Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.12.2012


BPatG 18.12.2012 - 27 W (pat) 514/12

Markenbeschwerdeverfahren – "Gedankenfitness (IR-Marke)" – keine Unterscheidungskraft – im Bereich des harmonisierten Markenrechts innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sind durchaus abweichende Betrachtungen hinsichtlich der Schutzfähigkeit von Marken möglich


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
18.12.2012
Aktenzeichen:
27 W (pat) 514/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 Abs 1 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B Nr 2 PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin am Landgericht Werner am 18. Dezember 2012

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Wortmarke IR 990 893 (Ursprungsland Österreich mit Priorität vom 18. Dezember 2006)

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Gedankenfitness

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mit Beschluss vom 24. November 2011 den Schutz in Deutschland, wie im refus de protection vom 16. Juli 2009 und mit Bescheid vom 23. November 2009 beanstandet, teilweise nämlich für die Dienstleistungen der

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Klasse 35: Conseils en organisation et direction des affaires; gestion des affaires commerciales,

5

Klasse 41: Education et formation de personnes, notamment conduite de séminaires; divertissements et activités culturelles,

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gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 MMA, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ versagt.

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Das hat die Markenstelle damit begründet, die international registrierte Marke sei im tenorierten Umfang für die zurückgewiesenen Dienstleistungen „Unternehmensorganisation und -führung und Geschäftsführung“ sowie „Erziehungs- und Ausbildung“ ausschließlich eine nicht unterscheidungskräftige und freihaltebedürftige Angabe.

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„Gedankenfitness“ eigne sich nicht dazu, die beanspruchten Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem Unternehmen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden; es handle sich ausschließlich um einen allgemeinen sachbezogenen Hinweis auf die Inhalte er angebotenen Dienstleistungen.

9

Die beanspruchte Bezeichnung sei sprachüblich aus den beschreibenden Bestandteilen „Gedanken“ (etwas, das gedacht wird, eine Überlegung, das Denken an sich) und „Fitness“ (allgemein die Leistungsfähigkeit, nicht nur die körperliche) zusammengesetzt. Dabei würden beide Einzelbegriffe entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet, ohne dass die beanspruchte zusammengesetzte Bezeichnung „Gedankenfitness“ in ihrer Gesamtheit eine über die bloße Kombination hinausgehende Bedeutung aufweise. Es liege somit auch keine ungewöhnliche Wort-Neuschöpfung vor. Vielmehr reihe sich die Bezeichnung zwangslos in analog gebildete Wortzusammensetzungen wie „Gedankenaustausch“, „Gedankenfreiheit“, „Gedankenschritt“ oder „Gedankenspruch“ ein. Sie werde außerdem bereits in dieser beschreibenden Bedeutung verwendet.

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Das angesprochene Publikum erkenne in „Gedankenfitness“ in Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen lediglich den allgemeinen sachbezogenen Hinweis darauf, dass diese Dienstleistungen Inhalte im Sinne einer Leistungsfähigkeit des Denkens vermitteln, fördern und einbeziehen könnten.

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Dieser Sinngehalt erschließe sich eindeutig und ohne analysierende Betrachtung.

12

Darüber hinaus bestehe auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da „Gedankenfitness“ aufgrund der ausschließlich glatt beschreibenden Angabe zur Bezeichnung der Beschaffenheit bzw. der Inhalte der beanspruchten Dienstleistungen dienen könne.

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Soweit der Antragsteller darüber hinaus auf die Registrierung der Basismarke in Österreich und die teilweise Schutzbewilligung für die Klassen 35 und 36 in der Schweiz verweise, könne daraus kein Anspruch auf Schutzbewilligung in der Bundesrepublik Deutschland hergeleitet werden. Ebenso seien Ausführungen zur Domain „Gedankenfitness.de“ oder zur Buchveröffentlichung „Brain Surfing“…“, da nicht verfahrensgegenständlich, nicht zu berücksichtigen. Gleiches treffe auf die geltend gemachten Benutzungshandlungen durch geschäftlich mit dem Antragsteller verbundene Betreiber verschiedener Webseiten zu, da dadurch der mangelnde herkunftshinweisende Bezug für die Verbraucher nicht automatisch ersichtlich werde.

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Der Beschluss ist dem Beschwerdeführer am 13. Dezember 2011 zugestellt worden.

15

Mit seiner Beschwerde vom 28. Dezember 2011 wendet er sich gegen die Wertung in der angegriffenen Entscheidung, soweit die beanspruchten Dienstleistungen teilweise zurückgewiesen wurden und verfolgt sein Schutzersuchen insoweit weiter.

16

Er vertritt die Ansicht, „Gedankenfitness“ sei kein bloß beschreibender Begriff, sondern beziehe sich grundsätzlich auf einen körperlichen Allgemeinzustand. Das Zusammenfügen der Einzelbegriffe „Gedanken“ und „Fitness“ sei keinesfalls sprachüblich. Auch bestehe keine Analogie zu anderen mit „Gedanken-„ gebildeten Gesamtbegriffen. „Gedankenfitness“ sei eine eigenständige geistige Schöpfung, der im Zusammenhang mit den vom Antragsteller erbrachten Leistungen ein Bedeutungsinhalt zukomme. Insofern bestehe kein Freihaltebedürfnis.

17

Da dem Zeichen Schutz in Österreich und den Benelux-Staaten für alle beanspruchten Klassen gewährt worden sei sowie in der Schweiz teilweise für die Klassen 35 und 36, müsse es auch in der Bundesrepublik Deutschland schutzfähig sein.

18

Zudem rechtfertigten seine oder von ihm autorisierte Benutzungshandlungen in Form einer Buchveröffentlichung, der Durchführung von Trainings, sowie der Unterhaltung einer Webseite, jeweils unter Verwendung der beanspruchten Bezeichnung „Gedankenfitness“ die Schutzerstreckung.

19

Schließlich folge aus der Anerkennung der Schutzfähigkeit für die Klasse 36 gleichermaßen auch die Registrierungsvoraussetzung für die Schutzfähigkeit der Klassen 35 und 41.

20

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. November 1011 insoweit aufzuheben, als der international registrierten Wortmarke IR 990 893 „Gedankenfitness“ die Schutzbewilligung teilweise, nämlich für die Dienstleistungen der Klassen 35 und 41, für die Bundesrepublik Deutschland versagt worden ist, und den Schutz der international registrierten Marke IR 990 893 vollumfänglich auf Deutschland zu erstrecken.

II.

22

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

23

Zu Recht und mit eingehender sowie zutreffender Begründung hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung Schutz in der Bundesrepublik Deutschland teilweise für die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 MMA, Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ versagt.

24

Auch die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

1.

25

Über die Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt hat und der Senat diese auch nicht für erforderlich hält.

26

Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG).

2.

27

Der schutznachsuchenden Marke fehlt für die zurückgewiesenen Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

a)

28

Unterscheidungskraft im Sinn dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 – Das Prinzip der Bequemlichkeit; BGH GRUR 2009, 949, Rn. 28 – My World).

29

Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf das beteiligte Publikum zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRTUR 2004, 943 – SAT.2).

30

Es kommt dabei nicht darauf an, welche Bedeutung die einzelnen Bestandteile haben und ob die Kombination nachweisbar ist, eine Neuschöpfung ist oder bereits häufig verwendet wird, sondern wie sie ihrem Sinn nach in ihrer Gesamtheit verstanden wird und, ob die angesprochenen Verbraucher dem einen Herkunftshinweis entnehmen.

b)

31

Die Wortkombination „Gedankenfitness“ erschöpft sich, ohne dass es eine analysierenden Betrachtungsweise bedarf, für die in Rede stehenden Dienstleistungen „ Unternehmensorganisation und –führung und Geschäftsführung“ sowie „Erziehungs- und Ausbildungsdienstleistungen“ in werbeüblich anpreisender Weise in einem allgemeinen Hinweis darauf, dass diese Dienstleistungen Inhalte im Sinne einer Leistungsfähigkeit des Denkens vermitteln bzw. diese Leistungsfähigkeit fördern.

32

Das angemeldete Zeichen ist sprachüblich gebildet und aus den allgemein gebräuchlichen Begriffen „Gedanken“ und „Fitness“ zusammengesetzt, die weder für sich betrachtet noch als Gesamtzeichen für die in Frage stehenden Dienstleistungen schutzfähig sind.

33

„Gedanken“ bezeichnet, wie im Beschluss der Markenstelle zutreffend ausgeführt, „etwas gedachtes“, „Überlegungen“ sowie „das Denken an sich“ und kann etwas weiter außerdem auch für „Gedankenprozesse“ und „Denkabläufe“ angesehen werden.

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„Fitness“ bezeichnet einerseits einen körperlichen Allgemeinzustand und wird außerdem weitläufig auch im Zusammenhang mit Lern-, Merk- und Denkfähigkeit und somit im Zusammenhang mit gedanklichen Prozessen verwendet (siehe z.B. „Fitness-Studio für den Kopf“ und http://www.laudin.de/; „Fit im Kopf – Die besten Tricks beim Lernen“ unter Welt Online vom 26. Juni 2009 oder unter http://www.welt.de/wissenschaft/article 3971507/Fit-im-Kopf-Die-besten-Tricks-beim-Lernen.html; „Braintraining – Fit im Kopf von Christo Förster“ unter http://wwwfitforfun.de/sport/weitere-sportarten/transport/brainfit/braintraining aid5169.html; „Brainteaser – Gehirnjogging für den Einstellungstest“ unter Wirtschaftswoche vom 22. Juni 2009 und unter http://www.wiwo.de/erfolg/iobsuche/brainteasergehirniogging-fuer-den-einstellungstest/5549742.html u.a.).

35

Wie von der Markenstelle bereits eingehend dargestellt und belegt, gibt es zahlreiche sprachüblich gebildete und benutzte Begriffe, die den Wortbestandteil „Gedanken-„ aufweisen und einen vergleichbaren beschreibenden Sinn vermitteln wie z.B. “Gedankenaustausch“ und „Gedankensprung“ sowie „Brainteaser“, „Gehirnjogging“, „Braintraining“ „Fit im Kopf“ oder „FitnessStudio für den Kopf“. Der Verbraucher ist demnach an die Verwendung derartiger Begriffe bzw. Wortschöpfungen für entsprechende Dienstleistungsangebote im Bereich der Unternehmensberatung (Klasse 35) sowie zur Schulung und Unterrichtung (Klasse 41) mit Inhalten zu allgemeinen gedanklichen Leistungsförderung etc. gewöhnt. Der Gesamtbegriff erschließt sich unmittelbar anhand der einzelnen Wortbestandteile. Entsprechend erkennt das Publikum in der sprachüblichen Kombination der Begriffe „Gedanken“ und „Fitness“ ohne weiteres beschreibende Hinweise auf Dienstleistungen, die Beratungs- und Schulungsinhalte zur Förderung oder Verbesserung des Denkens, von Denkprozessen, Denkabläufen oder Denkstrukturen, entweder im Bereich der Unternehmensberatung oder allgemein auf Schulungsveranstaltungen, nutzen oder vermitteln.

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Vor dem Hintergrund der üblichen Verwendung synonymer Begriffe oder Wortkombinationen wird das angesprochene allgemeine Publikum nicht annehmen, dass es nur einen Anbieter gibt, der unter dem angemeldeten Zeichen Schulungs- und Trainingsprogramme oder Unterrichts- und Beratungseinheiten zur Verbesserung der gedanklichen Abläufe oder Leistungsfähigkeit anbietet, wodurch die gewählte Wortkombination nicht geeignet ist, die angebotenen Dienstleistungen mit einem bestimmten Unternehmen wie dem des Antragstellers in Verbindung zu bringen.

3.

37

Da die angemeldete Marke bereits nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die bezeichneten Dienstleistungen vom Markenschutz ausgeschlossen ist, kann die Frage nach dem Vorliegen eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dahingestellt bleiben.

4.

38

Soweit der Beschwerdeführer auf die Registrierung der Basismarke in Österreich und den Benelux-Staaten sowie auf die teilweise Schutzbewilligung für Klasse 35 und 36 in der Schweiz verweist, kann er hieraus keinen Anspruch auf Schutzbewilligung auch in der Bundesrepublik Deutschland ableiten.

39

Im Bereich der harmonisierten Markenrecht innerhalb der Europäischen Union sind durchaus abweidende Betrachtungen hinsichtlich der Schutzfähigkeit von Marken möglich, zumal die Markenrichtlinie bewusst von einer vollständigen Angleichung der nationalen Rechte abgesehen hat (EuGH GRUR 2002, 804 (Nr. 4) – Philips).

40

Bei der Prüfung der beanspruchten Schutzerstreckung ist jeweils ausschließlich auf die insoweit relevanten Tatsachen und Umstände im Einzelfall abzustellen und es ist zu berücksichtigen, dass diese in den einzelnen Mitgliedsstaaten durchaus unterschiedlich sein können. Dies spiegelt sich insbesondere auch in den von dem Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen zur Schutzbewilligung in Österreich, den Benelux-Staaten und der Schweiz wider, die mit einer vollständigen Schutzbewilligung in Österreich und den Benelux-Staaten einerseits und einer nur teilweisen Schutzbewilligung für die Klasse 35 und 36 in der Schweiz andererseits bereits eine unterschiedliche Bewilligungspraxis auch innerhalb deutschsprachiger Länder zeigen.

41

Diese Unterschiede in der Schutzbewilligung bzw. in der Eintragungspraxis sind auf eine gebotene Einzelfallprüfung und ggf. einerseits abweichende Branchengewohnheiten sowie auf unterschiedliche Verbrauchergewohnheiten zurückzuführen, die im jeweiligen Einzelfall bei der Prüfung Berücksichtigung finden.

5.

42

Die eigenen sowie autorisierten Benutzungshandlungen der beanspruchen Bezeichnung in Form einer Internetdomain „Gedankenfitness.de“ sowie der Buchveröffentlichung „Brain Surfing…“ unter Benutzung der beanspruchten Bezeichnung „Gedankenfitness“ sind für die Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage der Eintragungsfähigkeit bzw. Schutzbewilligung unbeachtlich, da diese ausschließlich auf Grundlage der verfahrensgegenständlichen Bezeichnung „Gedankenfitness“ unter Berücksichtigung der rechtlichen Gegebenheiten zur Frage der Unterscheidungskraft und dem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zu erfolgen hat.

6.

43

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 MarkenG) besteht keine Veranlassung.