Entscheidungsdatum: 16.04.2013
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 050 197.4
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Kopacek am 16. April 2013
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Januar 2013 wird aufgehoben.
I.
Die Zurückweisung der für Schuhwaren angemeldeten farbigen (rot, schwarz) Wort-Bild-Marke
hat die Markenstelle damit begründet, das angemeldete Zeichen bestehe im Hinblick auf die beanspruchten Waren aus einer Bezeichnung (Schuhwerk) der Art und der Ortsangabe Lahr. In der Stadt Lahr gebe es mit Sicherheit mehrere Schuhgeschäfte. Die Graphik des Zeichens sei bloß dekorativ.
Die Anmelderin hat dagegen Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, Lahr sei der Familienname des Firmengründers. „Lahr Schuhe“ und „Lahr Schuhwerk“ hätten mittlerweile Verkehrsdurchsetzung erlangt. Es gebe weder eine Handwerkstradition für Schuhmacherei in Lahr/Schwarzwald noch Schuhe, die für dessen Umgebung bestimmt seien.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Einer Registrierung des angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen.
„Lahr“ ist keine für Schuhwaren im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltebedürftige geographische Herkunftsangabe.
Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass unmittelbar warenbeschreibende Angaben, einschließlich solcher über die geographische Herkunft, von allen frei verwendet werden können (EuGH GRUR 1999, 723, 725, Nr. 25 - Chiemsee). Im Vordergrund stehen dabei die Interessen der Mitbewerber auf dem Markt. Einer Registrierung von geographischen Bezeichnungen steht zudem generell das Allgemeininteresse entgegen, welches insbesondere darauf beruht, dass diese Bezeichnungen nicht nur die Qualität und andere Eigenschaften der betreffenden Warengruppen anzeigen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren bzw. Dienstleistungen und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden (EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 26 - Chiemsee).
Angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region besteht zwar wie nahezu überall in Deutschland die Möglichkeit, Schuhe zu produzieren.
Es kommt aber darauf an, ob vernünftigerweise zu erwarten ist, dass die beteiligten Kreise die angemeldete Bezeichnung mit der örtlichen Herkunft von Schuhwaren in Verbindung bringen. Hierfür kommt es insbesondere darauf an, inwieweit die Bezeichnung den Beteiligten bekannt ist und welche Eigenschaften der bezeichnete Ort sowie die betreffenden Waren besitzen. Grundsätzlich sind geographische Bezeichnungen eintragbar, bei denen es wenig wahrscheinlich ist, dass das Publikum annehmen könnte, die Waren stammten von dort.
Wie die Recherchen der Markenstelle haben auch die des Senats keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Mitbewerber Schuhwaren betreffend gegenwärtig oder künftig ein Freihaltungsbedürfnis an der Herkunftsangabe „Lahr“ haben könnten.
Dies liegt auch daran, dass in Lahr oder in Schwarzwald keine herausragenden Schuhwaren mit einem überregionalen Ruf hergestellt werden. Auch für die Zukunft ist eine nennenswerte wirtschaftliche Entwicklung in diese Richtung vernünftigerweise nicht zu erwarten.
Zudem vermittelt die Bezeichnung „Lahr“ ohne den in der offiziellen Bezeichnung Lahr/Schwarzwald verwendeten Zusatz nicht den Eindruck eines typischen Ortsnamens. Es erscheint damit unwahrscheinlich, dass die angesprochenen Verbraucher für Schuhwaren einen Bezug zur Stadt Lahr annehmen werden. Allein ein geographischer Bezug ist wegen seiner Allgemeinheit nicht geeignet, plausibel zu machen, dass die maßgeblichen Kreise (in Zukunft) eine Verbindung zwischen Lahr und den Schuhwaren herstellen.
Die bloße theoretische Möglichkeit, dass in Lahr künftig tatsächlich Schuhe von besonderer Qualität produziert werden könnten, reicht nicht aus, die Anmeldung zurückzuweisen.
Hinzu kommt, dass in der konkret beanspruchten Zeichenform nichts auf eine Verwendung von „Lahr“ als Ortsangabe hinweist. Es heißt nicht „Lahrer Schuhwerk“ und nicht einmal „Schuhwerk Lahr“, wie dies bei Betriebsbezeichnungen üblich wäre.
Zudem ist „Schuhwerk“ mehrdeutig. Es kann die Produkte „Schuhe“ wie auch die Herstellungsstätte bezeichnen. Nur für das letztgenannte wäre Lahr überhaupt als Ortsangabe denkbar; bei Schuhen käme eher eine Modellbezeichnung in Frage. In diesem Zusammenhang ist „Schuhwerk“ außerdem eine altmodische Ausdrucksform.
An der konkreten Zusammenstellung und Schreibweise besteht daher kein Freihaltungsbedürfnis.
Einer Eintragung des zu betrachtenden Gesamtzeichens steht auch nicht das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
Da „Lahr“ im Zusammenhang mit „Schuhwerk“ keine sich aufdrängende Ortsbezeichnung ist, genügt schon eine geringe graphische Ausgestaltung des Zeichens, das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft zu überwinden. Die Farbgestaltung und die unterschiedlichen Schreibweisen mit der Aufsplitterung von Lahr in L, A, H und R verleihen dem Zeichen daher Unterscheidungskraft.
Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht kein Anlass. Die Markenstelle hat die Bedeutung des Wortes „Lahr“ zwar anders als der Senat eingeschätzt und davon ausgehend höhere Ansprüche an die Graphik gestellt, dies ist aber nicht verfahrensfehlerhaft oder gar willkürlich.