Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.01.2014


BPatG 14.01.2014 - 27 W (pat) 508/13

Markenbeschwerdeverfahren – "Positionsmarke, bestehend aus jeweils zwei sich kreuzenden Doppelnähten, aufgebracht auf der Rückseite der vorderen Hosentaschen einer Hose oder eines Rocks" – kein von der Branchenüblichkeit erheblich abweichendes Gestaltungsmerkmal - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
27. Senat
Entscheidungsdatum:
14.01.2014
Aktenzeichen:
27 W (pat) 508/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 049 120.8

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Albrecht sowie der Richterin Dorn und des Richters k.A. Schmid

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

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Für die Waren

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Klasse 25:

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Bekleidungsstücke, nämlich Hosen und Röcke

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angemeldet ist als sonstige Markenform das Zeichen

Abbildung

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Zur Beschreibung ist ausgeführt worden:

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Positionsmarke: die Marke besteht aus jeweils zwei sich kreuzender Doppelnähte, aufgebracht auf der Rückseite der vorderen Hosentaschen einer Hose oder eines Rocks. Die Abbildung zeigt die Innenseite des Bekleidungsstücks.

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Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung vom 22. März 2012 mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine nicht unterscheidungskräftige Angabe handele. Da es sich bei den beanspruchten Waren um solche des täglichen Bedarfs handele, sei als maßgebliche Verkehrskreise auf normal informierte und angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher abzustellen. Die angemeldete Marke bestehe aus jeweils zwei sich kreuzenden Doppelnähten, aufgebracht auf der Rückseite der vorderen Hosentaschen einer Hose oder eines Rocks, wobei diese eine denkbar einfache Form aufwiesen und keinerlei optisch oder farblich hervorstechenden Merkmale enthielten, die herkunftshinweisend wirken könnten. Insbesondere sei bei der eher schlichten Gestaltung nicht davon auszugehen, dass die Verkehrskreise den Buchstaben „X“ oder eine römische Zehn erkennen würden, nur weil sich zwei Linien bzw. Nähte kreuzten. Es seien keine Branchengepflogenheiten festzustellen, dass derartige Nähte, die auf der Innenseite der Ware angebracht seien, wo sie nicht wahrgenommen würden, als Unternehmenskennzeichen aufgefasst würden. Der Kunde greife bei Bekleidung, sofern die Marke nicht gut sichtbar als Symbol in Wortform auf der Vorderseite angebracht sei, an den - in der Regel gut zugänglichen - Kragen oder an den Taillenbund, um im Etikett Marke bzw. Hersteller ablesen zu können. Hingegen sei es wenig vorstellbar, dass die Bekleidungsstücke - ob Hosen oder Röcke - erst mal auf links gedreht würden, um die Gestaltung der Rückseite der Taschen zu begutachten und sich somit Klarheit über die betriebliche Herkunft der Waren zu verschaffen. Die Anmelderin könne sich auch nicht auf die von ihr zitierten Entscheidungen des Bundespatentgerichts (insbes. 27 W (pat) 280/09)  berufen. Bei den in diesen Verfahren beanspruchten Waren handele es sich nämlich durchweg um „Schuhwaren", für die das Gericht in seinen Entscheidungen explizit bestimmte Branchengepflogenheiten festgestellt habe - nämlich die Verwendung zwar einfacher, aber ausgefeilterer grafischer Elemente als vorliegend. Die hier vorliegende Darstellung sei schlicht eine gekreuzte Linie, die nicht den Anspruch erheben könne, als Buchstabe oder römische Ziffer erkannt zu werden.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie vertritt die Auffassung, das Bildzeichen sei bereits für sich betrachtet, d.h. ohne Rücksicht auf seine Stellung innerhalb der Positionsmarke, hinreichend unterscheidungskräftig. Es handele sich um ein sogenanntes Schräg-Kreuz, das dadurch gekennzeichnet sei, dass es in der Breite eine größere Spannweite aufweise als in der Höhe und in verschiedensten Lebensbereichen zum Ankreuzen und Kennzeichnen verwendet würde. Die Unterscheidungskraft scheitere auch nicht daran, dass das Zeichen dem Betrachter des jeweiligen Bekleidungsstücks unsichtbar bleibe, wenn dieses getragen werde. Die Funktion einer Marke erschöpfe sich nicht darin, dem potentiellen Käufer möglichst schnell Klarheit über die betriebliche Herkunft der Waren zu verschaffen. Vielmehr habe es sich inzwischen etabliert, Bekleidungsstücke und Accessoires an Stellen zu kennzeichnen, an denen sie der Verbraucher vielleicht nicht sofort sehe, von denen er aber wisse, dass sie da seien und das Produkt als „Original" kennzeichneten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 20. Dezember 2012 verwiesen. Die Anmelderin beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle vom 14. November 2012 aufzuheben.

II.

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Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde erweist sich als nicht begründet, da die angemeldete Marke nicht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist.

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Zwar kann Positionsmarken die erforderliche Unterscheidungskraft auch zugesprochen werden, wenn nicht unterscheidungskräftige Wort- oder Bildelemente auf einem bestimmten Warenteil an stets gleichbleibender Stelle in gleicher Form und Größe angebracht sind (vgl. BPatG GRUR 1998, 819 ff. - Jeanstasche mit Ausrufezeichen). Der angemeldeten Marke mit ihren gekreuzten Nähten fehlt jedoch auch als Positionsmarke jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat. Denn auch bei einer aus einer bestimmten Positionierung eines Gestaltungselements auf der damit zu kennzeichnenden Ware ist grundsätzlich zu prüfen, ob diese als von Haus aus geeignet angesehen werden kann, die mit ihr gekennzeichneten Gegenstände der betrieblichen Herkunft nach zu unterscheiden (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), wobei sich die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Positionsmarke nicht von denjenigen unterscheiden, die auf andere Kategorien von Marken Anwendung finden (EuGH GRUR 2002, 804 - Philips/Remington).

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Unterscheidungskraft im Sinn der vorgenannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom maßgeblichen Publikum als betrieblicher Herkunftshinweis und Unterscheidungsmittel für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden und damit die betriebliche Zuordnung dieser Waren zu ermöglichen (vgl. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Auch dieses Eintragungshindernis ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, das ihm zugrunde liegt, und das darin besteht, den freien Warenverkehr zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2002, 804, 806 - Philips; GRUR Int. 2004, 943 - Farbe Orange). Für kennzeichnungsrechtliche Monopole ist damit nur Raum, soweit diese geeignet sind, dem Verbraucher die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren zu garantieren und damit die Herkunftsfunktion der Marke zu erfüllen. Es kommt darauf an, ob die Marke aus der Sicht des von den jeweiligen Waren angesprochenen Durchschnittsverbrauchers über technisch-funktionelle oder über die typische Gestaltung der Waren hinausreichende charakteristische Merkmale aufweist, die aus dem verkehrsüblichen Rahmen der Gestaltungsvielfalt der jeweiligen Branche fallen (vgl. EuGH GRUR 2005, 229 - Flaschenform; BPatG 26 W (pat) 163/04 -Silberstreifen). Ein derart von der Norm oder Branchenüblichkeit erheblich abweichendes Gestaltungsmerkmal weist die angemeldete Marke entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht auf. Denn die Markenstelle weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei den sich kreuzenden Nähten um schlichte Linien handelt, deren Verlauf sich als beliebig darstellt. Insbesondere sind die gegenüberliegenden Kreuze nicht symmetrisch gestaltet. Der Schnittpunkt der Doppelnaht an der linken Tasche liegt erkennbar näher zum Innenrand als an der rechten Tasche, woraus sich insgesamt unterschiedliche Abmessungen der Kreuze ergeben. Die konkrete Gestaltung erscheint damit nicht als zweckbestimmter und auf Reproduktion angelegten Herkunftshinweis. Es ist auch branchenüblich, auf und in Kleidungsstücken (Doppel-) Nähte anzubringen, die z.B. verstärkend wirken können.

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Daher rechnet das relevante Publikum mit dem Vorhandensein von Nähten letztlich gerade an versteckten Positionen von Kleidungsstücken. Ist aber die Positionierung wie hier nicht ungewöhnlich, wirkt sie nicht individuell kennzeichnend (vgl. auch Bingener, MarkenR 2004, 377, 380) und kann daher nicht als Herkunftshinweis angesehen werden.

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Die Frage eines bestehenden Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann angesichts der fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.

15

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG sind nicht gegeben, da weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordern. Zur Bejahung dieses Tatbestandes reicht es nicht aus, dass die Sache von besonderer Wichtigkeit für die Beteiligten ist. Rechtlich beruht die vorliegende Entscheidung des Senats auf in ständiger Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen zur Beurteilung von Unterscheidungskraft und des Freihaltungsbedürfnisses; in der Sache liegt der Schwerpunkt auf der tatrichterlichen Bewertung der entscheidungserheblichen tatsächlichen Gegebenheiten.