Entscheidungsdatum: 08.10.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die angemeldete Marke 30 2013 038 264.1
hat der 27. Senat des Bundespatentgerichts (Markenbeschwerdesenat) am 8. Oktober 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht, des Richters Hermann und des Richters Schmid
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 20. November 2013 wird aufgehoben.
I.
Die Anmelderin hatte am 25. Juni 2013 die Eintragung der Bildmarke (Nr. 30 2013 038 264)
für die Waren
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen (Klasse 25
beantragt.
Die Markenstelle für Klasse 25 hat die Anmeldung durch Beschluss vom 20. November 2013 teilweise, nämlich für "Schuhwaren", zurückgewiesen, weil das angemeldete Zeichen insoweit jeglicher Unterscheidungskraft entbehre (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG).
Einer Bildmarke fehle die Eignung, als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen zu werden, wenn sie einen warenbeschreibenden Hinweis verkörpert oder sich in einfachsten geometrischen Formen oder sonstigen Gestaltungselementen, die auf der Ware oder ihrer Verpackung üblicherweise in lediglich dekorativer Form verwendet werden, erschöpft.
Das angemeldete Bildzeichen entspreche den auf dem Schuhsektor üblichen Gestaltungsformen. Das Publikum sei insofern an grafische und funktionsbedingte Applikationen gewöhnt. Häufig seien Einsätze an einer Seite des Schuhes als Bogen, Linie, Haken, Rechteck oder Winkel ausgeführt, die wie das angemeldete Zeichen der ästhetischen Gestaltung des Schuhs dienten und/oder als Einsätze dem Fuß einen besseren Halt gäben. Eine Gewöhnung der Verkehrskreise, in an der Seite eines Schuhs angebrachten Elementen einen betrieblichen Herkunftshinweis zu erkennen, sei nicht feststellbar.
Gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 20. November 2013, zugestellt am 21. November 2013, hat die Anmelderin am 19. Dezember 2013 Beschwerde eingelegt.
Die angemeldete Marke entbehre nicht jeglicher Unterscheidungskraft. Die Marke bilde keinen Schuh oder einen Teil davon ab, sondern bestehe aus einem abstraktem figurativen Bild. Die Darstellung zeige weder eine einfachste geometrische Form noch ein Element, welches herkömmlich in schmückender Weise verwendet werde. Von gewöhnlichen Merkmalen wie Punkten, Streifen, Herzen oder Sternen hebe die Markenanmeldung sich deutlich ab. Demgegenüber vereine sie eine Mehrzahl verschiedener gestalterischer Komponenten, welche einen ungewöhnlichen und einprägsamen Gesamteindruck hervorriefen.
Die Markenstelle verkenne die auf dem Schuhmarkt herrschenden Kennzeichnungsgewohnheiten. Richtig sei zwar, dass viele Hersteller von Sport- und Freizeitschuhen grafische Elemente auf der Außenseite ihrer Schuhe platzierten. Derartige Gestaltungen dienten allerdings überwiegend der Unterscheidung der betrieblichen Herkunft dieser Waren.
Die Anmelderin beantragt,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben.
II.
Die gemäß § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg, weil dem angemeldeten Bild entgegen der Auffassung der Markenstelle das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden kann.
Wie die Markenstelle im Kern zutreffend ausgeführt hat, entbehren Bildmarken regelmäßig jeglicher Unterscheidungskraft, wenn sie typische Merkmale der beanspruchten Ware naturgetreu bildlich wiedergeben oder wenn es sich um eine einfache geometrische oder eine andere einfache grafische Form handelt, die auf der Ware, ihrer Verpackung oder sonst üblicher Weise in lediglich funktioneller oder dekorativer Weise verwendet wird. Weist ein Zeichen dagegen darüber hinausgehende charakteristische Elemente auf, in denen das Publikum einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht, kann das Vorliegen hinreichender Unterscheidungskraft nicht verneint werden (vgl. BGH GRUR 2001, 734, 735 – Jeanshosentasche und GRUR 2011, 158 Rn. 8 – Hefteinband, jeweils ohne die Beschränkung "einfachste" grafische Formen, so noch BGH GRUR 2001, 413 Rn. 19 – SWATCH; BPatG, Beschl. vom 1. Februar 2011, 27 W (pat) 280/09). Ebensowenig wie andere Zeichen braucht eine Bildmarke keine gestalterische Eigentümlichkeit oder eine originelle Wirkung aufzuweisen, um als unterscheidungskräftig wahrgenommen werden zu können (BGH, a.a.O. – Jeanshosentasche).
Die Kennzeichnungsgewohnheiten im Bereich der Schuhbranche erfordern keine Verschärfung dieses Maßstabs. Zwar verfügen Freizeit- und Sportschuhe vielfach über ausgeprägte Farb-, Bild- oder sonstige Designelemente. Wie auch die von der Markenstelle angeführten Verwendungsbeispiele zeigen, dominieren insoweit aber Grundformen, schlichte Muster oder bekannte Motive. Neben der Verwendung grafischer Muster und Formen als Mittel der Gestaltung der Ware selbst pflegen Bildgestaltungen - insbesondere als großflächige und an einer Schuhseite exponierte Merkmale - zudem weithin auch als Markenzeichen von Schuhen eingesetzt zu werden (vgl. BPatG, Beschl. vom 1. Februar 2011, 27 W (pat) 280/09). Eine hierdurch bedingte Gewöhnung des Publikums an derartige Marken bezieht sich unmittelbar vorrangig auf den bedeutenden Sport- und Freizeitschuhsektor (vgl. Bildmarken wie "drei Streifen" oder den sog. Nike-Swoosh; im Freizeitbereich u.a. die ganze Warengattung "Sneakers"). Schon angesichts fließender Übergänge zwischen verschiedenen Schuhkategorien berühren diese Kennzeichnungsgewohnheiten aber die Wahrnehmung solcher Gestaltungen auf anderen, insbesondere klassischen Schuhen, zumal insoweit auch das Verständnis von Bildelementen als dekorative Gestaltung ferner liegt.
Von der Geltung dieses Maßstab spezifisch in der Schuhbranche geht auch die Rechtsprechung des EuGH aus, wonach "einer einfachen und banalen Form, die nicht erheblich von den üblicherweise in der Schuhbranche verwendeten Formen abweicht" die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. EuGH, Beschl. vom 26. April 2012, Rn. 52 – Winkel, mit gestrichelten Linien umsäumt).
Das angemeldete Bild als solches bildet die beanspruchte Ware "Schuhe" oder Merkmale davon nicht naturgetreu ab (s. BGH GRUR 2001, 239 Rn. 24 – Zahnpastastrang). Sofern das Bild überhaupt unmittelbar als Seitenansicht eines Frauenschuhs mit hohem Absatz aufgefasst wird, verfügt es als piktogrammähnliche Abstraktion, die den Fußbereich gegenüber einer realistischen Darstellung erkennbar verzerrt, über ausreichende Eigenprägung.
Das angemeldete Bildzeichen zeigt auch nicht lediglich eine einfache geometrische oder sonstige einfache grafische Gestaltung. Zwar mag der Gestaltung eine Winkelform zugrunde liegen. Diese Grundform ist jedoch durch mehrere gra-fische Mittel in charakteristischer Weise verfremdet, vor allem durch die Schrägstellung des Zeichens und eine asymmetrische Schenkelgestaltung, insbesondere eine unregelmäßig variierende Strichbreite sowie teilweise geschwungene Außen- wie Innenlinien. Sie entzieht sich dementsprechend einer prägnanten erschöpfenden Umschreibung, wenngleich sie verschiedene Assoziationen zulässt (neben der Darstellung eines Schuhs etwa als Buchstabe "D").
Wird von der Verwendung des Zeichens auf der Schuhaußen- oder/und -innenseite ausgegangen (EuGH, a.a.O., Rn. 54 – Winkel, mit gestrichelten Linien umsäumt), liegt die Wahrnehmung des Zeichens als Marke umso näher, weil das Publikum unter dem Eindruck der Branchenübung (s.o.) an diesen Schuhflächen mit Aussagen zur betrieblichen Zuordnung der Ware rechnet.
Desgleichen fehlen Anhaltspunkte, die eine lediglich funktionelle, insbesondere stabilisierende Bedeutung der Gestaltung nahe legen. Die Schrägstellung des Symbols, seine differenzierte und geschwungene Linienführung mit einem schlanken Oberbereich und der Assoziationsgehalt des Zeichens führen von einem derartigen Verständnis weg.
Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.