Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 03.05.2016


BPatG 03.05.2016 - 27 W (pat) 525/15

Markenbeschwerdeverfahren – "PERCEPTIVE INTEGRATION" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
03.05.2016
Aktenzeichen:
27 W (pat) 525/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 026 094.8

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im schriftlichen Verfahren am 3. Mai 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, des Richters Hermann und der Richterin kraft Auftrags Seyfarth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Das Wortzeichen

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PERCEPTIVE INTEGRATION

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ist am 3. März 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

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Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterricht; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Workshops; Ausbildung von Referenten und Therapeuten

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Klasse 44:  Stresstherapien; Therapien zur Lösung seelischer Konflikte

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Mit Beschluss vom 15. April 2015 hat das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 41, die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

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Zur Begründung ist ausgeführt, das angemeldete Zeichen setze sich aus den englischen Begriffen „PERCEPTIVE“, was im Deutschen „einfühlsam“ und „INTEGRATION“, was übersetzt „Eingliederung, Integration“ bedeute, zusammen. Von den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen werde die Wortfolge als „einfühlsame Eingliederung/Integration“ verstanden. Viele zum inländischen Verkehr gehörende Personen beherrschten Englisch als Fremdsprache. Englische Ausdrücke und Redewendungen würden nicht nur in den deutschen Medien, sondern auch in der deutschen Umgangssprache und in der Werbung häufig verwendet. Die Verständnisfähigkeit des angesprochenen Verkehrs dürfe nicht zu gering veranschlagt, insbesondere dürfe nicht von einem flüchtigen und völlig uninformierten Abnehmer ausgegangen werden. Der angesprochene Verkehr werde die angemeldete Wortfolge in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen lediglich als werbeanpreisende und beschreibende Sachangabe dahingehend auffassen, dass diese Dienstleistungen einer einfühlsamen Eingliederung/Integration diene bzw. dafür bestimmt sind. Auch wenn offen bleibt, auf welchen Lebensbereich sich die Integration beziehe, ändere dies nichts an dem beschreibenden Charakter des Zeichens. Der allein durch verschiedene Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs reiche für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus. Auch weitere mögliche Bedeutungen der Begriffe „perceptive“ und „integration“ führten nicht zu einer die Unterscheidungskraft begründenden Mehrdeutigkeit. Zum einen sei die Bedeutung jeweils im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen zu sehen, zum anderen reichte es aus, wenn das Zeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen beschreibend sei. Auch aus diversen Voreintragungen mit den Einzelbestandteilen „perceptive“ und „integration“ könne kein Anspruch auf Eintragung des Zeichens abgeleitet werden, da diese keine rechtlich bindende Wirkung entfalten würden, und die Frage der Schutzfähigkeit einer Marke jeweils an Hand des konkreten Einzelfalles zu beurteilen sei. Außerdem seien die vom Anmelder angeführten Beispiele mit der vorliegenden Markenanmeldung zum Teil wegen grafischer Ausgestaltungen gar nicht vergleichbar.

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Hiergegen richtet sich die am 4. Mai 2015 erhobene Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 41, vom 15. April 2015 aufzuheben.

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Zur Begründung führt er aus, die Kombination „perceptive integration“ sei ein schillernder Fantasiebegriff ohne fassbaren beschreibenden Inhalt. „Perceptive“ heiße schon für sich allein betrachtet nicht „einfühlsam“, sondern habe eine ganze Reihe von Bedeutungen, wie zum Beispiel „wahrnehmend“, „scharfsinnig“, „aufnahmefähig“ oder „einsichtig“. Auch das Wort „integration“ sei vieldeutig. Zur Verdeutlichung legt der Anmelder Kopien von Internetseiten des Online-Wörterbuchs „dict.cc“ vor. Die Kombination führe daher zu Übersetzungen wie „scharfsinnige Verflechtung“, „einsichtiges Zusammenwachsen“, „einsichtiger Einbau“ oder „wahrnehmende Verflechtung“. All diese Bedeutungen seien zur Beschreibung ungeeignet. Der Anmelder trägt weiterhin vor, das englische Wort „perceptive“ werde im deutschen Sprachraum nicht verstanden. Dem normal informierten deutschen Durchschnittsverbraucher seien nur Wörter der englischen Alltagssprache auf einem eher unteren Sprachniveau geläufig, wozu „perceptive“ nicht gehöre. Außerdem sei „perceptive“ ein Adjektiv, das nur die Eigenschaft natürlicher Personen beschreibe. Diese Eigenschaft könne eine Integration von vorneherein nicht haben. Nicht nur die Mehrdeutigkeit, sondern auch die Interpretationsbedürftigkeit der Wortfolge stünden der Annahme entgegen, es fehle jede, auch noch so geringe Unterscheidungskraft.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Da der Beschwerdeführer keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, und der Senat diese auch nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 MarkenG).

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Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache keinen Erfolg.

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Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „PERCEPTIVE INTEGRATION“ steht hinsichtlich der beanspruchten Waren das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht und mit zutreffender Begründung die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin rechtfertigt keine anderweitige Beurteilung.

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. - Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731, Nr. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Nr. 7 - Starsat; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - Audi AG/HABM - Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 - for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 16 - for you).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, 1144, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).

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Ausgehend davon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2006 , 850 Rdnr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872, 874 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 - DOUBLEMINT); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. - CELLTECH; BGH a. a. O. Rdnr. 16 - DüsseldorfCongress).

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Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt dem Anmeldezeichen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

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Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den englischen Begriffen „perceptive“ und „integration“ zusammen. „Perceptive“ bedeutet im deutschen „wahrnehmend“, „aufnahmefähig“, „einfühlsam“, „scharfsinnig“ (http://dict.leo.org/ende/index_de.html#/search=perceptive&searchLoc=0&resultOrder=basic&multiwordShowSingle=on). „Integration“ hat die Bedeutung „Einbindung“, „Eingliederung“, „Integration“ (http://dict.leo.org/ende/index_de.html#/search=integration&searchLoc=0&resultOrder=basic&multiwordShowSingle=on).

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In der Zusammensetzung beider Worte ergeben sich die Bedeutungen „wahrnehmende, einfühlsame, aufnahmefähige oder scharfsinnige Integration“. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine zur Unterscheidungskraft führende Mehrdeutigkeit. Zum einen unterscheiden sich die Bedeutungen nicht wirklich voneinander. Wenn etwas einfühlsam ist, ist es auch wahrnehmend und aufnahmefähig. Zum anderen ist die Frage, ob eine unterscheidungskräftige Bedeutungsvielfalt vorliegt, immer im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu sehen (BGH GRUR 2000, 882 Bücher für eine bessere Welt). Außerdem reicht es aus, wenn ein Zeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen beschreibend ist (EuGH GRUR 2004, 680 Nr. 38 - Biomild; GRUR 2014, 569 HOT).

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Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ist die naheliegende Bedeutung des Gesamtzeichens „einfühlsame Integration“.

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Der Argumentation des Anmelders, „perceptive“ sei nicht beschreibend, weil es sich um ein englisches Wort handele, das im deutschen Sprachraum nicht verstanden werde, kann nicht gefolgt werden. Auch fremdsprachigen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen. Dabei kommt es auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise an. Angesprochene Verkehrskreise sind hier sowohl die allgemeinen Durchschnittsverbraucher als auch Fachleute wie z. B. Pädagogen, Physiotherapeuten oder Psychologen. Selbst wenn man dem Durchschnittsverbraucher, der in der Regel zumindest über Grundkenntnisse im Englischen verfügt, die Kenntnis dieser Worte nicht zutraut, so ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Fachverkehr, der als Ausbilder oder Anwender entsprechender Therapien angesprochen wird, mit dem Englischen soweit vertraut ist, dass er die Worte „perceptive“ und „Integration“ versteht. Richtig ist, dass das Adjektiv „perceptive“ in der Regel die Eigenschaft einer natürlichen Person beschreibt. Es ist jedoch weder im Deutschen noch im Englischen ausgeschlossen, dass ein solches Adjektiv z. B. auch zur Bezeichnung einer Maßnahme verwendet wird, um auszudrücken, wie die Maßnahme durchgeführt wird. Auch im Deutschen wird das Wort „einfühlsam“ einer natürlichen Person zugeordnet, trotzdem ist ohne weiteres verständlich, was mit „einfühlsamer Integration“ gemeint ist. Der Verkehr ist außerdem daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form vermittelt werden sollen. Er ist auch daran gewöhnt, dass sich solche Begriffe häufig nicht an geläufige Formen oder feste grammatikalische Regeln halten (Ströbele in Ströbele/Hacker § 8 Rdnr. 495 m. w. N.). In dem zusammengesetzten Zeichen „Perceptive Integration“ wird der angesprochene Verkehr einen sachbezogenen Hinweis auf den Inhalt der angebotenen Seminare, Workshops und Therapien sehen. Denn all diese Veranstaltungen und Therapien können sich mit dem Thema „einfühlsame Integration“ befassen. Dieser Sachbezug steht eindeutig im Vordergrund, so dass der Verkehr das Zeichen nicht als Herkunftshinweis auffassen wird.

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Das Zeichen ist daher nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, Ob der Eintragung daneben ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann im Ergebnis dahinstehen.