Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 31.07.2012


BPatG 31.07.2012 - 27 W (pat) 527/11

Markenbeschwerdeverfahren – "Vetexpo" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
31.07.2012
Aktenzeichen:
27 W (pat) 527/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 012 633.7

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Werner

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Februar 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die am 2. März 2010 für die Dienstleistungen

2

„Organisation von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Veranstaltung von Ausstellungen und Messen zu gewerblichen oder zu Werbezwecken; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Marketing (Absatzforschung); Marktforschung; Öffentlichkeitsarbeit; Herausgabe von Werbetexten; Verkaufsförderung für andere; Vorführung von Waren für Werbezwecke; Merchandising (Verkaufsförderung); Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Vermietung von transportablen Bauten, nämlich Messestände; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke, von sportlichen Wettkämpfen und von Konzerten; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen und Symposien; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Workshops (Ausbildung); Durchführung von Life-Veranstaltungen; Eintrittskartenvorverkauf (Unterhaltung); Platzreservierungen für Unterhaltungsveranstaltungen; Vermietung von Büchern, Audiogeräten, Bühnendekoration, Camcordern, Fernseh- und Rundfunkgeräten, Filmgeräten, Filmzubehör, Tonaufnahmen, Beleuchtungsgeräten für Bühnenausstattung und Fernsehstudios; Veröffentlichung von Büchern; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Vermietung von Versammlungsräumen“

3

angemeldete Wortmarke

4

Vetexpo

5

ist von der mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzten Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 14. Februar 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist ausgeführt, das angemeldete Zeichen setze sich klar erkennbar aus „Vet“ als gängiger Abkürzung für „veterinary“ bzw. „veterinär“ und damit als Hinweis auf „Tierarzt/tierärztlich“ und dem Kurzwort „Expo“ für „Exposition“, was eine „Ausstellung, Schau“ bezeichne, zusammen. In der Gesamtheit erschöpfe sich das angemeldete Zeichen in einer Veranstaltungsbezeichnung „Expo“ und einer Themaangabe „Vet“ und werde damit von dem angesprochenen inländischen Publikum ohne weiteres als Sachhinweis auf irgendeine Ausstellung, Schau oder Messe für den veterinärmedizinischen Bereich verstanden. Wie eine aktuell durchgeführte Internetrecherche ergeben habe, sei es im deutschen Sprachgebrauch nicht mehr ungewöhnlich, Messen und Ausstellungen als „Expo" zu bezeichnen und mit einer erläuternden Angabe zu versehen. Die Markenstelle verweist hierzu auf drei dem Beschluss beigefügte Internetausdrucke, die eine Verwendung von „Tuning Expo Die Tuningmesse im 3-Ländereck“, „eLearning-expo“, „Tattoo Expo Leipzig“ belegen. Die Gesamtbezeichnung sei sprachüblich gebildet, zudem sei anhand der Verwendungsbeispiele auch davon auszugehen, dass das hier angesprochene Publikum die angemeldete Bezeichnung „Vetexpo“ ohne weiteres in ihrem Sinngehalt verstehen werde.

6

Dieser Aussagegehalt ändere sich auch nicht in Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen. Insoweit weise die Wortfolge „Vetexpo“ als bloße Sachinformation auf die Dienstleistungen selbst bzw. darauf hin, in welchem Rahmen und auf welchem Gebiet die Dienstleistungen erbracht werden sollen.

7

Die bloße Kombination der Bestandteile „Vet“ und „expo“ führe nicht zur Eintragungsfähigkeit. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der von der Wortkombination erweckte Eindruck in seiner Gesamtheit über die Summe dieser Bestandteile hinausginge. Die durch Aneinanderreihung der beiden Wörter „Vet“ und „expo“ in sprachüblicher Weise gebildete Wortkombination weise keine ungewöhnliche Struktur auf, sondern treffe in schlagwortartiger und werbeüblicher Form eine sofort erfassbare Aussage über Art, Bestimmung, Gegenstand und Erbringungsort der beanspruchten Dienstleistungen, ohne dass durch die Zusammenführung der Wörter der sachbezogene Charakter der Wortkombination verloren gehe.

8

Die hier angenommene dienstleistungsbeschreibende Bedeutung gehe nicht auf eine unzulässige zergliedernde Betrachtung des Anmeldezeichens zurück, sondern beruhe darauf, dass der beanspruchten Wortkombination in ihrer Gesamtheit die Bedeutung einer dienstleistungsbeschreibenden Sachaussage zukomme.

9

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

10

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Februar 2011 aufzuheben.

11

Sie hält das angemeldete Zeichen unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Bei der Bezeichnung „Vetexpo“ handle es sich nicht um einen Sach- oder Fachbegriff, sondern um eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortbildung, die auch keine sonstige tatsächlich beschreibende Verwendung finde und die vom angesprochenen Publikum nur als Phantasiebegriff wahrgenommen werde. Daher sei die Annahme der Markenstelle falsch, dass die angesprochenen Verkehrskreise, d. h. die Aussteller und Besucher von Messen, Ausstellungen, Kongressen, Kultur- und Sportveranstaltungen, Anlass hätten, den Begriff „Vetexpo“ in die Bestandteile „Vet“ und „expo“ zu zergliedern.

12

Die von der Markenstelle angestellten Überlegungen beruhten auf einer analytischen und zergliedernden Betrachtung, die das Publikum üblicherweise nicht anstelle. Ohnehin handle es sich bei beiden Bestandteilen aber nicht um Angaben, denen das Publikum unmittelbar beschreibende Aussagen über den Gegenstand von Messen, Ausstellungen oder Schauen mit veterinärmedizinischem Bezug entnehme.

13

Der Begriff „Expo“ werde in Deutschland weder als allgemeiner Ausdruck für „Messe“ oder „Ausstellung“ verwendet, wie der 33. Senat in seiner Entscheidung „METRO EXPO“ (33 W (pat) 81/05 vom 3. Juli 2007) ausgeführt habe.

14

Die Begriffsbildung „Vetexpo“ habe weder in der deutschen noch in der englischen Sprache eine bestimmte konkrete Bedeutung und werde nicht als eindeutige Bezeichnung für eine bestimmte Dienstleistung verwendet.

15

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.

16

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Einer Registrierung des angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen.

17

Der angemeldeten Marke fehlt für die zurückgewiesenen Dienstleistungen nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

18

Kann einem Wortzeichen für die fraglichen Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugerechnet werden und handelt es sich nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2009, 778, Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640, Rn. 13 - hey!).

19

Dieser Beurteilungsmaßstab gilt auch für Wortkombinationen, an deren Unterscheidungskraft grundsätzlich keine strengeren Anforderungen als an andere Wortmarken zu stellen sind (EuGH GRUR 2004, 1027, Rn. 32 und 44 - Das Prinzip der Bequemlichkeit; GRUR 2010, 228, Rn. 36 - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft).

20

„Vetexpo“ weist entgegen der Annahme der Markenstelle für die in Rede stehenden Dienstleistungen keine für das inländische Publikum auf der Hand liegende Beschreibung des Inhalts dieser Dienstleistungen auf. Die Markenstelle ist zu dem gegenteiligen Schluss nur dadurch gelangt, dass sie einen denkbaren beschreibenden Gehalt in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt hat. Eine derartige analysierende Betrachtungsweise im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist jedoch unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung des Inhalts von Dienstleistungen ergibt (vgl. BGH GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

21

Maßgeblich für das Verständnis ist vielmehr die mutmaßliche Wahrnehmung durch einen durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher und/oder des Handels (EuGH GRUR 2006, 411 - Matratzen Concord/Hukla).

22

Der Senat hat bereits Zweifel, ob der hier angesprochene Durchschnittsverbraucher erkennt, dass sich „Vetexpo“ aus „Vet“ als Abkürzung für „veterinary“ bzw. „veterinär“ und „expo“ als Abkürzung für „Exposition“ im Sinne von „Ausstellung, Schau, Messe“ zusammensetzt. Durch die Schreibweise in einem Wort ist eine geschlossene  Aussprache zu erwarten, was dazu führt, dass der Verbraucher die angemeldete Bezeichnung als Phantasiebegriff ansehen wird.

23

Eine im Vordergrund des Verständnisses stehende beschreibende Bedeutung der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen käme hier nur dann in Betracht, wenn der Verbraucher ohne weiteres erkennen würde, dass sich die Bezeichnung aus „Vet“ (als Abkürzung für veterinär) und „expo“ (als Synonym von Messe, Ausstellung) zusammensetzt. Nur wenn dies der Fall wäre, würde sich der von der Markenstelle aufgezeigte Sinn ergeben.

24

Ebenso wie die Anmelderin hält der Senat die von der Markenstelle vorgenommene Betrachtung eher für konstruiert. Der von der Markenstelle aufgezeigte Sinngehalt beruht auf einer zergliedernden analysierenden Betrachtungsweise, die der Verbraucher üblicherweise nicht vornimmt. Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt der Marke muss so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 105). Dies ist bei der hier zu beurteilenden Bezeichnung aufgrund der Schreibweise in einem Wort eher nicht der Fall.

25

Gegen den von der Markenstelle aufgezeigten Sinngehalt spricht auch, dass die Markenstelle keine Belege für eine beschreibende Verwendung der angemeldeten Bezeichnung „Vetexpo“ im Inland in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen ermittelt hat. Dies konnte auch vom Senat in der beanspruchten Schreibweise nur in Bezug auf eine Ausstellung in Moskau festgestellt werden.

26

Das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft kann der angemeldeten Bezeichnung daher nicht abgesprochen werden.

27

Einer Registrierung steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, da „Vetexpo“ aus den genannten Gründen keine unmittelbar beschreibende Bedeutung hat.

28

Damit kann der Anmeldemarke ein äußerst geringer Schutz letztlich nicht abgesprochen werden. Dem stehen auch Belange der Allgemeinheit (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, Rn. 51 - Libertel) nicht entgegen, weil der Schutz der Anmeldemarke auf die ganz konkrete Schreibweise beschränkt ist, also insbesondere nicht gegenüber Kennzeichnungen oder sonstigen Angaben besteht, welche zwar ebenfalls die beiden Wortteile „Vet“ und „expo“ allein oder gemeinsam enthalten, aber nicht die besondere Schreibweise der angemeldeten Marke in einem Wort aufgreifen, so dass bereits eine leicht veränderte Gestaltungsform der beiden Wortteile (z. B. eine Schreibweise in zwei Wörtern als Vet Expo) der Allgemeinheit weiterhin offen steht.