Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.05.2011


BPatG 10.05.2011 - 27 W (pat) 516/10

Markenbeschwerdeverfahren – "WOLFSBURGER STADTGESPRÄCH (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
10.05.2011
Aktenzeichen:
27 W (pat) 516/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 064 011.1

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 6. Oktober 2008 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 38, 41 und 42 angemeldete Wort-/Bildmarke

Abbildung

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2

ist von der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 teilweise für die Waren und Dienstleistungen

3

"Druckereierzeugnisse aller Art, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften, Bücher; Telekommunikation; Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellen von Portalen im Internet; Bereitstellung und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Bereitstellen von elektronischen Publikationen (nicht herunterladbar); Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen auch in elektronischer Form und im Internet".

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wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist ausgeführt, die angemeldete Wort-/Bildmarke bestehe aus der geographischen Ortsangabe "WOLFSBURGER" und dem weiteren Zeichenbestandteil "STADTGESPRÄCH". Ein Stadtgespräch sei u. a. eine Bezeichnung für Themata, die eine ganze Stadt beträfen oder einen Bezug zu einer Stadt aufwiesen und daher von der einheimischen Bevölkerung zum Gesprächsthema gemacht würden. Wolfsburg sei eine Großstadt im Osten Niedersachsens, die aufgrund des dort befindlichen Sitzes des Volkswagenkonzerns überregionale Bekanntheit genieße. Durch die adjektivische Form WOLFSBURGER bestehe ein unmittelbarer Bezug zwischen der geographischen Angabe Wolfsburg und dem Zeichenbestandteil "Stadtgespräch". In seiner Gesamtheit werde die Markenanmeldung von den angesprochenen Verkehrskreisen daher als Bezeichnung für Themata, die in Wolfsburg Stadtgespräch seien, aufgefasst. In diesem Sinn werde die Bezeichnung auch von der Anmelderin verwendet, wie sich aus einem dem Beschluss beigefügten Internetbeleg ergebe. Für ein entsprechendes Verständnis sprächen auch weitere dem Beschluss beigefügte Internetbelege, bei denen der Begriff Stadtgespräch in Kombination mit einem Ortsnamen verwendet werde.

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Entgegen der Auffassung der Anmelderin werde die Marke nicht im Sinn eines Ortsgesprächs in Kombination mit dem Ortszusatz Wolfsburger verstanden, da es für die Bezeichnung eines Telefonats zum Ortstarif unerheblich sei, in welchem Ort dieses Gespräch geführt werde.

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Durch die graphische Gestaltung erlange die Marke keine Schutzfähigkeit. Die verwendete übliche Schriftart und die zweiteilige Schreibweise seien einfachste graphische Gestaltungsmittel, an die das Publikum gewöhnt sei und die keine unternehmenskennzeichnende Eigenart darstellten.

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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle in dem Umfang aufzuheben, in dem die Anmeldung zurückgewiesen wurde und die angemeldete Marke in vollem Umfang einzutragen.

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Die Anmelderin hält die Marke für unterscheidungskräftig. Die Marke sei zumindest doppeldeutig, da ein "Stadtgespräch" im Wortsinn ein innerörtliches Telefonat bezeichne. Primär verstünde das Publikum daher unter einem Stadtgespräch ein Telefonat zum Ortstarif und erst sekundär, im eher übertragenen Sinn, etwas, wovon in der ganzen Stadt gesprochen werde. Um den vom Amt angenommenen begrifflichen Gehalt der Marke zu erfassen, benötige es daher gedanklicher Zwischenschritte.

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Zur Begründung ihres Eintragungsbegehrens stützt sich die Anmelderin auf die Eintragung von ihrer Auffassung nach vergleichbaren Wort-/Bildmarken. Mit diesen Marken habe sich das Amt nicht auseinandergesetzt.

11

Es bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis. Dagegen spreche insbesondere die konkrete graphische Gestaltung der angemeldeten Marke.

12

Der zunächst anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung ist aufgehoben worden, nachdem die Anmelderin den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen und um eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten hat.

II.

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Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil der angemeldeten Marke in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.

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Unterscheidungskraft im Sinn dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr., EuGH Int. 2005, 1112, Nrn. 27 ff. - BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006). Die Schutzfähigkeit als Marke ist dabei stets anhand der angemeldeten Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 18). Enthält eine Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt, ist der angemeldeten Bezeichnung ihre Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass das Publikum sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard).

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Ist - wie hier - die Unterscheidungskraft einer Wortfolge zu beurteilen, so bestehen grundsätzlich keine abweichenden Anforderungen gegenüber anderen Wortmarken. Bei einer aus mehreren Wörtern bestehenden Marke ist auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit abzustellen (vgl. BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Wortfolgen sind dann nicht unterscheidungskräftig, wenn es sich um beschreibende Angaben oder um Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art handelt (vgl. z. B. BGH BlPMZ 2000, 161 - Radio von hier).

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Dies ist vorliegend der Fall. Die Unterscheidungskraft fehlt der angemeldeten Marke, weil sie von ihren Wortbestandteilen her nur einen im Vordergrund stehenden, die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt hat.

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Die angemeldete Marke setzt sich hinsichtlich ihrer Wortbestandteile aus der Ortsangabe Wolfsburger (= Stadt in Niedersachsen mit ca. 120 000 Einwohnern) und dem Begriff Stadtgespräch, der ausweislich des von der Anmelderin im Amtsverfahren vorgelegten Wörterbuchauszugs zwei Bedeutungen hat, nämlich

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1. (telefon) Ortsgespräch;

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2. etwas, wovon in der Stadt gesprochen wird.

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In Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen wird das angesprochene breite inländische Publikum die Bezeichnung "Wolfsburger Stadtgespräch" gerade in ihrer Gesamtheit, auf die bei Mehrwortmarken maßgeblich abzustellen ist (BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION), ohne weiteres in dem von der Markenstelle aufgezeigten Sinn verstehen, nämlich als Hinweis auf Themata und Inhalte, die sich mit Dingen des täglichen Lebens in der Stadt Wolfsburg beschäftigen. Sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen können sich mit aktuellen Themata der Stadt Wolfsburg befassen. Für ein entsprechendes Verständnis sprechen insbesondere die von der Markenstelle ermittelten Internetbelege, die eine Verwendung des Begriffs "Stadtgespräch" in Kombination mit unterschiedlichen Städten durch Dritte belegen.

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Dass die Verbraucher das Wort "Stadtgespräch" als Hinweis auf ein Telefonat zum Ortstarif verstehen sollten, hält der Senat entgegen der Auffassung der Anmelderin für abwegig. Der Bedeutungsgehalt einer Wortfolge ist immer in Bezug zu den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen zu sehen, bei denen der von der Markenstelle aufgezeigte Sinngehalt hier naheliegt.

22

Auch die graphische Ausgestaltung vermag die Schutzfähigkeit der Wortelemente nicht zu begründen. Zwar kann ein eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis durch eine besondere bildliche oder graphische Ausgestaltung nicht unterscheidungskräftiger Wortbestandteile erreicht werden. An diese Ausgestaltung sind aber umso größere Anforderungen zu stellen, je kennzeichnungsschwächer die fragliche Angabe ist (BGH GRUR 2001, 1153 - antiKALK). Einfache graphische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbilds, an die der Verkehr gewöhnt ist, vermögen in der Regel den beschreibenden Charakter einer Angabe nicht zu beseitigen (Ströbele/Hacker,MarkenG, 9. Aufl., § 8 RdNr. 126, 127).

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Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Graphik auf eine werbeübliche Gestaltung. Die verwendete zweizeilige Schreibweise in einer üblichen Schriftart ist ein einfaches graphisches Gestaltungsmittel, an das die Verbraucher gewöhnt sind. Die Schreibweise ist nicht geeignet, den beschreibenden Charakter der Wortelemente zu überwinden und der Marke in ihrem Gesamteindruck die Eignung zur Unterscheidung der betrieblichen Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu verleihen.

24

Die Anmelderin kann sich schließlich auch nicht erfolgreich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbarer Drittmarken berufen. Abgesehen von den deutlichen Unterschieden in der graphischen Ausgestaltung kann ein Anmelder aus der Schutzgewährung für andere Marken keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167, Rz. 39, - Terranus). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbietet die Markenrechtsrichtlinie es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses, dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. EuGH GRUR 2009, 667, 668, Rz. 15 ff. - Bild.T-Online.de und ZVS).

25

Ob einer Registrierung der angemeldeten Marke in ihrer konkreten Gestaltung auch das Schutzhindernis der Merkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dargestellt bleiben.