Entscheidungsdatum: 16.05.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2011 034 260
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Mai 2013 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Kopacek
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle wird insoweit aufgehoben, als die Anmeldung zurückgewiesen wurde.
I.
Die Markenstelle hat mit dem angegriffenen Beschluss die Anmeldung des Zeichens
Gondwana-Praehistorium
teilweise zurückgewiesen, nämlich für
41: Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Planung, Organisation, Veranstaltung, Produktion und Durchführung von kulturellen und wissenschaftlichen, insbesondere geistes- und naturwissenschaftlichen Veranstaltungen, insbesondere von Vorträgen, Diskussionen, Seminaren, Konferenzen, Kongressen, Symposien, Seminaren, Workshops (Ausbildung), Kolloquien, Tagungen, Fachtagungen, (Fach-)Ausstellungen zu kulturellen, bildenden, unterhaltenden und/oder zu Unterrichtszwecken, (Live)Unterhaltungsveranstaltungen und (Unterhaltungs-)Shows, insbesondere in den Bereichen Kultur, (Unterhaltungs-)Show, Animation, Comedy, Kabarett, Varietee, Zirkus, Magie, Zauberei, Theater, Partys, Festen, Bällen, Konzerten, kulturellen, musikalischen und künstlerischen Veranstaltungen und Darbietungen (soweit in Klasse 41 enthalten); Betrieb eines Freizeit-, Vergnügungs-, Themen-, Erlebnis-, Kultur- und Wissenschaftsparks (soweit in Klasse 41 enthalten); Betrieb eines Museums (Darbietung, Ausstellungen); Filmproduktion, insbesondere Video- und Kinofilmproduktion; Fernsehunterhaltung; Rundfunkunterhaltung; Auskünfte (Informationen) über vorgenannte Veranstaltungen; Platzreservierungen für vorgenannte Veranstaltungen; Eintrittskartenvorverkauf für vorgenannte Veranstaltungen; Dienstleistungen eines Gästeführers, nämlich Information über Veranstaltungen (Unterhaltung); Dienstleistungen eines Verlages (ausgenommen Druckarbeiten); Herausgabe und Publikation von Texten (ausgenommen Werbetexte), Verlags- und Druckereierzeugnissen (außer für Werbezwecke), insbesondere (Fach-)Büchern, Magazinen, (Fach-)Zeitschriften, Zeitungen, Noten und Notationen (Druckereierzeugnisse), Fotos (Druckereierzeugnisse), Fotoalben (Druckereierzeugnisse), Fotobücher (Druckereierzeugnisse), Fotografien (Druckereierzeugnisse), Fotogravuren (Druckereierzeugnisse), Lehr- und Unterrichtsmitteln (Druckereierzeugnisse), auch in elektronischer Form und im Internet; Aus-, Weiter- und Fortbildung, insbesondere im wissenschaftlichen, kulturellen, künstlerischen und musikalischen Bereich; Desktop-Publishing (Erstellen von Publikationen mit dem Computer)
42: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; wissenschaftliche Forschungen, insbesondere in den Bereichen Naturwissenschaft, insbesondere Biologie, Physik, Chemie, Geologie, Geschichte, Erdentwicklung, stammesgeschichtliche Entwicklung der Pflanzen und Lebewesen von niederen zu höheren Formen (Evolution), Geistes- und Humanwissenschaft; Erstellen von Computeranimationen.
Es handle sich um eine Bezeichnung, der für die beanstandeten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Das Zeichen bestehe aus den Begriffen „Gondwana“ (ehemaliger Großkontinent auf der Südhalbkugel) und „Praehistorium“ (urgeschichtlicher Abschnitt).
Zwar sei die Zusammensetzung „Gondwana-Praehistorium“ lexikalisch nicht nachweisbar. Auch neu gebildete Wörter könnten jedoch einen beschreibenden Charakter haben und deshalb von der Eintragung ausgeschlossen sein. Aus einzelnen Ausdrücken zusammengesetzte neue Wörter würden ständig im Sprachgebrauch entwickelt. Das Publikum sei daher daran gewöhnt, mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden. Es erkenne dann auch bisher noch nicht verwendete Sachaussagen als solche.
Auch wenn der Begriff „Praehistorium" überwiegend nicht bekannt sein dürfte, werde die Bezeichnung in Sinne eines urgeschichtlichen Abschnitts verstanden, da die entsprechend gebildeten Sachbegriffe: „Präkambrium“ (Erdfrühzeit), „Chalkolithikum“ (Kupfersteinzeit), „Paläolithikum“ (Altsteinzeit) etc. den daran Interessierten geläufig seien. Sie seien auch an Wortbildungen mit der Endung „-rium" gewöhnt, denn es gebe z.B. Begriffe wie „Herbarium“ etc.
Es gebe zahlreiche Verwendungsnachweise für den angemeldeten Begriff. Diese mögen überwiegend auf den Anmelder zurückgehen; auch die Verwendung durch ihn verändere den beschreibenden Charakter aber nicht.
Somit werde ein erheblicher Teil des angesprochenen Publikums „Gondwana-Praehistorium" lediglich als Hinweis auf Inhalt und Thematik verstehen.
Während sich die Frage der Unterscheidungskraft allein nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise bemesse, sei für das Freihaltebedürfnis an einer rein beschreibenden Angabe das berechtigte Interesse der Mitbewerber maßgeblich. Da das Zeichen aber bereits aufgrund fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung in das Register auszuschließen sei, könne diese Frage dahingestellt bleiben.
Der Verweis des Anmelders auf bereits eingetragene ähnliche Marken sei nicht geeignet, ein Recht auf Registrierung unter Gesichtspunkten wie Gleichbehandlung, Vertrauensschutz oder Selbstbindung der Verwaltung zu schaffen.
Der Anmelder hat gegen die Zurückweisung Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, der Anmeldemarke fehle für die beanstandeten Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft.
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG seien von der Eintragung nämlich nur solche Marken ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Zutreffend habe das DPMA erkannt, dass dem Publikum der Begriff „Praehistorium" überwiegend nicht bekannt sein dürfte. Nicht überzeugend sei dementsprechend die Auffassung, die Bezeichnung werde gleichwohl als urgeschichtlicher Abschnitt verstanden. Es verkenne dabei, dass nicht Fachkreise angesprochen seien, sondern das allgemeine Publikum, da um Schutz z.B. für „Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten" usw. nachgesucht werde. Selbst wenn es sich bei diesem allgemeinen Publikum um interessierte Kreise handeln sollte, könne kein wissenschaftliches Vorverständnis vorausgesetzt werden.
Der inhaltliche Gedanke des Bestandteils „Praehistorium" lasse sich nicht leicht erschließen. Der Fall liege insofern anders als die vom Amt in Bezug genommene Entscheidung zu „Chocolateria", das dem angesprochenen Verbraucher sofort seinen Sinn vermittle.
Dem angesprochenen allgemeinen Publikum sei auch der Begriff „Gondwana" nicht bekannt. Es fasse dieses Wort vielmehr als Phantasiebezeichnung auf.
An der Bezeichnung „Gondwana-Praehistorium" bestehe zudem kein Freihaltebedürfnis i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden sei.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer.
Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Dienstleistungen abzustellen ist. Ausgehend hiervon besitzen Marken keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.
Letzteres trifft vorliegend für das angemeldete Zeichen nicht zu. „Gondwana“ ist zwar ein Fachbegriff für einen urzeitlichen Kontinent. Es bildet aber in Kombination mit „Praehistorium“ keinen Begriff für ein Zeitalter, wie etwa die Steinzeit. Er könnte zwar thematisch auf das Gebiet hinweisen, mit dem sich eine bestimmte Einrichtung, wie ein „Museum“, befasst. „Praehistorium“ ist aber kein Synonym für Museum, Erlebnispark o.ä., sondern eine sprechende Wortneubildung für Angebote, die sich auf sehr alte, eben praehistorische, Dinge beziehen.
Die daran interessierten Verbraucher nehmen solche Ausdrücke durchaus als Unterscheidungsmittel hinsichtlich des Anbieters auf. Nur wenn sie sich zu Gattungsbegriffen entwickelt haben, wie etwa „Delphinarium“, ist dies anders zu beurteilen. Eine solche Entwicklung hat aber weder die Markenstelle belegen noch der Senat ermitteln können.
Einer Registrierung der als Marke angemeldeten Wortfolge steht damit für die noch strittigen Dienstleistungen auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.