Entscheidungsdatum: 29.07.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2013 002 143.6
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Hermann und des Richters kraft Auftrags Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
I.
Die Markenstelle für Klasse 41 des DPMA hat die am 28. März 2013 für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 16:
Bücher; Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]; Schriften [Veröffentlichungen]; Zeitschriften
Klasse 40:
Buchbindearbeiten; Druckarbeiten
Klasse 41:
Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Publikation von Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form), ausgenommen für Werbezwecke; Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet
angemeldete dreidimensionale Marke 30 2013 002 143
(schwarz-weiß) |
durch Beschluss vom 17. Februar 2014 wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.
Dreidimensionale Marken verfügten über das ausreichende geringe Maß an Unterscheidungskraft, wenn die Gestaltung erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht. Diese Anforderung erfülle die angemeldete Marke nicht. Die Markenwiedergabe zeige ein Buch mit grafischen Elementen im Mittelteil, die sich in einfachen Formen erschöpften und lediglich als werbeübliche Gestaltungsmittel zur Ausschmückung und Beschriftung wahrgenommen würden. Wie auch die der Beanstandung anliegenden Beispiele zeigten, sei es im Buchsektor üblich, den Einband mit einfachen grafischen Komponenten zu versehen, um Titel, Inhalt, Verfasser ansprechend zu präsentieren. Die Marke weise weder in ihren Proportionen noch in ihren sonstigen Gestaltungsmerkmalen aus dem Rahmen fallende Eigentümlichkeit gegenüber gängigen Vergleichsprodukten auf.
Für die beanspruchten Waren der Klasse 16 beschränke sich die dreidimensionale Marke lediglich auf die Verkörperung der Ware. Die beanspruchten Dienstleistungen "Druckarbeiten, Dienstleistungen eines Verlages, usw." seien funktionell und technisch notwendige Dienstleistungen, welche für die Herstellung, den Entwurf oder die Entwicklung eines solchen Produktes erforderlich seien, so dass das interessierte Publikum insofern nur den Gegenstand der Dienstleistungen erkenne.
Der nach Auffassung des Anmelders im Verlagswesen einzigartige "Alias-Effekt" des umlaufenden Streifenmusters, der aufgrund seiner Eigenart je nach Blickwinkel und Entfernung des Betrachters verschiedene optische Effekte auslöse und die Lesbarkeit der Beschriftung auf dem Buchrücken im Bereich des Streifenmusters je nach Blickwinkel und Entfernung des Betrachters beeinflusse, sei in der grafischen Wiedergabe der dreidimensionalen Anmeldung nicht zu erkennen und daher für die Bewertung der Anmeldung unerheblich.
Gegen den am 26. Februar 2014 zugestellten Beschluss hat der Anmelder am 25. März 2014 Beschwerde erhoben.
Die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke in Form horizontal um den Buchumschlag verlaufender Bänder enthalte eine erhebliche Abweichung von der Norm und Branchenüblichkeit und verleihe der Marke Unterscheidungskraft. Denn das Streifenmuster werde je nach Blickwinkel und Entfernung des Betrachters unterschiedlich wahrgenommen (Alias- oder Moiré-Effekt). Bei einer großen Entfernung des Betrachters wirke das nur aus der Nähe erkennbare Streifenmuster wie eine einfarbige Fläche. Ein auf dem Streifenmuster aufgebrachter Text sei unleserlich. Dieser unmittelbar erkennbare besondere optische Effekt ergebe sich aus der Wahrnehmung des Zeichens selbst und hänge nicht von einer bestimmten Verwendung ab. Ein derartiger Effekt werde nach den Gepflogenheiten der Werbegraphik als störend empfunden und daher regelmäßig bewusst vermieden. Da sie zur Unlesbarkeit des Textes führe, diene die Graphik gerade nicht zur Hervorhebung von Angaben. Die Darstellung feiner Streifen, die in Relation zur Größe des Buches in tatsächlich auftretenden Entfernungen solche Effekte hervorbringen, sei daher kein gängiges Gestaltungsmittel. Das Publikum sei insbesondere im Bereich wissenschaftlicher Bücher an grafische Gestaltungen zur Kennzeichnung bestimmter Buchreihen gewöhnt. Wie auch andere Eintragungen zeigten, komme es nicht darauf an, dass eine Kennzeichnung bereits bei der ersten Begegnung auffällt. Es reiche aus, wenn sich die Wahrnehmung als Kennzeichen bei wiederholtem Auftreten einstelle.
Der Anmelder beantragt,
den angegriffenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben und
dem Amt aufzugeben, die angemeldete Marke einzutragen.
II.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war weder beantragt noch aus Sachdienlichkeit veranlasst, vgl. § 69 MarkenG.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders bleibt ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.
1. Gegenstand der Prüfung unter dem Gesichtspunkt materieller Schutzfähigkeit nach § 37 Abs. 1 MarkenG ist die Marke in der angemeldeten Form (vgl. bereits BGH GRUR 1995, 408 Rn. 17 - PROTECH). Deswegen kann sich die Schutzfähigkeit nicht aus Merkmalen ergeben, die dem angemeldeten Zeichen nicht zu entnehmen sind (vgl. BGH GRUR 2011, 65 Rn. 17 - Buchstabe T mit Strich; BPatG GRUR 1999, 743, 745 - AC; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 23).
Insofern kann mit dem Anmelder angenommen werden, dass die zur Wiedergabe der beantragten dreidimensionalen Marke eingereichte Darstellung den Anmeldegegenstand als ein in zwei Ansichten (Vorder- bzw. Rückdeckel jeweils mit Buchrücken) dargestelltes Buch mit festem Einband festlegt, der in mittlerer Höhe zwei übereinander angeordnete, horizontal umlaufende Streifen mit homogener bzw. strukturierter Flächengestaltung aufweist.
Das angemeldete Zeichen umfasst dagegen nicht eine Beschriftung des Bucheinbands, insbesondere nicht auf dem umlaufenden Streifen mit Linienstruktur. Wenn der Anmelder zur Begründung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke darauf abhebt, dass ein auf diesen Streifen aufgetragener Text aufgrund des nach seiner Darstellung auftretenden Alias-Effekts aus einer gewissen Entfernung oder Blickrichtung nicht mehr wahrgenommen werden könne, geht diese Argumentation schon deswegen ins Leere, weil die angemeldete Marke im Bereich des benannten Streifens (und auch sonst) nicht über Textelemente verfügt und daher den behaupteten Effekt auf die Wahrnehmung von Text nicht erkennen lässt. Eine derartige Verwendung, auf die die Anmeldung mithin nicht beschränkt ist, muss daher außer Betracht bleiben.
2. Die angemeldete Marke, die unbedenklich den Schutzanforderungen nach § 3 Abs. 2 MarkenG entspricht, entbehrt trotz des insofern geltenden großzügigen Maßstabs (vgl. BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 - grill meister) jeglicher Unterscheidungskraft (s. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Nachdem die Form der angemeldeten dreidimensionalen Marke als solche erkennbar die klassische Buchform aufgreift, kommt vorliegend allein die grafische Gestaltung des Buchdeckels als Grundlage eines betrieblichen Herkunftshinweises in Betracht. Insofern ist maßgebend darauf abzustellen, ob das Zeichen mit dem Erscheinungsbild der entsprechenden Waren verschmilzt, indem es sich in einfachen dekorativen Gestaltungsmitteln erschöpft, die das Publikum lediglich als Ausdruck des Bemühens um eine ästhetisch ansprechende Warengestaltung wahrnimmt (vgl. EuGH GRUR Int. 2011, 720 Rn. 38 - Strumpf mit farbiger Kappe; BGH GRUR 2011, 158 Rn. 8 - Hefteinband).
Das angemeldete Zeichen wird von den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen ausschließlich als konventionell gestaltetes Buch wahrgenommen, dessen Deckel keine charakteristischen Merkmale, in denen das Publikum einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht, aufweist.
Die Gestaltung von Bucheinbanden, die lange Tradition hat (vgl. etwa antike und mittelalterliche Prachteinbände), ist Gegenstand differenzierter Bildersprache, die - wie in verschiedenen anderen Lebensbereichen - darauf angelegt ist, Büchern jenseits ihres inhaltlichen Werts einen gewissen gestalterischen Eigenwert zu verleihen. Ein Einbanddesign, sei es auch ein bewusst zurückgenommenes, gehört geradezu zum Wesen eines Druckerzeugnisses. Selbst den Verzicht auf jegliches Einbanddesign würde das Publikum aufgrund der Branchengewohnheiten als gestalterische Aussage werten. Hierzu werden, wie die Markenstelle durch Beispiele gezeigt und auch der Anmelder eingeräumt hat, häufig und in vielen Varianten umlaufende Streifen oder Balken verwendet, die eine Strukturierung des Einbands, eine Hervorhebung von Elementen bewirken oder eine sonstige dekorative Funktion ausüben (vgl. etwa Der Brockhaus, Naturwissenschaft und Technik). Auch die kumulative Anordnung mehrerer übereinander angeordneter Balken wie auch die Binnenstrukturierung eines Streifens durch feine Linien sind bekannte Stilmittel (z. B. Bosch, Mathematik Taschenbuch, R. Oldenbourg Verlag; Loderbauer, Das Konditorbuch).
Aufgrund umfangreicher Verwendung der ihrer Natur nach einfachen grafischen Mittel hat das Publikum keinen Anlass, die in Rede stehende Gestaltung in anderer Weise als eine beliebige Zusammensetzung von grafischen Elementen aufzufassen, die lediglich der ästhetischen Einbandgestaltung dient. Der angemeldeten Ausführung des mit einer feinen Linienstruktur versehenen Streifens vermittelt auf der Grundlage der vorgelegten Darstellung keinen ungewöhnlichen, überraschenden oder als fehlerhaften Druck wahrnehmbaren visuellen Effekt. Insbesondere ist selbst bei einer wesentlichen Veränderung der Blickentfernung oder -richtung überhaupt keine variable Bildwirkung zu erkennen oder in anderer Weise in der Anmeldung geltend gemacht (s. auch § 8 Abs. 1 MarkenG, BPatG GRUR 2005, 594 - Hologramm), die über eine - erwartungsgemäß - zunehmend ungenauere Wahrnehmung der einzelnen Linien hinausgeht. Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Wiedergabe des angemeldeten Zeichens dahin verstanden wird, dass die obere Ansicht den Vorderdeckel zeigt und mithin der aus feinen Linien gebildete Streifen oberhalb dem homogenen Streifen angeordnet ist, oder ob die Streifen umgekehrt angeordnet sind.
Allerdings kann mit dem Anmelder in gewissem Umfang eine Gewöhnung des Publikums an die Verwendung von Einbanddesign als betrieblichen Herkunftshinweis angenommen werden. Derartige Beispiele beziehen sich jedoch vorrangig auf Gestaltungen, in denen bestimmte Formelemente in einem konkreten Farbton ausgeführt sind (vgl. die durch den Anmelder vorgelegten Beispiele). Ferner beruht die Akzeptanz als Marke insofern in der Regel auf der Benutzung und Wahrnehmung eines Zeichens auf verschiedenen Titeln einer Buchreihe und ergibt sich gerade nicht aus der im Zusammenhang originärer Unterscheidungskraft maßgebenden Aufnahme des Zeichens als solchen.
Bezogen auf die Waren der Klasse 16 versteht das Publikum die angemeldete Marke damit lediglich als ein in herkömmlicher Weise gestaltetes Warenexemplar. In Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen wird das Zeichen als Leistungsergebnis oder Warenmuster wahrgenommen. Bezogen auf die Dienstleistung "Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form" (Kl. 41) erscheint das Zeichen als - regelmäßig ebenfalls angebotene (vgl. etwa bei Amazon die Unterscheidung "Buch" u. "kindle edition") - Papierausgabe einer elektronischen Publikation.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung. Der vorliegende Fall wirft keine grundsätzliche Rechtsfrage auf. Die Entscheidung des Senats beschränkt sich vielmehr auf die einzelfallbezogenen Anwendung höchstrichterlich geklärter Beurteilungsgrundsätze.