Entscheidungsdatum: 17.08.2016
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung Nr. 30 2013 053 559.6
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2016 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Hermann und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth
beschlossen:
Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 14, vom 4. Juli 2014 wird aufgehoben.
I.
Die Wortmarke Nr. 30 2013 053 559.6
deinestrecke
ist am 4. Oktober 2013 für Waren
Klasse 14: Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte Waren oder damit plattierte Waren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Abzeichen aus Edelmetall; Amulette (Schmuckwaren); Anstecknadeln (Schmuckwaren); Armbänder (Schmuck); Broschen (Schmuck); Halsketten (Schmuck); Medaillen; Ohrringe; Ringe (Schmuck); Schlüsselanhänger (Fantasie-; Schmuckwaren)
Klasse 16: Papier; Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Abziehbilder; Aufkleber, Stickers (Papeteriewaren); Behälter, Kästen für Papier- und Schreibwaren; Bierdeckel; Bilder; Bleistifte; Blöcke (Papier- und Schreibwaren); Briefpapier; Bücher; Etiketten (nicht aus Textilstoffen); Fahnen, Wimpel (aus Papier); Farbdrucke; Flyer; Fotografien (Abzüge); grafische Darstellungen; grafische Reproduktionen; Gravierungen; Hüllen (Papier- und Schreibwaren); Karteikarten (Papier- und Schreibwaren); Karten; Klebebänder für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke: Notizbücher; Papierbänder (Papierstreifen); Papierblätter (Papeteriewaren); Papiertüten; Plakate; Platzdecken (Sets) aus Papier; Postkarten; Schablonen (Papier- und Schreibwaren); Schachteln aus Pappe oder aus Papier; Schreibunterlagen; Selbstklebebänder für Papier- und Schreibwaren; Stempel; Stickmuster; Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus Papier oder Kunststoff; Verpackungsmaterial aus Karton; Verpackungspapier; Buchbinderartikel; Selbstklebebänder für Haushaltszwecke;
Klasse 18: Leder- und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Reise- und Handkoffer; Regenschirme und Sonnenschirme; Spazierstöcke; Ledergurte; Reisetaschen; Rucksäcke; Sporttaschen; Taschen
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Sportbekleidung; Radfahrerbekleidung; Trikotbekleidung
Klasse 28: Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind
zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister angemeldet worden.
Das Deutschen Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 14, hat die Anmeldung nach Beanstandung durch Beschluss vom 4. Juli 2014, zugestellt am 14. Juli 2014, teilweise, nämlich außer für die Waren der Klasse 16: Buchbinderartikel; Selbstklebebänder für Haushaltszwecke, zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der angemeldeten Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG. Die Wortbildung „deinestrecke“ habe einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren beschreibenden Begriffsinhalt. Der in werbeüblicher Weise in Zusammen- und durchgehender Kleinschreibung gebildete Begriff vermittele im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich den Hinweis darauf, dass diese Produkte insbesondere eine Strecke (Lauf-, Fahr-, Rennstrecke und/oder einen sonstig zurückgelegten Weg), die einen Bezug zum Verbraucher aufweist, darstelle/thematisiere beziehungsweise in sonstiger Weise zum Thema habe. Die beanspruchten Waren seien entweder zur – individualisierten – Darstellung einer Teilnahme an einer Laufveranstaltung geeignet (hier insbesondere die von der Anmelderin bereits angebotenen Schmuckwaren) und/oder würden üblicherweise im Zusammenhang mit Sportereignissen als zum Beispiel Merchandisingartikel angefertigt und in den Verkehr gebracht. Das Wort „Strecke“ impliziere dabei vorliegend insbesondere solche Sportveranstaltungen, die die Bewältigung von „Strecken“ beträfen, also z. B. Städtemarathonläufe. Damit stelle die Anmeldemarke im Hinblick auf die aufgeführten Waren lediglich einen unspezifischen Hinweis auf ein Ereignis/Event in Form einer (Lauf)Streckenteilnahme oder sonstigen Beteiligungen des angesprochenen Verbrauchers daran dar („deine“), die nicht als geeignet angesehen werden könne, diese Waren als aus einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen.
Hiergegen richtet sich die am 14. August 2014 erhobene Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie vor, die angemeldete Marke entbehre eines unmittelbar und ohne Unklarheit erkennbaren Hinweises auf die angemeldeten Waren. Die beiden Wortbestandteile „deine“ und „Strecke“ seien dem angesprochenen Verkehr zwar als Wörter der deutschen Sprache bekannt, dieser würde aber in Bezug auf die beanspruchten Waren keinen sich aufdrängenden, beschreibenden Begriffsgehalt erkennen. Auch sei nicht ersichtlich, dass „deinestrecke“ als die Waren unmittelbar beschreibende Angabe eingesetzt werde.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2016 hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 20. Juli 2016 ihre Beschwerde bezüglich der Waren
Klasse 14: Medaillen;
Klasse 16: Fahnen, Wimpel (aus Papier); Plakate;
Klasse 18: Reise- und Handkoffer; Spazierstöcke; Reisetaschen; Rucksäcke; Sporttaschen; Taschen;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Sportbekleidung; Radfahrerbekleidung; Trikotbekleidung;
Klasse 28: Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind
zurückgenommen und beantragt noch,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 14, vom 4. Juli 2014 aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nach der teilweisen Rücknahme der Beschwerde begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke stehen für die Waren, die noch Gegenstand des Eintragungsbegehrens sind, die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG nicht entgegen. Der angemeldeten Marke fehlt insoweit nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch kann sie der Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel auf-gefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; EuGH GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; BGH GRUR 2013, 731, Nr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Nr. 7 -Starsat; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Nr. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611, Nr. 66 - EUROHYPO). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Nr. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 - FUSSBALL WM 2006). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rdn. 134).
Dabei sind an die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914, Nr. 25 - WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH).
Es ist daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihm abweichen (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 38 - Vorsprung durch Technik; GRUR 2004, 1027, Nr. 35 und Nr. 36 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (EuGH GRUR 2010, 228, Nr. 39 - Vorsprung durch Technik).
Keine Unterscheidungskraft liegt vor, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) diesem (dem Zeichen) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn das Zeichen aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache besteht, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
Die angemeldete Marke stellt für die noch beanspruchten Waren keine unmittelbar beschreibende Angabe dar. Der durch die Markenstelle im Kern zutreffend ermittelte Gehalt des angemeldeten Gesamtbegriffs in der Bedeutung von für Lauf- / Wanderveranstaltungen dienlichen Produkten wird durch das angesprochene Publikum insoweit nicht als bloße Umschreibung produktbezogener Merkmale verstanden. Während z. B. für Medaillen, Trikotwaren, Fahnen und Wegbegleiter wie Spazierstöcke und Reisekoffer eine vordergründig sich aufdrängende Bestimmungsangabe dem Zeichen zu entnehmen war, gilt das für die nunmehr noch beanspruchten Waren nicht.