Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 29.01.2013


BPatG 29.01.2013 - 27 W (pat) 526/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Zeitkino" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
29.01.2013
Aktenzeichen:
27 W (pat) 526/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 022 766.7

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Kopacek

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle vom 13. Februar 2012 wird insoweit aufgehoben, als die Anmeldung zurückgewiesen wurde.

Gründe

I.

1

Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung der Wortmarke

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Zeitkino

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mit Beschluss vom 13. Februar 2012 teilweise für die Dienstleistungen

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Klasse 35: Werbung; Marketing; Verkaufsförderung (Sales promotion) für Dritte; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Waren und Dienstleistungen für Dritte; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke; Vermietung von Werbeflächen; Verteilung von Werbematerial in Form von Flugblättern, Prospekten, Drucksachen, Warenproben; Einzelhandelsdienstleistungen, auch über das Internet, im Bereich Ton- und Datenträger, Druckerzeugnisse, Dekorationswaren, Bekleidungsartikel, Haushaltswaren, Getränke, Tabak und sonstigen Genussmitteln;

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Klasse 38: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken; elektronische Übermittlung von Daten im Internet und in anderen audiovisuellen Medien; Telekommunikationsdienstleistungen betreffend DVD, Video-on-Demand (VoD), interaktives Fernsehen, Pay-TV, Ausstrahlung von Kabelfernsehsendungen, Satellitenübertragung, DSL, digitale Übertragung; Ausstrahlung von Teleshopping-Sendungen; Bereitstellung des Zugriffs auf elektronische Programmführer in Datennetzen;

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Klasse 41: Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Filmvorführungen, auch in gastronomischen Einrichtungen; Verleih und Vermietung von Kinofilmen; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Fernsehunterhaltung; Planung, Gestaltung, Produktion, Vorführung und Vermietung von Filmen, Ton- und Bildträgern, Video- und Tonaufnahmen sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen einschließlich Filmvorführungen in Kinos, Autokinos und Open-Air-Kinos, Bars, Hotels, Gaststätten, Veranstaltungsräumen und Diskotheken;

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Klasse 43: Verpflegung von Gästen in gastronomischen Einrichtungen; Beherbergung von Gästen; Betrieb einer gastronomischen Einrichtung

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wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Publikum werde unter der Bezeichnung „Zeitkino“ ein Kinoformat verstehen, in welchem ununterbrochen Kurzfilme gezeigt würden. Die Markenstelle verweist hierzu auf mehrere bereits dem vorangegangenen Beanstandungsbescheid beigefügte Internetausdrucke. So habe es beispielsweise im Neustädter Bahnhof in der Zeit von 1953 bis 1968 ein solches Zeitkino gegeben, wie sich aus der Anl. A1 ergebe. Im Berliner Ostbahnhof werde das DEFA-Zeitkino betrieben, wie der Anl. A2 zu entnehmen sei. Die Schaubühne Lindenfels greife das Format „Zeitkino“ auf, wie sich aus der Anl. A3 ergebe. In den 1960er Jahren sei das Filmtheater am Hauptbahnhof in Dresden als Zeitkino geführt worden, wie der Anl. A4 zu entnehmen sei. Die Bernburger „Linden-Lichtspiele“ seien ausweislich der Anl. A5 1953 als erstes Zeitkino umprogrammiert worden. Aus zwei weiteren Belegen (den Anl. A6 und A7) ergebe sich, dass auch aktuell derartige Zeitkinos, in denen Kurzfilme als Schleife gezeigt würden, existierten.

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Diese vorgenannten Belege zeigten deutlich, dass es sich gerade nicht um einen abstrakten Begriff handle, der aus den Wörtern „Zeit“ und „Kino“ gebildet sei. Die Bezeichnung „Zeitkino“ habe bereits in dieser Zusammensetzung einen klaren Begriffsinhalt.

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Das Publikum erwarte unter dem Begriff „Zeitkino“, dass kulturelle Veranstaltungen durchgeführt würden, bei denen Kurzfilme ununterbrochen gezeigt würden. Es sei ebenso vorstellbar, dass Kurzfilme in gastronomischen Einrichtungen fortwährend abgespielt würden. So kenne man bereits Fast-Food-Restaurants, in denen der Kunde während der Aufnahme seiner Speisen gleichzeitig Fernsehsendungen und -beiträge anschauen könne. Denkbar sei ebenso, dass derartige Filme verliehen und vermietet oder in Live-Veranstaltungen zur Schau gestellt würden. Der beschreibende Begriffsinhalt beschreibe selbstverständlich auch die beanspruchten Gestaltungs-, Planungs- und Produktionsdienstleistungen, die sich ebenfalls auf solche Filme beziehen könnten, die im speziellen Kinoformat eines Zeitkinos hergestellt würden.

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Die im Verzeichnis enthaltenen Werbedienstleistungen könnten ebenso einen Bezug zum „Zeitkino“ aufweisen. So könne nicht nur ein solches selbst Gegenstand der Werbung sein, sondern auch Kinowerbung im Format eines Zeitkinos produziert und ausgestrahlt werden. Im Rahmen von ununterbrochen gezeigten Werbekurzfilmen könnten Firmen präsentiert werden. Dazu könnten Werbeflächen vermietet, Druckereierzeugnissee produziert und Werbemittel unterschiedlichster Art verteilt werden. Neben dieser Sachangabe werde der Verkehr den im Markenrecht geforderten Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen nicht erkennen.

12

In Kinos gehöre es zur gängigen Praxis, dass der Besucher dort Snacks und Getränke kaufen könne bzw. mit diesen verpflegt werde. Folglich fehle dem Zeichen auch für die Dienstleistungen der Klasse 43 und die entsprechenden Einzelhandelsdienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft.

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Obendrein mute es nicht ungewöhnlich an, dass Bekleidungsstücke wie beispielsweise T-Shirts oder Basecaps der Filmhelden, Haushaltsgegenstände, wie Tassen und Untersetzer mit Motiven der Stars oder auch Ton- und Datenträger, wie DVD’s, Videos und CD’s mit Filmen/Filmmusiken in Zeitkinos zum Kauf angeboten werden. Auch für diesen Bereich stelle das Zeichen keinen Herkunftshinweis dar.

14

Die Unterscheidungskraft fehle dem angemeldeten Zeichen auch für die Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38. So sei es vorstellbar, dass Kurzfilme im Format eines Zeitkinos im Internet bereitgestellt bzw. als Zugriff auf derartige Datenbanken zur Verfügung gestellt werden könnten. Es mute auch nicht ungewöhnlich an, dass Werbekurzfilme, die auch Teleshoppingsendungen sein könnten, ununterbrochen ausgestrahlt würden.

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Auf die Eintragung von ihrer Ansicht nach vergleichbaren Drittmarken könne sich die Anmelderin nicht berufen.

16

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie (sinngemäß) beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Februar 2012 insoweit aufzuheben, als dem angemeldeten Zeichen darin der Schutz verwehrt wurde.

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Sie hält die Marke für unterscheidungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig. Dabei bestreitet sie nicht, dass es in der Vergangenheit eine Einrichtung mit dem Namen „Zeitkino“ gegeben habe. Dies sei nach ihrer Ansicht jedoch unerheblich. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Publikum unter „Zeitkino“ ein Kinoformat verstehe, „in welchem ununterbrochen Kurzfilme gezeigt werden“. Dafür fehle jeglicher Beweis. Die Belege, die die Markenstelle anführe, belegten lediglich, dass es in der Vergangenheit Kinovorführungen unter dem Namen „Zeitkino“ gegeben habe, in denen Kurzfilme abgespielt worden seien. Dies sei jedoch irrelevant, da es das Neuheitserfordernis im Markenrecht nicht gebe. Zusätzlich beziehe sich die Mehrheit der aufgeführten Belege auf die 50er- und 60er-Jahre sowie auf ein regional eng gestrecktes Gebiet, welches nicht ausreichend sei, das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise hinreichend zu prägen.

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Dass das Publikum aktuell mit der Kennzeichnung „Zeitkino“ die von der Markenstelle angenommene Bedeutung verbinde, gehe auch nicht aus den von der Markenstelle ermittelten aktuellen Belegen Anl. A3 und A7 hervor. Beide Belege erwähnten nicht nur den Begriff „Zeitkino“, sondern erklärten gleichzeitig, was sie darunter verstünden. Beispielsweise heiße es in der Anl. A3: „Ein-, Aus- und Wiedereinstieg sind jederzeit möglich, an einem Tag oder bei gleichem Programm auch an verschiedenen“. In der Anl. A7 heiße es: „Die Kurzfilme zeigen wir als Zeitkino in Schleife bei laufendem Einlass“. Allein die Tatsache, dass in beiden Belegen erklärt werden müsse, was in diesen Fällen unter Zeitkino zu verstehen sei, sei bereits ein Hinweis darauf, dass der Verkehr den Begriff „Zeitkino“ nicht ohne weiteres verstehe. Genau dies sei jedoch Voraussetzung für mangelnde Unterscheidungskraft.

20

Die Kombination beider Bestandteile gebe einen abstrakten Gesamtbegriff, aus dem sich keine Bedeutung herleiten lasse. Es sei für den Verkehr nicht feststellbar, welche Bedeutung der Bestandteil „Zeit“ dem Bestandteil „Kino“ verleihe. Konfrontiere man den Verkehr mit der Kennzeichnung „Zeitkino“, werde er keine genaue Vorstellung von den beanspruchten Dienstleistungen haben. Dies gelte umso mehr, als dass beide Wortelemente „Zeit“ und „Kino“ aus völlig unterschiedlichen Bereichen stammten und gerade der Bestandteil „Zeit“ der Gesamtaussage „Zeitkino“ Abstraktheit verleihe. Es sei für die Anmelderin nicht nachvollziehbar, woher aus der Kennzeichnung „Zeitkino“ der unmittelbar beschreibende Hinweis auf ein Kinoformat, in dem Kurzfilme gezeigt würden, stammen solle. Das Gesamtwort „Zeitkino“ habe keinen konkreten Bedeutungsgehalt und weise daher das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft auf.

21

Die Anmelderin stützt ihr Eintragungsbegehren schließlich auf die Eintragung von ihrer Ansicht nach vergleichbaren Drittmarken beim Deutschen Patent- und Markenamt und beim HABM, die eine Indizwirkung entfalteten.

22

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.

23

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Einer Registrierung des angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen.

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1. Der angemeldeten Wortkombination fehlt für die zurückgewiesenen Dienstleistungen nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

25

a) Kann einem Wortzeichen für die fraglichen Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugerechnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2009, 778 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2010, 46 Rn. 13 - hey!).

26

b) „Zeitkino“ weist entgegen der Annahme der Markenstelle für die in Rede stehenden Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 41 und 43 keine für das inländische Publikum auf der Hand liegende Beschreibung des Inhalts dieser Dienstleistungen auf. Die angemeldete Marke setzt sich zusammen aus den beiden deutschen Wörtern „Zeit“ und „Kino“. Zwar ist der Wortbestandteil „Kino“ in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen für sich betrachtet als glatt beschreibender Hinweis auf den Ort bzw. Gegenstand der Dienstleistungen schutzunfähig. Dies gilt jedoch nicht für die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit.

27

Der hier angesprochene normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher wird der angemeldeten Bezeichnung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Zeichens (BGH GRUR 2001, 1092 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) keinen hinreichend klaren beschreibenden Hinweis auf die beanspruchten Dienstleistungen entnehmen. Der gegenteiligen Auffassung der Markenstelle liegt eine analysierende Betrachtungsweise zugrunde, die der Verbraucher in der Regel nicht vornimmt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 105).

28

In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen bleibt der Bedeutungsgehalt der Marke in ihrer Gesamtheit vage und unscharf. Dass der Durchschnittsverbraucher „Zeitkino“ als Hinweis auf dort stattfindende Kurzfilme verstehen wird, hält der Senat ebenso wie die Anmelderin für wenig wahrscheinlich.

29

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Markenstelle ermittelten Internetausdrucken, die eine vereinzelte Verwendung des Wortes „Zeitkino“ in diesem Sinn belegen. Dass es in Deutschland einige wenige sog. Zeitkinos gibt, in denen Kurzfilme ausgestrahlt werden, bedeutet nicht zwangsläufig, dass der hier maßgebliche Durchschnittsverbraucher dem Wort „Zeitkino“ einen Hinweis auf ein Kino entnimmt, in dem Kurzfilme gezeigt werden.

30

Gegen ein entsprechendes Verständnis sprechen auch die vom Senat ermittelten Internetausdrucke, denen sich andere Bedeutungsinhalte entnehmen lassen. Danach stammt das Wort „Zeitkino“ wohl aus der DDR. Dort nannten sich die Aktualitätenkinos der 1950er-Jahre „Zeitkinos“ (vgl. www.enzyklo.de./Begriff/Zeitkino). In größeren Bahnhöfen gab es Kinos, in denen wartende Reisende nach Belieben gegen ein Entgelt rein- und rausgehen konnten (vgl. www.aus-der-ddr.de.lexikon/zeitkino/lid und www.europeana.eu/portal/record). Dieser Bedeutungsgehalt wird dem Durchschnittsverbraucher mehr als 23 Jahre nach dem Mauerfall eher nicht bekannt sein.

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Für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen besitzt die Marke in ihrer Gesamtheit daher keinen beschreibenden Begriffsinhalt.

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2. Die angemeldete Bezeichnung unterliegt damit auch nicht dem Ausschlussgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. In ihrer Kombination verbinden sich die beiden Bestandteile nicht zu einer die Eigenschaften der Dienstleistungen unmittelbar beschreibenden Angabe.

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3. Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass.