Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 08.10.2014


BPatG 08.10.2014 - 27 W (pat) 511/14

Markenbeschwerdeverfahren – "winkelähnliche Form auf einem Schuh (Positionsmarke)" – Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
08.10.2014
Aktenzeichen:
27 W (pat) 511/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2013 038 266.8

hat der 27. Senat des Bundespatentgerichts (Markenbeschwerdesenat) am 8. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Hermann und des Richters Schmid

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 14. November 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin hatte am 25. Juni 2013 die Eintragung des als sonstige Markenform beanspruchten Zeichens (Nr. 30 2013 038 266)

Abbildung

2

für "Schuhwaren" (Klasse 25) beantragt. Die der Anmeldung beigefügte Beschreibung der Marke lautet: "Positionsmarke; die gestrichelten Linien sind nicht Bestandteil der Marke, sondern legen ihre Position fest."

3

Die Markenstelle für Klasse 25 hat die Anmeldung durch Beschluss vom 14. November 2013 zurückgewiesen, weil das angemeldete Zeichen jeglicher Unterscheidungskraft entbehre (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG).

4

Die angemeldete Marke, die aus einer an der Außenseite eines Schuhs bis über eine Schuhöse erstreckten winkelähnlichen Form bestehe, entspreche einer auf dem Warengebiet üblichen Formenvielfalt, die der ästhetischen oder funktionellen Gestaltung von Schuhen diene. Einsätze an einer Seite des Schuhes seien häufig als Bogen, Linie, Haken, Rechteck oder Winkel ausgeführt. Eine Gewöhnung der Verkehrskreise, in an der Seite eines Schuhs angebrachten Elementen einen betrieblichen Herkunftshinweis zu erkennen, sei dagegen nicht feststellbar.

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Gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 14. November 2013, zugestellt am 18. November 2013, hat die Anmelderin am 18. Dezember 2013 Beschwerde eingelegt.

6

Die angemeldete Marke entbehre nicht jeglicher Unterscheidungskraft. Sie bestehe aus einem abstraktem figurativen Bild in einer festgelegten Position, das weder eine einfachste geometrische Form noch ein Element, welches herkömmlich in dekorativer Weise verwendet wird, zeige. Von gewöhnlichen Merkmalen wie Punkten, Streifen, Herzen oder Sternen hebe sich die Markenanmeldung deutlich ab. Demgegenüber vereine sie eine Mehrzahl verschiedener gestalterischer Komponenten, welche einen ungewöhnlichen und einprägsamen Gesamteindruck hervorriefen.

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Die Positionierung des Bildes an der Außenseite eines Schuhs unterstütze die Wahrnehmung des Zeichens als Marke sogar. Die Markenstelle verkenne die auf dem Schuhmarkt herrschenden Kennzeichnungsgewohnheiten. Richtig sei zwar, dass viele Hersteller von Sport- und Freizeitschuhen grafische Elemente an der Außenseite ihrer Schuhe verwenden. Derartige Gestaltungen dienten allerdings überwiegend der Unterscheidung der betrieblichen Herkunft dieser Waren.

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Die Anmelderin beantragt,

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den angegriffenen Beschluss aufzuheben.

II.

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Die gemäß § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg, weil dem angemeldeten Zeichen entgegen der Auffassung der Markenstelle das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden kann.

11

Schutzgegenstand des laut der beigefügten Markenbeschreibung ausdrücklich als Positionsmarke angemeldeten Zeichens ist die spezifische Anordnung eines Zeichens innerhalb der Aufmachung (vgl. etwa BPatG MarkenR 2009, 569, 570 – Schultütenspitze). Die Prüfung der Unterscheidungskraft eine Positionsmarke unterliegt denselben Beurteilungskriterien wie andere Markenformen (BPatG, Beschlüsse vom 24. Juni 2003, 27 W (pat) 99/02 – Positionsmarke auf Schuh, und vom 29. Januar 2013, 29 W (pat) 565/12 – Farbige Randgestaltung (rot, grau) auf Telefonverzeichnis).

12

Maßgeblich ist daher, ob das Zeichen aus der Sicht eines von den jeweiligen Waren angesprochenen Durchschnittsverbrauchers über lediglich technisch funktionelle oder über die typische Gestaltung der Ware hinausreichende charakteristische Merkmale aufweist, die aus dem verkehrsüblichen Rahmen der Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen (BPatG a.a.O. –  Schultütenspitze), wobei die Schutzfähigkeit auch auf der spezifischen Anbringung des Bildelements an stets gleicher Stelle in gleicher Form und Größe beruhen kann (BPatG GRUR 1998, 819 ff. – Jeanstasche mit Ausrufezeichen). Eine Marke braucht demgegenüber keine gestalterische Eigentümlichkeit oder eine originelle Wirkung aufzuweisen, um als unterscheidungskräftig wahrgenommen zu werden werden zu können (BGH a.a.O. – Jeanshosentasche).

13

Im Bereich der Schuhbranche fehlen Anhaltspunkte dafür, dass Bildgestaltungen, die die Ware nicht naturgetreu abbilden und über einfache geometrische oder über andere einfache grafische Formen, die auf der Ware, ihrer Verpackung oder sonst üblicher Weise in bloß funktioneller oder dekorativer Weise verwendet werden, hinausgehen, nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden (vgl. EuGH, Beschl. vom 26. April 2012, Rn. 52 – Winkel, mit gestrichelten Linien umsäumt; BGH GRUR 2001, 734, 735 – Jeanshosentasche und GRUR 2011, 158 Rn. 8 – Hefteinband; BPatG, Beschl. vom 1. Februar 2011, 27 W (pat) 280/09).

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Zwar verfügen Freizeit- und Sportschuhe vielfach über ausgeprägte Farb-, Bild- oder sonstige Designelemente. Wie auch die von der Markenstelle angeführten Verwendungsbeispiele zeigen, dominieren insoweit aber Grundformen, schlichte Muster oder bekannte Motive. Neben der Verwendung grafischer Muster und Formen als Mittel der Gestaltung der Ware selbst pflegen Bildgestaltungen - insbesondere als großflächige und an einer Schuhseite exponierte Merkmale - zudem weithin auch als Markenzeichen von Schuhen eingesetzt zu werden (vgl. BPatG, Beschl. vom 1. Februar 2011, 27 W (pat) 280/09). Eine hierdurch bedingte Gewöhnung des Publikums an derartige Marken bezieht sich unmittelbar vorrangig auf den bedeutenden Sport- und Freizeitschuhsektor (vgl. Bildmarken wie "drei Streifen" oder den sog. Nike-Swoosh; im Freizeitbereich u.a. die ganze Warengattung "Sneakers"). Schon angesichts fließender Übergänge zwischen verschiedenen Schuhkategorien berühren diese Kennzeichnungsgewohnheiten aber die Wahrnehmung solcher Gestaltungen auf anderen, insbesondere klassischen Schuhen, zumal insoweit auch das Verständnis von Bildelementen als dekorative Gestaltung ferner liegt.

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Das angemeldete Zeichen erschöpft sich nicht in der Abbildung einer einfachen geometrischen oder sonstigen einfachen grafischen Gestaltung. Zwar mag der Gestaltung eine Winkelform zugrunde liegen. Diese Grundform ist jedoch durch mehrere grafische Mittel in charakteristischer Weise verfremdet, vor allem durch die Asymmetrie der Gestaltung mit einem vertikal und einem schräg ausgerichteten Schenkel, die zudem in der Strichbreite variieren und unterschiedlich geschwungene Außen- wie Innenlinien aufweisen. Die Bildgestaltung entzieht sich dementsprechend einer prägnanten erschöpfenden Umschreibung und beschränkt sich gerade in der durch die Anmeldung festgelegten Position nicht auf ein dekoratives Gestaltungsmittel.

16

Auch für eine lediglich funktionelle, insbesondere stabilisierende Bedeutung der Zeichengestaltung und -positionierung fehlen zulängliche Anzeichen, zumal dieser Schuhbereich in der Regel keine auffällig hervortretenden Funktionselemente aufweist. Die geschwungene Linienführung mit einem schlanken Oberbereich wirkt vorrangig als gewillkürte Gestaltung, die Assoziationen über den Symbolgehalt des Zeichens zulässt.

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Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.