Entscheidungsdatum: 13.04.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die eingetragene Marke Nr. 30 2011 000 002.6
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 13. April 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht sowie des Richters Hermann und des Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke 30 2011 000 002
ist aus der für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 16: Druckereierzeugnisse
Klasse 33: Obstwein, Fruchtwein, Honigwein
Klasse 35: Organisation und Durchführung von Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke
Klasse 37: Bauwesen; Reparaturwesen, nämlich Dachdeckerarbeiten, Klempnerarbeiten, Tischlerarbeiten, Zimmererarbeiten, Malerarbeiten, Maurerarbeiten, Schacht- oder Brunnenbohrungen, Straßenbelagsarbeiten; Installationsarbeiten
Klasse 41: Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten, insbesondere Veranstaltung und Durchführung von Volksfesten; Freizeitunterhaltung; Erziehung und Ausbildung, insbesondere der Betrieb einer Kindertagesstätte, einer Musikschule, eines Buchverleihs; Organisation und Durchführung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke
Klasse 42: Dienstleistungen eines Architekten; Bauberatung; Beratung in Rechtsangelegenheiten; Ingenieurarbeiten; Konstruktions- und technische Projektplanung; Stadtplanung; Umweltschutzberatung
Klasse 43: Betrieb von seniorengerechten Wohneinheiten und eines Begegnungs- und Beratungszentrums für ältere Menschen, soweit in Klasse 43 enthalten
Klasse 44: Beratung auf dem Gebiet der Gesundheitspflege und der Ernährung; medizinische Dienstleistungen; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Gesundheits- und Schönheitspflege; Altenpflege; Betrieb von Pflegeheimen, seniorengerechten Wohneinheiten und eines Begegnungs- und Beratungszentrums für kranke und ältere Menschen (soweit in Klasse 44 enthalten)
eingetragenen Wortmarke 305 47 697
Eden
Widerspruch erhoben worden gegen die Dienstleistungen
Klasse 35: Einzelhandels- und Marketingdienstleistungen, insbesondere in Bezug auf entsprechende: Druckereierzeugnisse und andere beschriebene oder/und graphisch oder/und plastisch gestaltete Produkte aus [16], insbes. Bücher;
Klasse 41: Betrieb eines akademisch orientierten Kultur- und Bildungszentrums als Wirkstätte für alle schöpferischen Bereiche, insbesondere für die Bereiche Kunst/Künste, Wissenschaft und Natur/Leben/Mensch (Lebenskunst/Sinn/Berufung), ferner Spiel/Spaß/Unterhaltung und Technik; entsprechende (im allgemeinen Sinne) kulturelle und bildende Aktivitäten für alle genannten Bereiche, insbesondere für das sie verbindende Schöpferische an sich in Theorie (Kreativitätstheorie, „Ideamatik") und Praxis, nämlich folgende Aktivitäten: Veranstaltung von Seminaren und Workshops (auch coaching-artig), Betrieb von Museen (bspw. mit Elementen eines Science-Centers oder solchen eines Kuriositätenkabinetts) nebst Führungen, Betrieb einer Galeril, Betreiben (bzw. in der Wirkstätte beherbergtes Betreiben-lassen) von kulturschaffenden Tätigkeiten (mindestens eines Künstlers oder/und Wissenschaftlers) wie theoretischer und praktischer wissenschaftlicher und künstlerischer Forschungs- und Entwicklungsarbeit als Voraussetzung für alles andere (soweit in [41] enthalten, insbesondere Verfassen von Texten nebst Visualisierungen), Durchführen (bzw. in der Wirkstätte beherbergtes Durchführen-lassen) von Verlagstätigkeiten (Dienstleistungen eines Verlags), nämlich die Dokumentation und Herausgabe/Publikation/Edition der theoretischen und praktischen Werke der Bereiche, insbesondere in vorzugsweise kombinierter Form von Texten, Bildern/Visualisierungen/Modellen/Modellierungen/Skulpturen/ (bis hin zu) anwendbarer Freier Kunst, (unter anderem z. B. als Bücher) gedruckt oder auch elektronisch oder im Internet, Veranstaltung von Kursen, Vorträgen, Präsentationen, Ausstellungen, Lesungen, Unterhaltungs-Darbietungen (auch außerhalb der Wirkstätte) für kulturelle oder/und Unterrichts- oder/und Unterhaltungszwecke; kulturelle Entwicklungs- und informative Vermittlungsarbeit für die Vision eines noch umfassenderen Bildungs- und Erlebnisparks mit idealistischem Anspruch, auch hierfür: Verfassen und Layouten von Texten und Bereitstellen als Publikation, auch in elektronischer Form, auch im Internet; weitere zielführende Aktivitäten der Wirkstätte bzw. der in ihr Wirkenden sind ferner Fotografieren, Komponieren von Musik sowie Durchführen von Spielen und Wettbewerben.
Die Markenstelle für Klasse 41 hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Mai 2014 den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar könnten sich die konkurrierenden Marken bei identischen und ohne Weiteres auch ähnlichen Waren/Dienstleistungen im Bereich der Klassen 16, 35 und 41 begegnen. Auch sei von einer noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, obwohl dem Begriff „Eden“ eine allgemeine werbemäßige Anpreisungseignung innewohne und dieser Begriff häufig in Drittmarken vorkomme. Nach dem maßgeblichen Gesamteindruck der Einwortmarke und der Kombinationsmarke könne nur dann eine Verwechslungsgefahr angenommen werden, wenn unter Berücksichtigung der konkreten Kollisionslage das übereinstimmende Element im jeweiligen Gesamteindruck dominiere oder im Gesamtgefüge der jüngeren Marke selbständig hervortrete. Das sei vorliegend zu verneinen. Die angegriffene Marke bestehe aus den Wortbestandteilen „Ideen eden!" in einer rechteckigen Umrahmung, wobei der an Streichhölzer erinnernde Buchstabe „I" in „Ideen" sowie ein Ausrufezeichen am Ende der zweiten Zeile als solche erkennbar seien. Für das angesprochenen Publikum ergäben die Wortbestandteile eine sinnfällige begriffliche Einheit mit der Bedeutung „Ideenparadies", also gleichsam ein Paradies für Ideen. Die Widerspruchsmarke bestehe allein aus dem Wort „Eden" mit der im Duden genannten Bedeutung.
Im Vergleich der Marken sei keine unmittelbare Verwechslungsgefahr gegeben, weil sich diese durch den zusätzlichen Bestandteil „Ideen" in der jüngeren Marke und deren Gestaltung in Klang, Schriftbild sowie bildhaftem Eindruck deutlich voneinander unterschieden.
Es bestehe für den Verbraucher auch keinerlei Veranlassung, die jüngere Marke auf „eden" zu verkürzen, weil „Ideen eden" als begriffliche Einheit aufzufassen sei.
Schließlich sei auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr im Sinne eines Stammbestandteils bzw. einer Serienmarke feststellbar. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Zeichenserie der Widersprechenden vorliege, in die sich die angegriffene Marke ohne Weiteres einfüge.
In ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde bezieht die Widersprechende sich im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren. „Eden“ sei ein alttestamentarischer Begriff, der heute vage wirke und einem Phantasiewort gleichkomme. Die Widersprechende beantragt
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 23. Mai 2014 aufzuheben und die Marke Nr. 30 2011 000 002 im angegriffenen Umfang zu löschen.
Der Markeninhaber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und weist auf seine Argumentation im amtlichen Verfahren hin. Ideen eden! sei ein origineller Gesamtbegriff.
II.
Nachdem die Beteiligten zuletzt davon abgesehen haben, eine mündliche Verhandlung zu beantragen und der Senat eine solche nicht für erforderlich erachtet, kann über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 MarkenG). Die Beteiligten hatten ausreichend Zeit, sich zur Sache und den Argumenten der Gegenseite zu äußern.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nicht festzustellen.
Dem Begriff der Verwechslungsgefahr liegt eine Wechselwirkung zwischen allen im Einzelfall erheblichen Faktoren zugrunde, insbesondere dem Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den Streitmarken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 2006, 859, 860 – Malteserkreuz).
Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen hier Fach- und Endverbraucher, die den anspruchsvoll beschriebenen Dienstleistungen der angegriffenen Marke mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnen dürften.
Der Kennzeichnungsgrad einer Marke richtet sich nach ihrer Eignung, in den beteiligten Verkehrskreisen als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens zu wirken. Danach ist mit der Markenstelle vertretbar, von noch durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.
Hinsichtlich der für die streitbefangenen Marken geschützten Dienstleistungen kann teilweise Identität bestehen.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit sind die einander gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu betrachten und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen (BGH GRUR 2012, 635 Rn. 23 – METRO/ROLLER's Metro).
Als Ganzes hält die angegriffene Marke den zur zuverlässigen Vermeidung von Zeichenverwechslungen erforderlichen Abstand auch unter Berücksichtigung identischer Dienstleistungen ein.
In klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht unterscheidet sich die jüngere Marke auffällig vom Widerspruchszeichen. Sie verfügt über eine zweigliedrige Wortstruktur, innerhalb derer die in der Wortlänge fast gleichwertige Komponente „Ideen“ aufgrund der Exponierung am Wortanfang und im Hinblick auf ihren geläufigen Sinngehalt klar hervortritt. Auch in begrifflicher Hinsicht ist keine unmittelbare Zeichenähnlichkeit gegeben.
Da im Zusammenhang der Zeichenähnlichkeit auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den ein Zeichen hervorruft, kann im Einzelfall einem Zeichenbestandteil eine besondere, den Gesamteindruck des gesamten Zeichens prägende Kennzeichnungskraft zukommen (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 60 Rn. 19 – coccodrillo). Weiter ist möglich, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (EuGH a. a. O., Rn. 30 – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2004, 865, 866 – Mustang). Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit einem Zeichen älteren Zeitrangs kann Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH a. a. O. Rn. 31 – THOMSON LIFE; BGHZ 167, 322 Rn. 18 – Malteserkreuz I).
Eine derartige Prägung des Zeichens oder eine selbständig kennzeichnende Stellung des Elements „Eden“ der angegriffenen Marke sind hier allerdings nicht festzustellen. Die angegriffene Marke wird nämlich als ein einheitliches Zeichen wahrgenommen, das sich einer zergliedernden Betrachtung entzieht.
Schon das in der jüngeren Marke enthaltene Rufzeichen ist Anzeichen für eine Zusammengehörigkeit als Gesamtzeichen. Da das Publikum ein als Marke verwendetes Zeichen so aufzunehmen pflegt, wie es ihm entgegentritt (BGH GRUR 2013, 833 Rn. 50 – Culinaria/Villa Culinaria), wird es eine äußerliche Bindung allenfalls bei klaren Anhaltspunkten auflösen.
Eine zusätzliche Verklammerung bewirkt der im Verhältnis der Elemente „Ideen“ und der Komponente „Eden“ bestehende begriffliche Zusammenhang, den bereits die Markenstelle zutreffend mit 'Ideen / Einfälle-Paradies' herausgearbeitet und betont hat.
Zuletzt verfügt die jüngere Marke über eine grafische Ausgestaltung, die eine Verwechselung ebenfalls verhindert.
Weiter ist keine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben. Diese Art der Verwechslungsgefahr, greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den das Publikum als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (vgl. BGH GRUR 2009, 484 Rn. 38 – METROBUS). Das Vorliegen einer Zeichenserie setzt die Benutzung mehrerer Marken nach einem gemeinsamen Bildungsprinzip und mit einem gemeinsamen Stammbestandteil voraus (vgl. EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 64 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]; BGH GRUR 2013, 1239 Rn. 40 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion). Selbst wenn zugunsten der Widersprechenden im Hinblick auf die im angefochtenen Beschluss dargestellten grafisch ausgestalteten Eden-Zeichen von einer benutzten Zeichenserie auszugehen wäre, fügt sich die jüngere Marke schon durch die Anordnung des Elements nicht in eine eventuell zum Ausdruck kommende Zeichenstruktur ein, da „Eden“ dort entweder mit grafischen Bestandteilen kombiniert ist, die im angegriffenen Zeichen keine Entsprechung finden, oder zum weiteren Text „Gärtner von“ im rechten Winkel angeordnet ist. Der Zusatz „100 Jahre“ zeigt keine Markenserie.
Auch Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn ist nicht festzustellen. Diese kann unter dem Aspekt des gedanklichen Inverbindungbringens gegeben sein, wenn das Publikum zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Zeicheninhabern ausgeht. Auch in diesem Zusammenhang kann die Bekanntheit der Widerspruchsmarke die Wahrnehmung entscheidungserheblich beeinflussen (vgl. BGH a. a. O. Rn. 47 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion).
Eine solche Verwechslungsgefahr kann jedoch nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden (BGH GRUR 2004, 779, 783 - Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2008, 903 Rn. 31 - SIERRA ANTIGUO). Zumal es allgemein wenig üblich ist, durch ähnlich gebildete Marken auf wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen zwei Unternehmen hinzuweisen, müssten beide Zeichen erkennbar aufeinander abgestimmt sein (vgl. BGH GRUR 1978, 170, 171 f. – FAN). Dass ein Zeichen geeignet ist, bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen hervorzurufen, reicht hierzu nicht (vgl. BGH GRUR 2010, 729 Rn. 43 – MIXI). Da das Publikum die Streitzeichen auseinanderzuhalten vermag, könnte eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn sich erst aufgrund weiterer besonderer Umstände ergeben, die die Annahme von wirtschaftlichen oder organisatorischen Beziehungen nahelegen. Derartige besondere Umstände sind hier weder dargelegt noch erkennbar, wie bereits bei der Verneinung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr dargelegt wurde.
Zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.