die Dienstleistung
Klasse 43: Verpflegung von Gästen in Cafés
eingetragene Wort-/Bildmarke 30 2010 068 246
aus der Marke 30 2008 076 806
YO
die für die Waren
29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; tiefgefrorenes, konservierte, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und –fette.
30: Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Mehle und Getreidepräparate einschließlich Zerealienriegel; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren, Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze, Kühleis.
32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
eingetragen ist, hat die Markenstelle mit Beschluss vom 16. Februar 2012 zurückgewiesen und dazu ausgeführt, die Verpflegungsdienstleistung des angegriffenen Zeichens und die Waren aus den Klassen 29, 30 und 32 der Widerspruchsmarke hätten Berührungspunkte, da sie ausnahmslos zu der Angebotspalette eines Cafés gehörten. Dort würden nicht nur Backwaren und ähnliche Produkte angeboten, sondern auch kleine Speisen und einfache Gerichte. Daher bedürfe es, um Verwechslungen auszuschließen, eines großen Markenabstands, der hier allerdings gegeben sei.
Stelle man die beiden Vergleichsmarken einander in ihrer Gesamtheit gegenüber, so sei keine Verwechslungsgefahr gegeben, da der Unterschied auch bei nur flüchtiger Aufnahme der Wiedergabe der Marken nicht unbemerkt bleibe.
Lasse man die graphische Ausgestaltung des angegriffenen Zeichens außer Acht, so stünde "Jo`s Coffee & more" dem Wort YO gegenüber.
Das angegriffene Zeichen erfahre im Gesamteindruck seine Prägung durch den Bestandteil "Jo`s". "Coffee & more" sei nämlich eine die Art und den Inhalt der Verpflegungsdienstleistungen beschreibende Angabe, der für die fraglichen Dienstleistungen jegliche Kennzeichnungskraft fehle. Sie müsse daher im Kollisionsverfahren ausgeklammert werden.
Sowohl im schriftbildlichen, klanglichen als auch im begrifflichen Bereich hätten Jo`s und YO unübersehbare Abweichungen. Gerade bei solch kurzen Begriffen, die nur aus zwei bzw. drei Buchstaben bestünden, würden Abweichungen eher wahrgenommen als bei längeren, mehrsilbigen Begriffen.
In klanglicher Hinsicht ähnelten die beiden Kurzwörter einander zwar schon, da ein "y" die gleiche Sprechweise erfordere wie ein "j", doch seien sie nicht identisch, da sich am Ende des angegriffenen Zeichens die Genitivform durch ein nicht überhörbares stimmhaftes "s" anschließe, das in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finde.
Auch begrifflich unterschieden sich die beiden Marken durch die Genitivform eines Namenskürzels, während die Widerspruchsmarke eine reine Phantasiesilbe ohne erkennbaren Inhalt sei.
Für die Prüfung der Verwechslungsgefahr sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft beider beteiligten Marken auszugehen. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, die eine Steigerung oder Schwächung der Kennzeichnungskraft einer der beiden Marken begründen könnten.
Die Widersprechende hat am 28. Februar 2012 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, J und Y würden oft vertauscht (Jannik – Yannik, Yves – Jvo, Jvonne – Yvonne etc.).
"Jo's" sei neben den beschreibenden Wörtern und der werbeüblichen Graphik im angegriffenen Zeichen prägend.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 16. Februar 2012 aufzuheben und die Marke auf den Widerspruch hin zu löschen.
Demgegenüber beantragt der Inhaber des angegriffenen Zeichens,
die Beschwerde zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Er ist der Auffassung "Jo's" präge den Gesamteindruck des angegriffenen Zeichens nicht. Im Übrigen habe die Markenstelle die Unterschiede der Marken zutreffend gewürdigt. Die Widersprechende hätte die Kosten zu tragen, weil sie einen erkennbar aussichtslosen Anspruch durchzusetzen versuche.
II.
1)
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden, über die, nachdem die Beteiligten hinreichend Zeit zur Stellungnahme hatten, ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, weil kein Beteiligter eine solche beantragt hat und der Senat eine solche nicht für erforderlich erachtet, hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
a)
Die Dienstleistung "Verpflegung in Cafés" ist zu den Waren aus den Lebensmittelbereich, insbesondere Zucker, Backwaren, Speiseeis und Getränke durchschnittlich ähnlich.
b)
Die Widerspruchsmarke ist durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Anhaltspunkte für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind nicht ersichtlich.
c)
Trotz durchschnittlicher Kennzeichenkraft der Widerspruchsmarke und Dienstleistungs- und Warenähnlichkeit besteht keine Verwechslungsgefahr in unmittelbarer oder sonstiger Hinsicht, wobei durchschnittliche Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen sind, um eine Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinn auszuschließen.
aa)
Im Gesamteindruck verhindern die in der jüngeren Marke neben "Jo" enthaltenen Bestandteile unmittelbare Verwechslungen in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht.
bb)
Zwar ist das angegriffene Zeichen als Wort-Bild-Marke eingetragen; enthält eine solche Marke aber aussprechbare Zeichen, so kommt eine Verwechslungsgefahr wegen klanglicher Zeichenähnlichkeit in Betracht. Da "Jo" ein in Deutschland allgemein bekannter Vorname ist, bei dem eine englische Aussprache wie Dscho vorherrschend ist, ist aber die klangliche Verwechslungsgefahr hinsichtlich "Jo-Yo" deutlich verringert. Hinzu kommt die Genitivform "Jo's", die bei einer Etablissementbezeichnung, wie hier für ein Cafe, als Eigentümer- bzw. Betreiberangabe nicht vernachlässigt wird.
cc)
Eine begriffliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen ist nicht erkennbar, da es sich nur bei "Jo" um einen Vornamen handelt, bei dem Wortzeichen YO aber um einen Phantasiebegriff.
dd)
Allerdings kann eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr auch gegeben sein, wenn der Gesamteindruck einer mehrbestandteiligen Marke gerade durch den mit der Gegenmarke übereinstimmenden Bestandteil geprägt wird und die übrigen Bestandteile demgegenüber weitgehend in den Hintergrund treten sowie für den Gesamteindruck des Zeichens vernachlässigt werden können (BGH GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 – Mustang). Eine den Gesamteindruck prägende und damit kollisionsbegründende Stellung des Bestandteils "Jo" kann jedoch nicht bejaht werden. "Jo's" ist durch das Genitiv-s auf "Coffe & more" bezogen.
Die Widerspruchsmarke weist von Haus aus eine normale Kennzeichnungskraft auf. Daher kann dem Bestandteil "Jo" eine den Gesamteindruck der jüngeren Marke prägende Stellung auch nicht auf der Grundlage einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zuerkannt werden.
Zwar kann eine Verwechslungsgefahr auch dann anzunehmen sein, wenn die jüngere Marke neben anderen Elementen einen Bestandteil enthält, der in dem zusammengesetzten Zeichen, ohne den Gesamteindruck zu prägen, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 [Nr. 32 ff.] – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859, 861 [Nr. 21] – Malteserkreuz). Dazu müssten "Jo's" und "YO" aber identisch sein, was weder schriftbildlich noch klanglich der Fall ist. Der älteren Marke ist hier nicht lediglich der Handelsname oder eine bekannte Marke hinzugefügt worden.
ee)
Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.
Weder ist die Widersprechende bereits mit einer Serie von dem angegriffenen Zeichen entsprechenden Marken aufgetreten, noch ist "Jo" ein in beiden Marken enthaltenes übereinstimmendes Element, das als Stammbestanteil in Betracht käme.
2)
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs über einen Einzelfall entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr von mehrteiligen Marken erforderlich, weil hier die Unterschiede zwischen Jo's und YO dafür ausschlaggebend sind, eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
3)
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 2 MarkenG), da sich die Widersprechende darauf berufen konnte, dass YO wie Jo gesprochen werden kann, der Widerspruch bzw. die Beschwerde also nicht von vornherein aussichtslos erscheinen lassen musste.